Landkreis Harburg. Landkreis Harburg lockt Ärzte mit Stipendium. Dafür verpflichtet ihn der Kreis, später für fünf Jahre dort als Hausarzt zu arbeiten.
Paul Kala hat Dienst. Im Krankenhaus Buchholz absolviert der 33-Jährige nach seinem zweiten Staatsexamen am Universitätsklinikum Eppendorf das praktische Jahr als angehender Arzt. „Mit der Ausbildung bin ich sehr zufrieden“, versichert Kala. „Aber das Entgelt von 400 Euro reicht natürlich nicht aus.“ Der 40-Stunden-Vertrag lässt für ihn zudem monatlich nur noch drei bis vier Zwölf-Stunden-Schichten im Rettungsdienst für das Rote Kreuz (DRK) zu. Die Hälfte von dem, was der ausgebildete Rettungsassistent als Student geschafft hatte.
Doch Kala hat jetzt eine neue Einnahmequelle: ein Stipendium über 500 Euro im Monat vom Landkreis Harburg. Zwar verpflichtet ihn der Kreis dafür, später für fünf Jahre als Hausarzt in seinen Grenzen zu arbeiten. Doch der junge Mediziner, der in Tostedt aufwuchs, in Rotenburg sein Abitur bestand und jetzt seit sieben Jahren mit seiner Frau Julia in Sprötze wohnt, schlug gern ein. „Ich bin im Landkreis fest verwurzelt. Meine Familie und meine Freunde leben hier. Ich möchte hier nicht weg.“
Ärzte-Offensive: 500 Euro im Monat für Medizinstudent
Kala ist einer der beiden ersten Medizin-Studenten, die jetzt ein solches Stipendium erhalten haben. Der Zweite, Bruno Brito da Rocha, studiert derzeit im sechsten Semester in Gießen. Brito Da Rocha hat zwar brasilianische Wurzeln, wuchs aber ebenfalls in Tostedt auf und machte am Fachgymnasium Gesundheit und Soziales der Berufsbildenden Schulen Buchholz sein Abitur.
„Für mich stand immer fest, dass ich in den Kreis zurückkehren möchte“, sagt der 31-Jährige. Auch er erhält jetzt eine Unterstützung von 500 Euro im Monat. Die Förderung der Studenten gehört zu der zum Jahresbeginn ausgeweiteten Offensive des Kreises. Mit der Initiative „stadtlandpraxis“ sollen neue Mediziner für den Standort geworben werden. 300.000 Euro hat der Kreistag nach einem einstimmigen Beschluss allein für 2020 bereitgestellt.
Fünfstellige Summen können fließen
Das Stipendium von 500 Euro monatlich wird für maximal 51 Monate gewährt. Möglich ist auch, Zuschüsse von Gemeinden aufzustocken oder das praktische Jahr in Hausarztpraxen mit bis zu 300 Euro zu stützen. „Es ist schön zu sehen, dass sich unsere Stipendiaten nicht nur für ihre zukünftige berufliche Aufgabe, sondern auch für unseren Landkreis begeistern“, freut sich Landrat Rainer Rempe. „Die Entscheidung, angehende Allgemeinmediziner zu fördern, ist für uns ein weiterer wichtiger Baustein, um die hausärztliche Versorgung in der Region langfristig zu sichern.“
Fünfstellige Summen können sogar fließen, wenn neue Hausarztpraxen gegründet, eine Zweigpraxis eröffnet oder ein Arzt zusätzlich eingestellt wird. Bedingung ist, dass die Arbeit innerhalb von sechs Monaten aufgenommen wird und die Praxis mindestens fünf Jahre vor Ort bleibt. So lassen sich über die Anschubfinanzierung von 24.000 Euro die ersten Monate der Selbstständigkeit in einer neuen Praxis überbrücken. Denn die Zahlungen der kassenärztlichen Vereinigung setzen erst später ein.
„Das erste Jahr nach der Praxiseröffnung ist schwierig“, bestätigt Antje Quehl, eine promovierte Hausärztin aus Salzhausen, die jetzt Hilfe vom Landkreis erhält. Da leiste stadtlandpraxis „einen großen Beitrag dazu, sich für den Landkreis Harburg zu entscheiden.“ Kreis-Sozialdezernent Reiner Kaminski, der stadtlandpraxis ins Leben gerufen hatte, hat nun eine erste Zwischenbilanz der Förderungen gezogen. Das Ergebnis ist durchaus ermutigend.
Vier Neueinstellungen
Vom Kreis bewilligt sind seit Januar je fünf Anträge für neue Hausarztpraxen für dieses Jahr und für 2021. Dazu kommen vier Neueinstellungen, für die ein Zuschuss von je 12.000 Euro vorgesehen ist. „Wir haben offensichtlich das richtige Mittel gefunden, damit sich Ärzte bei uns niederlassen“, sagt der Sozialdezernent. Über das hohe Interesse sei er „überrascht, zumal bislang schon wegen der Corona-Krise kaum geworben werden konnte.“ Das Interesse ist dabei nahezu flächendeckend. Acht der insgesamt zwölf Samt- und Einheitsgemeinden und Städte im Landkreis können fest mit neuen Angeboten von Hausärzten rechnen.
Kaminski wirbt bereits seit 2012 mit seiner Initiative, bei Schülern, Studenten und am Standort interessierten Ärzten. Insgesamt 41 Ärzte konnten so entweder über Niederlassungen oder als Angestellte geholt werden. Dazu kommen 30 Weiterbildungsassistenten, also Ärzte während ihrer Fachausbildung. Doch selbst solche Zahlen reichen noch nicht aus, ist der Sozialdezernent überzeugt. „Viele Hausärzte stehen derzeit vor dem Ruhestand. Wir werden die Förderung auch 2021 fortsetzen.“