Jork. Hier gäbe es die Möglichkeit für ein “Leuchtturmprojekt“, sagt Jorks Bürgermeister Matthias Riel. Hamburg hat anderes im Sinn.

Wer heute von der Elbe auf die Gefängnisinsel Hahnöfersand blickt, ahnt schnell, welch großes touristisches Potenzial dieses idyllische Fleckchen Erde hätte. Mächtige Bäume markieren dort die Einbuchtung zu einem kleinen Hafenbecken an der Hahnöfer Nebenelbe: Ein seeartiger Seitenarm, der durch ein Band von anderen Elbinseln vom eigentlichen Fahrwasser getrennt und daher bei Wassersportlern als geschütztes Revier besonders beliebt ist.

Bei Ebbe lassen sich auf Sandbänken hier auch schon einmal Seehunde beobachten. Wenig verwunderlich also, dass in der Gemeinde Jork im Alten Land schon länger Ideen für eine Nachnutzung als Naherholungsziel geschmiedet werden, wenn Hamburg wie geplant die Jugendanstalt bis 2026 nach Billwerder verlegt. Die Insel gehört zum Jorker Gemeindegebiet, Hamburg ist Grundeigentümerin.

„Hier gäbe es die Möglichkeit für ein touristisches Leuchtturmprojekt“, sagt Jorks Bürgermeister Matthias Riel, der von einer „traumhaften Lage“ dort schwärmt. Ökotourismus, ein Hotel, ein Sportboothafen – vieles sei dort möglich. Doch mittlerweile macht sich in Jork die Sorge breit, dass diese Pläne an der großen Nachbarstadt scheitern könnten.

164 Millionen Euro teurer Neubau

Inzwischen ist dort nicht nur die Justizbehörde mit den Verlegungsplänen befasst, sondern auch die Stadtentwicklungsbehörde, die derzeit bereits das Verfahren für einen neuen Bebauungsplan betreibt, um den Neubau der neuen Jugendhaftanstalt in Billwerder baurechtlich erst zu ermöglichen. Involviert ist zudem die Hamburger Umweltbehörde, weil für den 164 Millionen Euro teuren Neubau im Osten Hamburgs auch viel Naturfläche in Anspruch genommen werden muss – dort gibt es reichlich Anwohnerprotest, aber wohl weniger Ausgleichsflächen.

Die Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand ist auf der Elbinsel Hahnöfersand bei Jork (Niedersachsen) zu sehen.
Die Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand ist auf der Elbinsel Hahnöfersand bei Jork (Niedersachsen) zu sehen. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Marcus Brandt

Zumal im nahen Oberbillwerder auch ein komplett neuer Stadtteil entstehen soll. Und nun, so die Befürchtung im Alten Land, könnte es sein, dass daher die gesamte Elb-Insel als Natur-Ausgleichfläche durch die Hamburger Behörden in Anspruch genommen werden könnte, weil in Billwerder geeignete Flächen fehlen.

„Es war immer klar, dass ein Teil der Insel für Ausgleichsflächen gebraucht wird – aber doch nicht alles“, sagt Bürgermeister Riel. Hintergrund für die Jorker Befürchtung ist der aktuelle Stand der Bauleitplanung für Billwerder. Zurzeit bekommen dazu Behörden, aber noch nicht die Öffentlichkeit, den aktuellen Planungsstand im Rahmen der „frühzeitigen Behördenbeteiligung“ zu Gesicht. Und dabei ist dem Jorker Bürgermeister eben aufgefallen, dass die gesamte Insel für den ökologischen Ausgleich herhalten soll. Also Wiesenbrüter statt Touristen als Zukunft der alten Gefängnisinsel.

Selbst der große Stall für die Schafe könnte abgerissen werden

Und selbst der große Stall für die Schafe des örtlichen Deichverbands könnte abgerissen werden, befürchtet Riel. Derzeit sieht der aktuelle Planungsstand tatsächlich danach aus: „Aktuell strebt die Freie und Hansestadt Hamburg an, dass die im Eigentum der Stadt befindlichen Flächen der Elbinsel anschließend für natur- und artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen genutzt werden“, heißt es in einer gemeinsamen Antwort der drei beteiligten Hamburger Behörden auf eine Anfrage des Abendblatts.

Doch es gibt da noch ein Problem: Der legendäre Hamburger Oberbaudirektor und Architekt Fritz Schumacher hatte zwischen 1926–1929 die ersten Gebäude für die Jugendstrafanstalt entworfen, die noch heute für den Strafvollzug genutzt werden. Seine typischen Backsteinbauten sind heute oft anerkannte Denkmäler.

Und tatsächlich prüft die zuständige niedersächsische Denkmalbehörde derzeit noch, ob Gebäude auf der Insel als erhaltenswürdig deklariert werden müssten. Abriss und Herrichtung als reine Naturfläche wären dann in der bisher geplanten Form nicht mehr möglich. „Sollte diese Prüfung ergeben, dass einzelne Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden müssen, dann würde das Ausgleichskonzept angepasst werden“, heißt es denn auch in der Antwort der Hamburger Behörden.

Ausgleichsfläche für große Hamburger Projekte

Noch ist die Tür zu einer touristischen Nutzung wohl eben nicht komplett zugeschlagen. Der Jorker Bürgermeister hat daher im Rahmen des offiziellen Verfahrens erst einmal die Bedenken seiner Gemeinde angemeldet und setzt weiter auf einen Dialog. „Unser Wunsch ist jetzt, dass wir noch einmal an einen Tisch kommen und darüber reden.“

Für Hahnöfersand wäre es im Übrigen nichts Neues, als Ausgleichsfläche für große Hamburger Projekte zu dienen. So wurden vor einigen Jahren schon große Teile der Insel in Watt umgewandelt. Etwa die Hälfte der früheren Inselfläche steht bei Flut daher unter Wasser. Hier sollten vor allem Löffelenten eine neue Heimat finden, nachdem große Teile des Mühlenberger Lochs für eine Airbuserweiterung zugeschüttet worden waren. Doch ihre Zahl blieb dort weit unter den Erwartungen, wie Naturschutzverbände immer wieder kritisierten.