Harburg. Professoren der TUHH hätten Ideen für eine Lösung. Doch ein S-Bahn-Ring mit Elbtunnel wirft neue Fragen auf.
Der Süderelberaum könnte mit einer neuen S-Bahn-Linie, die durch einen Elbtunnel Harburg mit Altona verbindet, deutlich besser an die nördlich der Elbe liegende Metropolregion angebunden werden. Diesen Vorschlag machten kürzlich die beiden SPD-Politiker Metin Hakverdi und Frank Wiesner.
Das Konzept trat eine Diskussion über die Idee los. Beifall gibt es unter anderem aus der Harburger Wirtschaft. Als ein „Quantensprung für Hamburg“ bezeichnet Monika Gabler von der Süderelbe AG die angedachte Trasse. Auch der Wirtschaftsverein und Christoph Birkel, Geschäftsführer des hit-Technopark, begrüßen die Idee. Doch bestehen Zweifel, ob ein solches Projekt tatsächlich realisierbar ist.
Am Sinn der Idee zweifelt niemand
„Eine zweite Elbquerung würde die Betriebssicherheit des Nahverkehrs verstärken“, sagt Prof. Carsten Gertz, Leiter des Instituts Verkehrsplanung und Logistik an der Technischen Universität Hamburg (TUHH). „Aktuell läuft alles über die Elbbrücken. Und es kommt immer wieder zu Ausfällen und Verspätungen, etwa aufgrund von Bauarbeiten oder Betriebsstörungen.“ Zudem seien die Fahrgastzahlen auf den Linien S 3 und S 31 in den vergangenen Jahren stark angestiegen und werden dies auch weiter tun, so Gertz. Allein schon durch die drei großen Neubaugebiete in Neugraben-Fischbek.
Entlastung auch für die Autobahn 7
Wenn es auf beiden Elbseiten P+R-Angebote als Umsteigepunkte gäbe, könnte die S-Bahn-Trasse zudem die stark befahrene A 7 entlasten, ebenso die Innenstadt bei Großveranstaltungen, sagt der Verkehrsplaner. Ein weiterer Vorteil sei, dass südlich der Elbe Flächen für den jetzt angedachten Streckenverlauf eher zur Verfügung stehen als bei anderen U- und S-Bahn-Projekten, die die Stadt aktuell vorantreibe: „Viele Trassen führen durch dicht besiedelte Gebiete. Das birgt Konflikte mit Anwohnern.“
Dass im Umfeld zwischen der angedachten neuen Station Bostelbek und der südlichen Einfahrt in einen S-Bahn-Elbtunnel kaum gewohnt wird, könnte sich aber auch als Nachteil erweisen, wenn es um die Abwägung von Kosten und Nutzen des Projekts geht. Die Baukosten vom Harburger Abzweig der S 3 bis Altona würden sehr hoch sein, inklusive eines rund drei Kilometer langen Tunnels. Derzeit mag die Gesamtkosten noch niemand schätzen.
Machbarkeitsstudie entscheidet
Infrastrukturprojekte werden in Deutschland aus Steuermitteln bezahlt. Hamburg übernimmt einen Teil, der Bund ebenfalls. Gertz: „Die Bundesmittel wurden im Februar gewaltig aufgestockt. Aber für die Förderung müssen die Projekte nachweisen, dass ihr volkswirtschaftlicher Nutzen die Kosten übersteigt. Ein wichtiges Kriterium ist die Zahl der Anwohner im Einzugsbereich der neuen Verbindung.
Für die Trasse dürfte der Nachweis, dass sie volkswirtschaftlich vertretbar ist, sehr schwierig werden.“ Zudem stehe der Vorschlag in Konkurrenz mit zahlreichen anderen großen Nahverkehrsprojekten der Stadt, sagt Gertz. „Die Politik muss Prioritäten setzen. Sie muss entscheiden, ob sie eine Machbarkeitsstudie für den S-Bahn-Ring in Auftrag gibt oder nicht. Auf dieser Grundlage ist später zu entscheiden, ob und in welcher Variante das Projekt weiterverfolgt wird. Dieser Prozess wird vier bis fünf Jahre in Anspruch nehmen.“
„Technisch ist der S-Bahn-Ring mit einer Tunnellösung machbar“, sagt Gertz‘ Kollege Prof. Jürgen Grabe, Leiter des Instituts für Geotechnik und Baubetrieb der TUHH. Der einzig realistische Ansatz sei der Bau einer Tunnelröhre, die getrennt vom Autobahntunnel unter der Norderelbe hindurch führe. Ein solcher Tunnel brauche einen geringeren Durchmesser und voraussichtlich längere Zu- und Ausfahrten, weil Schienenfahrzeuge weniger Steigung vertragen als Pkw und Lkw.
Weniger Aufwand als bei der vierten Elbtunnelröhre
Wie schon beim Bau der vierten Elbtunnelröhre würde dafür eine Tunnelbohrmaschine eingesetzt. Damals bohrte sich „Trude“ durch den Untergrund, durch Schichten aus Sand, Kies und Gestein, „garniert“ mit einzelnen Findlingen. Trude hatte einen Durchmesser von 14,20 Meter und war in ihrer Einsatzzeit (1997 bis 2000) die weltgrößte Tunnelbohrmaschine. Ein Elbtunnel für die S-Bahn wäre deutlich zierlicher. So beträgt der Durchmesser des Tunnels für die HafenCity-U-Bahn (Linie U 4) nicht einmal sieben Meter.
Aus den Erfahrungen des gut 20 Jahre zurückliegenden Elbtunnelprojekts lasse sich viel für ein neues Projekt lernen, sagt Grabe. So hatte der damalige Projektleiter und Baudirektor Rolf Bielecki ein Havariekonzept entwickelt, das die Stadt weitgehend vor teuren Überraschungen schützte.
„In der Ausschreibung der Arbeiten bat Bielecki die teilnehmenden Firmen, in ihrem Angebot mit anzugeben, was schief gehen kann und die potenziellen Kosten zu benennen, die daraus entstehen würden. Wenn man das Unvorhersehbare vorempfindet, dann bleibt nur ein sehr kleiner Rest an möglichen echten Überraschungen, die zu Kostensteigerungen führen.“ Vorstellbar seien Hindernisse wie alte Uferbefestigungen und natürlich auch große Findlinge. Letztere sind für die Bohrmaschine ein echtes Problem, denn wenn sie erfasst werden, bewegen sie sich und schlagen auf das Bohrwerk.
Planung und Ausschreibung brauchen viel Zeit
Wenn politisch entschieden wird, dass die Ringverbindung tatsächlich machbar ist, dann müssten umfangreiche Voruntersuchungen, etwa des Baugrunds, der Umwelteinflüsse oder der genauen Trassenführung folgen. „Schneller als fünf Jahre ist das nicht zu machen“, so der Bauexperte. Immerhin habe Hamburg ein vorbildliches Untergrundmodell, sagt Grabe.
Im nächsten Schritt wäre der Untergrund detailliert zu beschreiben, damit Baufirmen qualifizierte Angebote machen können. Selbst bei zügiger Umsetzung des Konzepts eines S-Bahn-Rings könnte die erste S-Bahn wohl frühestens um 2035 herum unter der Elbe hindurchfahren.