Harburg. Nach sieben Wochen Zwangsschließung dürfen Harburgs Restaurantbetreiber seit gestern wieder Gäste bewirten. Allerdings unter strengen Auflagen
So richtig angefreundet hat sich Ellen Daenecke noch nicht mit der neuen Situation. Mit Mundschutz und gebührendem Abstand serviert die Servicekraft vom Block House in Harburg ihren Gästen das erste Bier. Ihre Augen lächeln hinter den beschlagenen Brillengläsern. „Daran muss ich mich erstmal gewöhnen“, sagt sie. Dennoch ist sie froh, dass sie endlich wieder beim Gast sein darf.
Nach sieben Wochen corona-bedingter Zwangsschließung dürfen Hamburgs Restaurantbetreiber seit gestern wieder Gäste bewirten. Allerdings unter strengen Auflagen. Die Tische müssen so stehen, dass die Gäste mindestens 1,5 Meter Abstand zueinander haben. Die Kellner müssen Mund- und Nasenschutz tragen, Buffets sind verboten. Außerdem müssen alle Gäste registriert werden, um die Infektionskette nachvollziehen zu können. Warteschlangen vor dem Eingang sind zu vermeiden. Das hat der Senat am Dienstag entschieden.
Nicht einmal 24 Stunden später stehen David Ashtarany und sein Team mit Kellnerschürze und Schutzmaske bereit. Sie haben die halbe Nacht durchgearbeitet, um das Restaurant Caspari in der Lämmertwiete für den regulären Betrieb startklar zu machen. Tische wurden entfernt, Abstandsmarkierungen am Boden verklebt.
Stündlich werden die Türklinken desinfiziert
Am Eingang hängt ein Spender mit Desinfektionsmittel. Hinterm Tresen liegt griffbereit der Vordruck vom Amt, in den sich jeder Gast eintragen muss. David Ashtarany hat einen genauen Hygieneplan ausgearbeitet. Stündlich werden die Türklinken desinfiziert und die Toiletten gesäubert. Von seinen 25 Mitarbeitern hat er zwei Drittel angerufen und zurück in den Dienst beordert. Er hat ihnen gesagt, dass sie achtsam sein müssen und den Gästen zeigen sollen, dass sie sich strikt an die Regeln halten. Jetzt ist es kurz nach elf Uhr am Vormittag und die Crew wartet auf ihren ersten Gast.
Ein paar hundert Meter weiter stehen Thilo Dobler und sein Team vom Block House in den Startlöchern. Die Freude darüber, dass es nun wieder losgehen kann, steht dem stellvertretenden Betriebsleiter ins Gesicht geschrieben. Dobler ist Gastgeber durch und durch. Viele der Block-House-Kunden kennt er mit Namen.
Als klar war, dass am Mittwoch wieder Gäste bedient werden dürfen, rief er sofort ein paar von ihnen an. „Die haben schon sehnsüchtig darauf gewartet“, sagt er. So wie Joachim und Annegret Böttcher aus Eißendorf. „Wir haben gleich nach der Senatsentscheidung am Dienstagnachmittag für heute reserviert“, sagt Joachim Böttcher. „Schließlich gibt es ja weniger Plätze. Und da weiß man nie, wie schnell die weg sind.“
Auf Salz- und Pfefferstreuer wird verzichtet
Pünktlich um 11.30 Uhr steht das Ehepaar mit Mundschutz am Empfangstresen von Thilo Dobler. „Die Tische, die mit Besteck und Set eingedeckt sind, stehen ihnen zur Verfügung“, sagt er. „Auf Salz- und Pfefferstreuer haben wir verzichtet. Aus Hygienegründen gibt es bei uns Portionstütchen.“ Überhaupt ist das Restaurant am Sand gut vorbereitet.
„Bereits am Tag des Lockdowns haben wir damit begonnen, die Wiedereröffnung zu planen“, sagt Bereichsleiter Matthias Streck. Man habe ein Hygienekonzept erstellt, die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und mit einem Außer-Haus-Verkauf begonnen. „Das war allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Streck. „Im April haben wir damit fünf Prozent des normalen Umsatzes gemacht.“ Um so glücklicher, wenn auch verwundert über das Tempo, sei er, dass der Hamburger Senat entschieden habe, bereits am Mittwoch wieder die Gastronomie hochzufahren.
„Für uns ist das kein Problem, wir waren vorbereitet“, sagt Streck. „Aber für viele Restaurantbetreiber ist die kurzfristige Entscheidung schwierig, da Lieferketten und Hygienemaßnahmen erstmal angeschoben werden müssen.“
Die ganze Nacht nicht geschlafen
Für Remzi und Mai Morkow vom Restaurant Hoi An im Harburger Binnenhafen war die kurzfristige Entscheidung zur Wiedereröffnung kein Problem. Der Gastronom und seine Frau hatten in den vergangenen Wochen einen Abholservice eingerichtet. Allerdings mit mäßigem Erfolg. „Wir haben 90 Prozent weniger eingenommen“, sagt der Chef.
Die ganze Nacht habe er nicht geschlafen, vor Freude, dass es endlich wieder los gehe. Gleich am Morgen hat er auf die Tafel vor der Eingangstür geschrieben, dass wieder geöffnet ist. Um 11 Uhr hat er das Restaurant aufgeschlossen. Um 11.01 Uhr kam der erste Gast. Kurze Zeit später schaute die Polizei vorbei, ob alles seine Richtigkeit habe. Doch Remzi und Mai Morkow haben vorgesorgt.
Von den 36 Plätzen drinnen haben sie die Hälfte gestrichen, damit der Abstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Die Tische, die frei bleiben müssen, sind mit Klebeband abgesperrt. Am Eingang können sich die Gäste die Hände desinfizieren. Jeder Mitarbeiter trägt Mundschutz und Handschuhe.
Auch im Hotel Lindtner an der Heimfelder Straße stehen die Türen wieder offen. „Die ersten Gäste haben sich bereits zurückgemeldet“, sagt Chefin Heida Lindtner. „Darüber freuen wir uns sehr.“ Zum ersten Mal in seiner 80-jährigen Geschichte musste das Haus zum 15. März schließen. Die Folge: Veranstaltungen mussten abgesagt, Feste verschoben und Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden.
Ein bisschen mehr Behutsamkeit
Die Zeit habe man genutzt, um das Haus auf Vordermann zu bringen, so Heida Lindtner, die optimistisch ist, dass sich die Situation im Laufe des Jahres wieder entspannen wird. „Wir haben die Möglichkeit allen Anforderungen gerecht zu werden“, sagt sie. Wichtig sei jedoch, dass es behutsam wieder losgehe.
Ein bisschen mehr Behutsamkeit hätten sich viele Betriebe auch bei der Entscheidung des Senates gewünscht. Dieser hatte ursprünglich den 18. Mai als Tag der Wiedereröffnung angepeilt. „Darauf hatten wir uns eingestellt“, sagt Roman Stern vom Schweinske.
Auch Frank Wiechern vom Restaurant Leuchtturm ist verärgert. „Wir brauchen Zeit, um alles richtig vorzubereiten. Schließlich machen wir alle Speisen selbst.“ Violetta Ferrario vom Silo 16 fühlt sich vom Senat verschaukelt. „Das ist unfair“, sagt sie. „Organisatorisch ist eine so kurzfristige Eröffnung einfach nicht möglich.“
Taher Moghadam von der Helms Lounge hat sich für die Vorbereitung bis zum morgigen Freitag Zeit genommen. Dann wird er ab 9.30 Uhr wieder für seine Gäste da sein. Für den Gastronomen, der vor allem von Veranstaltungen des Museums und des Harburger Theaters lebt, waren die vergangenen Wochen extrem schwierig. „Mindestens 65.000 Euro Umsatz sind uns weggebrochen“, sagt er. Doch aufgeben kommt für ihn nicht in Frage. Im Gegenteil. Der Helms-Lounge-Chef will mit neuem Koch, neuer Karte und neu bepflanzter Terrasse wieder durchstarten. Die ersten Gäste haben ihr Kommen bereits angekündigt.