Harburg . Während sechs der sieben Hamburger Bezirksversammlungen bald wieder zusammenkommen, bleibt Harburg ohne sein höchstes politisches Gremium

Im regulären Sitzungsrhythmus läge am Dienstag die Mai-Sitzung der Bezirksversammlung Harburg an. Doch regulär ist derzeit nichts. Und bei der Rückkehr zur politischen Normalität hinkt Harburg hinterher: Während sechs der sieben Hamburger Bezirksversammlungen nach der Corona-bedingten Zwangspause noch vor den Sommerferien wieder zusammenkommen, bleibt allein der Bezirk Harburg weiterhin ohne sein höchstes kommunalpolitisches Gremium.

Erst Ende September kommen alle 51 Abgeordneten wieder zusammen. Zuletzt hatten sie sich im Februar getroffen. Auf das Aussetzen der Sitzungen hatten sich die Fraktionen im März geeinigt. Nun wird einigen die Pause zu lang. Es regt sich Unmut.

Mit den umfassenden Kontaktbeschränkungen ab Mitte März waren zunächst einmal alle Sitzungen unmöglich geworden. Es dauerte einige Zeit, bis sich Lösungen fanden, wie man wenigstens ein Grundgerüst der politischen Arbeit erhalten kann. Das sah dann so aus: Ab April tagten der Hauptausschuss stellvertretend für die Bezirksversammlung, sowie der Stadtentwicklungsausschuss und der Jugendhilfeausschuss. Diese beiden Fachausschüsse haben echte Entscheidungsbefugnisse und von ihnen hängt das Handeln des Bezirksamts ab, beispielsweise bei Baugenehmigungen oder Programmen für die Jugendarbeit im Bezirk.

Drei Ausschüsse tagen. Ohne Publikum

Alle drei Ausschüsse tagen ohne Publikum. Nur die Presse darf mit in den Ratssaal, in dem dann elf bis 15 Ausschussmitglieder Abstand haltend verteilt sitzen. Bei Bedarf tagt außerdem der Ältestenrat. Er besteht aus den Fraktionsvorsitzenden und seine Sitzungen sind grundsätzlich vertraulich.

Im Ältestenrat hatten sich die Fraktionsspitzen auch darauf geeinigt, bis zur nächsten Sitzung der Bezirksversammlung keine neuen Anträge und Anfragen mehr zu stellen, weil zunächst einmal die Anträge der ausgefallenen März-Sitzung abgearbeitet werden müssen. Daran wollen sich jetzt einige Fraktionen nicht mehr halten.

„Wir können doch nicht ein halbes Jahr lang keine Politik gestalten“, sagt Jörn Lohmann, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Bezirksversammlung, „Es gibt trotz und gerade wegen Corona Themen, die auf den Nägeln brennen, zum Beispiel, was den öffentlichen Nahverkehr oder die Bildungseinrichtungen angeht. Wir bereiten jetzt Anträge vor.“

Tagungsort muss gefunden werden

Auch der CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer kündigte an, dass seine Partei nun wieder aktiv werden will. Anträge, die jetzt noch gestellt werden, könnten theoretisch bereits vom Hauptausschuss beschlossen werden. Er tagt am 23. Juni.

Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD, verteidigt die Entscheidung, erst im September wieder in großer Runde zu tagen. Es müsse auch ein Ort gefunden werden, in dem man die Abstände zwischen den Abgeordneten wahren und Publikum zulassen könne. Die sechs Bezirksversammlungen, die vor dem Sommer noch einmal tagen, weichen ebenfalls aus: Hochschulhörsäle, große Hallen oder die ehemalige Springer-Passage im neuen Bezirksamt Mitte sind nun Sitzungsorte. Die Septembersitzung der Harburger Bezirksversammlung findet in der Sporthalle des Bürgerzentrums Süderelbe statt. Das Publikum sitzt dann auf der Tribüne.

„Wir haben uns früh für die lange Pause entschieden, weil nicht absehbar war, wann der Sitzungsbetrieb überhaupt halbwegs normal wieder losgehen kann“, sagt Richter. „Mindestens genauso wichtig, wie die Bezirksversammlung sind ja auch die Fachausschüsse.“

„Das ist wichtig für die Transparenz!“

Dort werden die Grundlagen für die politische Arbeit gelegt. In den Ausschüssen erhalten die Abgeordneten die Sachinformationen und Rückmeldungen aus dem Bezirksamt und anderen Behörden und haken gegebenenfalls nach. Aufgrund dieser Erkenntnisse erarbeiten sie ihre Forderungen. Bis auf die eingangs erwähnten zwei haben die Ausschüsse jedoch ebenfalls Pause gehabt und müssen erst wieder anlaufen.

Zumindest für den Regionalausschuss Süderelbe wurde schon die Forderung nach einer Sitzung vor den Ferien erhoben. „Dringend ist hier vor allem das Vorhaben der Stadt, den Cranzer Hauptdeich zu erhöhen“, sagt der Grünen-Abgeordnete Fabian Klabunde. „Der Deichfuß und damit die Straße rücken näher an die Häuser. Die Anwohner sorgen sich. Hier war ein Bericht der Hafenbehörde HPA angekündigt in dem Details genannt werden. Das ist wichtig für die Transparenz!“

Klabunde könnte auch mit einer Ausschusssitzung per Videokonferenz leben. Allein: Es hakt an der Technik. Denn das Bezirksamt darf nicht einfach jedes Konferenzsystem benutzen und die Lizenzierung der verwaltungskonformen Konferenztechnik für die Abgeordneten gestaltet sich kompliziert. Das kritisiert auch SPD-Fraktionschef Frank Richter: „Harburg war in der Digitalisierung der Bezirksverwaltung Vorreiter“, sagt er. „Das es jetzt ausgerechnet hier hakt, ist ärgerlich.“

„Wir sind noch am Anfang der Legislatur“

Generell sieht Richter die lange Pause nicht als dramatisch an. „Wir sind noch am Anfang der Legislatur“, sagt er, „und unsere wichtigsten Themen für die kommenden Jahre – Wohnungsbau und Verkehr – behandeln wir derzeit ja auch im Stadtentwicklungsausschuss.“

Auch beim Koalitionspartner der SPD, den Grünen, hält sich die Ungeduld in Grenzen. „Es nützt ja nichts, eine Sitzung übers Knie zu brechen“, sagt die neue Fraktionsvorsitzende Bianca Blomenkamp. „Besser ist es, gut vorbereitet zu arbeiten.“