Harburg/Wilhelmsburg. Stadtteilkulturfestivals im Hamburger Süden trotz der Pandemiebeschränkungen in diesem Jahr stattfinden sollen
„Spirit of Harburg“ und 48 Stunden Wilhelmsburg zu Hause“ lauten die Konzepte, mit denen die Stadtteilkulturfestivals im Hamburger Süden trotz der Pandemiebeschränkungen in diesem Jahr stattfinden sollen – virtuell. Während das Wilhelmsburger Kulturfest ab morgen Abend zwei Tage lang über die Bildschirme und Displays geht, harrt das Harburger Festival noch seiner Genehmigung durch die Bezirkspolitik und soll Ende August stattfinden. Die Sitzung des Kulturausschusses findet am kommenden Dienstag statt.
Corona und Kultur scheinen auf Kriegsfuß zu stehen: Kultur lebt nicht nur davon, dass viele Menschen sie gleichzeitig wahrnehmen, sie ist sogar dafür gedacht, Leute zusammenzubringen. Genau das ist aber in diesen Zeiten kritisch. Deshalb werden Kino- und Theatersäle derzeit von zwei Dritteln ihrer Stühle befreit – um wenigstens noch ein bisschen Publikum bespielen zu können. Museen müssen ihre Besucherzahlen im Auge behalten und die Musikclubs bleiben zu. Auch im Freien darf noch nichts veranstaltet werden, bei dem damit zu rechnen ist, dass Menschen sich nahe kommen und dabei vielleicht sogar schwitzen.
Das betrifft auch die Festivals, die mit Unterstützung der Stadt die Stadtteilkultur fördern und in ihrem Umfeld verankern sollen. In Wilhelmsburg ist das Festival „48 Stunden Wilhelmsburg“ bereits seit einem Jahrzehnt etabliert und in Harburg hat der „Sommer im Park“ nach holprigem Start 2018 im Jahr 2019 beim Publikum gut eingeschlagen. Beides soll den Beschränkungen nicht zum Opfer fallen.
Vielfalt der Hamburger Elbinseln in voller Pracht
„Wir möchten weiterhin die Vielfalt der Hamburger Elbinseln in voller Pracht präsentieren! Nun aber kontaktlos via Internet, Radio und Fernsehen. Aber auch in geschlossenen Hinterhöfen und in der Weite des Deiches“, sagt Kai Sieverding vom Verein „Musik von den Elbinseln“, der das Festival einst ins Leben rief und immer noch kuratiert. Es wird verschiedene kleine nachbarschaftliche Innenhofkonzerte geben, die allerdings nicht öffentlich zugänglich sein werden, sondern für die jeweils dort lebende Nachbarschaft bestimmt sind.
Einzelne Musiker werden in der Weite der Marsch auf dem Elbdeich auftreten und die Clubs werden menschenleer, aber nicht totenstill sein: „The Show must go online“ ist das Prinzip des diesjährigen Festivals. Alle Darbietungen – ob vor kleinem oder keinem Livepublikum – werden im Internet übertragen. Statt der üblichen Hutspende soll ein Spendenbutton es ermöglichen, online Trinkgeld für die Musiker zu geben. Auch die ungewöhnlichen Begegnungen von Künstlern und Auftrittsorten, die das Festival charakterisieren, wird es geben: Im Vorwege wurden beispielsweise ein Gipsy-Swing-Konzert im Fußballclubheim und Funk-Rock in der Craftbeerbrauerei aufgezeichnet. Nun werden die Shows im Stream eingespielt.
Sofort das OK bekommen
„Als wir das Ersatzkonzept bei den privaten und öffentlichen Geldgebern vorstellten, haben wir sofort das OK bekommen, das eigentlich für das Festival genehmigte Geld so neuartig aufzuwenden“, sagt Kai Sieverding.
Immerhin geht es hier um einen Etat von 120.000 Euro. Die Hälfte trägt der Bezirk Mitte, die Kulturbehörde steuert 25.000 Euro bei, der Rest wird von privaten Geldgebern aus Wirtschaft und Gesellschaft aufgebracht. Der „Spirit-of-Harburg“-Etat nimmt sich da mit seinen 69.000 Euro eher bescheiden aus. 45.000 soll das Bezirksamt aus Stadtteilkulturmitteln beisteuern – so viel, wie der „Sommer im Park“ gekostet hätte. Der Rest wird aus anderen Töpfen finanziert. In der Bezirksverwaltung hat man mit der Summe keine Probleme. Immerhin ist der „Sommer im Park“ eine offizielle Veranstaltung des Bezirks.
Allerdings möchte die Kommunalpolitik mitreden. „Es geht hier immerhin um große Summen, bei denen wir sichergestellt wissen wollen, dass sie auch ordentlich verwendet werden“, sagt Heinke Ehlers, kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Problematisch dabei: Konkrete Planungen kann das Konsortium aus Kulturschaffenden und Citymanagement, das hinter dem Festival steht, erst angehen, wenn das Geld bewilligt ist.
Livestreams von Club-Konzerten
Angedacht sind Aufzeichnungen und Livestreams von Club-Konzerten, ein Fernsehstudio als „Schaltzentrale“ auf der Freilichtbühne, bei dem auch Einspielfilme über die nicht-musikalische Harburger Kulturszene gezeigt werden. Eine weitere Idee ist es, jede Stunde eine neue Version des Abendblatt-Harburg-Songs als Video-Einspieler zu präsentieren. „Die gesamte kulturelle Vielfalt Harburgs soll mit der Freilichtbühne als Kristallisationspunkt dargestellt werden“, sagt Mitplaner Heimo Rademaker, „so wie beim eigentlichen Festival auch.“
Mit dem Live-Streaming allein soll es nicht getan sein. Das Vorkonzept sieht auch vor, eine DVD mit den Highlights des Fests zu produzieren. City-Managerin Melanie-Gitte Lansmann hat bei lokalen TV-Sendern vorgefühlt, ob eine Kooperation möglich wäre: „Grundsätzlich sind die Sender aufgeschlossen“, sagt sie, „Es muss aber erst das Startsignal aus dem Bezirk kommen.“