Harburg. Betriebsrat erwartet Ergebnisse für die kommende Woche – derzeit verhandelt die Konzernspitze um staatliche Finanzhilfen.
Noch immer wissen die Harburger Karstadt-Beschäftigten nicht, ob und wie es mit der Filiale auch in Zukunft weitergeht. „Es ist ungewöhnlich“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Marcus Junker, „bei allen vorherigen Sanierungsrunden konnte man irgendwo immer ein paar Gerüchte aufschnappen, aber diesmal halten alle Verhandler absolut dicht. Die Kolleginnen und Kollegen in der Filiale gehen allerdings sehr ruhig mit der Lage um. Große Angst ist derzeit nicht zu spüren.“
Schließung von Filialen nur Drohgebärde bei Verhandlungen?
Ernst nimmt Junker die Lage dennoch: Immerhin hat die Essener Konzernleitung vor vier Wochen die Schließung von einem guten Drittel der 180 Karstadt- und Kaufhof-Filialen an die Wand gemalt. Ob diese Zahl ernst gemeint war, oder nur eine Drohgebärde im Rahmen der Verhandlungen um Staatshilfen und einen Sanierungstarifvertrag, weiß außer der Essener Chefetage niemand. Wenn sie ernst gemeint war, wird es auch gesunde Häuser treffen. Und auch, wenn Harburg erhalten bleibt, wird es Einschnitte geben, denn „Galeria Karstadt Kaufhof“, so der vollständige Warenhauskettenname, befindet sich im Schutzschirmverfahren. Dies Verfahren ist zwar dazu gedacht, eine Insolvenz abzuwenden, verlangt vom betroffenen Unternehmen aber ebenfalls ernsthafte Mitwirkung – zumeist in Form von Einsparungen.
Es geht um einen Sanierungstarifvertrag
Deshalb wird in Essen derzeit um einen Sanierungstarifvertrag verhandelt. Schon zweimal sollten dessen Ergebnisse verkündet werden und die Mitarbeiter, auch in Harburg, warteten gespannt. Zuletzt gestern. Da wurde aber nur bekannt, dass Konzernchef Stephan Fanderl sich anderweitig neue Aufgaben sucht. „Jetzt sind Ergebnisse für frühestens nächste Woche angekündigt“, sagt Betriebsrat Junker.
Wie sich bei der bereits ausgedünnten Personaldecke weiter sparen lässt, weiß er nicht. „Allerdings haben wir bei jeder Spar-Runde gedacht, dass es mit noch weniger Kräften nicht geht; und dann ging es doch irgendwie. Vielleicht sind wir von Einsparungen auch nicht betroffen, weil wir schon vorgelegt haben, vielleicht wird bei den Saisonkräften angesetzt. Wir warten ab und reagieren dann.“
Derweil setzen sich immer mehr Menschen aus dem Hamburger Süden für den Erhalt der Harburger Karstadt-Filiale ein. Metin Hakverdi (SPD) Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Harburg, Wilhelmsburg und Bergedorf sowie Betreuungsabgeordneter für den verwaisten Wahlkreis Mitte, informierte sich gestern bei Junker über die Lage in der Filiale. Gemeinsam mit seinem Parteigenossen, dem aus Marmstorf stammenden Bürgerschaftsabgeordneten und Gewerkschafter Jan Koltze, hat Hakverdi eine Presseerklärung verfasst: „Die Beschäftigten haben unsere volle Solidarität“, sagt Hakverdi. „Es darf nicht sein, dass sie jetzt das Opfer einer Situation werden sollen, für die sie nichts können: Weder für die Umsatzeinbrüche aufgrund der Corona-Krise, noch für das zuvor jahrelange Missmanagement der wechselnden Konzern-Lenker. Denn nur deshalb ist das Unternehmen nun so schnell in die Knie gegangen.“
Beschäftigte machen seit vielen Jahren Abstriche
Die Beschäftigten hätten über Jahre hinweg immer wieder Abstriche gemacht und Einbußen bei Gehältern und Arbeitsbedingungen hingenommen, sagt Koltze: „Erst Ende vergangenen Jahres, nach der Fusion von Karstadt und Kaufhof, hat die Gewerkschaft Ver.di mit dem Unternehmen nach harten Verhandlungen einen Zukunftstarifvertrag abgeschlossen. Dieser sollte den Grundstein für eine langfristige, nachhaltige Sicherung von Standorten, Arbeitsplätzen und Arbeitnehmerrechten legen. Allerdings hat sich das Unternehmen darin zu umfangreichen Investitionen verpflichtet, die es bisher nicht in dem notwendigen Umfang getätigt hat. Solange das aber nicht passiert, kann man nicht einfach große Teile des Unternehmens und die Arbeitsplätze abschreiben Gerade die jahrelangen Erfahrungen bei Karstadt zeigen: Personalabbau, also Abbau der Servicequalität, ist keine erfolgreiche Zukunftsstrategie!“
Altersdurchschnitt der Belegschaft liegt bei 51 Jahren
Betriebsrat Junker bleibt angesichts der Lage stoisch. Er ist seit 1985 im Harburger Karstadt-Haus, hat in der Abteilung Fahrrad, Heimwerken und Autozubehör begonnen, die es längst nicht mehr gibt; und auch in der Zeit schon viele Veränderungs- und Sanierungsprozesse durchgemacht, wie die meisten seiner 100 Harburger Kollegen auch, denn der Altersdurchschnitt der Belegschaft liegt bei 51. „Wir haben die Konzerninsolvenz 2009 und das Sanierungsprogramm von 2018 durchgemacht“, sagt er. „Ich glaube die Kollegen bei Kaufhof sind nervöser. Unter allen Hamburger Filialbetriebsräten herrscht aber ein gutes und solidarisches Miteinander.“