Harburg. Große Feiern sind verboten und die Zeremonie ist anders als vorher erträumt – doch Harburgs Standesamt ist lange Zeit ausgebucht.

Das große Trauzimmer im Harburger Rathaus macht wirklich etwas her: Parkettfußboden, dezente Wandfarbe, antike Stühle mit schickem Bezug, eine Vitrine mit dekorativem Porzellan, runde Holzrahmen mit historischen Hochzeitsbildern; der zentrale Tisch ist auf Hochglanz poliert, darauf stehen zwei Blumenschalen und in der Plexiglasscheibe dazwischen spiegelt sich das bunte Treiben auf dem Rathausplatz. Ja, in der Plexiglasscheibe. Die Corona-Vorsichtsmaßnahmen fordern leider auch am schönsten Tag des Lebens ihren Tribut.

Nur drei Menschen dürfen in das Trauzimmer

Und dieser Tribut hört bei der Plexiglasscheibe nicht auf: Die meisten der etwa zwei Dutzend Stühle bleiben in diesen Tagen leer. Nur drei Menschen dürfen das Trauzimmer betreten und nehmen auf den schönen Stühlen Platz: Das Hochzeitspaar und der Standesbeamte. Nicht einmal Trauzeugen sind zugelassen. Weil die Unterschrift von Zeugen auf der Heiratsurkunde schon lange nicht mehr vorgeschrieben ist, sind sie entbehrlich und bleiben im Zuge des Infektionsschutzes außen vor.

Ein Paar zu werden ist in Zeiten des Virus eine einsame Angelegenheit, denn auch nach der einsamen Amtshandlung sind große Zusammenkünfte tabu. Das gilt sogar für Feierlichkeiten in den eigenen vier Wänden und im engsten Familienrahmen.

Nottrauungen wurden bislang nicht beantragt

Die Zahl der Eheschließungen hat Corona nicht beeinflusst. Eher im Gegenteil: „Vor Corona hatten wir zwei Absagen pro Woche, in den letzten sechs Wochen jeweils nur eine. Unsere Trauzimmer sind bis September ausgebucht“, sagt Bezirksamts-Pressesprecher Dennis Imhäuser, „und auch danach kann man Termine bekommen. Wir führen theoretisch auch noch Nottraungen durch, aber das wurde in den Wochen der Allgemeinverfügung noch nicht abgerufen.“

Viele der Brautpaare, die derzeit freitags vor dem Standesamt Schlange stehen, sind deshalb ohnehin nur zu zweit gekommen, gehen zwar feierlich, aber mit ernstem Gesicht hinein und fast genauso wieder heraus. Der einzige Unterschied: Glänzende Ringe an den Fingern und ein großes, weißes Kuvert in der Hand, meist des Bräutigams. Darauf: Das Siegel der Freien und Hansestadt Hamburg. Darin: Die Heiratsurkunde.

Freunde und Familie machen einen Spaziergang auf dem Rathausplatz

Einige Hochzeiten bilden da eine Ausnahme. Auch sie unterliegen den Beschränkungen, aber Freunde und Verwandte wollen es sich nicht nehmen lassen, das Brautpaar trotzdem zu feiern und unternehmen rein wie zufällig genau zum Trauungszeitpunkt einen Spaziergang vor das Standesamt – selbstverständlich unter Wahrung aller Abstandsregeln.

Der FC-St-Pauli-Fanclub „Abstiegskampf“ ist beispielsweise mit einer kleinen Abordnung auf dem Rathausplatz erschienen, während im Rathaus Patrick und Katharina das Ehepaar Gerber werden. Die Vereinsfahne ist dabei ganz praktisch: Genau zwei Meter lang markiert sie den Sicherheitsabstand zwischen ihren Trägern. Es sind Freunde des Bräutigams. Ihr Sprecher heißt ebenfalls Patrick. „Eigentlich war geplant. dass der ganze Club kommt“, sagt er. „Wir hätten hier einen Tapeziertisch aufgebaut, mit Sekt und Saft und einer kleinen Zapfanlage. Aber das verbietet sich ja gerade, obwohl das Wetter geradezu ideal zur Aktion gepasst hätte. Nur gratulieren wollten wir natürlich trotzdem!“

Im November soll die Feier nachgeholt werden

Auch Bräutigam Patrick und seine Katharina hätten das gute Wetter gern genutzt: „Wir haben die große Feier jetzt in den November verlegt und hoffen, dass das Wetter dann nicht allzu grau ist“, sagt Katharina.

Die Corona-Krise begann schon früh, die Hochzeit der beiden zu beeinträchtigen. Die Allgemeinverfügung platzte mitten in die Vorbereitungen. „Plötzlich hatte das Geschäft, in dem ich meinen Hochzeitsanzug bestellt hatte, zu“, sagt Patrick. „Jetzt hat es zwar wieder auf, aber der Anzug ist immer noch nicht fertig!“

Hochzeit im Businessanzug

Geheiratet hat er nun in einem Business-Anzug, wie er ihn auch trägt, wenn er in seinem Beruf als Bankkaufmann Kunden berät. Als Banker kennt er auch das Gespräch durch die Scheibe. „Etwas befremdlich war es aber trotzdem“, sagt er, „und bestimmt nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten.“

„Irgendwie war das aber auch ein sehr intimer Moment, nur mit Patrick und dem Standesbeamten in dem Raum zu sein“, sagt Katharina. Dass nach der Zeremonie die Kugelschreiber und der Schreibtisch desinfiziert wurden, hat sie wahrscheinlich nicht mitbekommen.

Trauung mit Schutzmaske – das geht auch

„Das geschieht nach jeder Trauung“, sagt Dennis Imhäuser. „Eine Maskenpflicht gibt es hingegen noch nicht. Allerdings erheben wir auch keine Einwände, wenn die Brautleute eine Schutzmaske tragen wollen.“

Außer den Brautleuten gehen auch die Eltern von Braut und Bräutigam vor dem Rathaus spazieren. Patricks Mutter Silke ist traurig: „Wenn das einzige Kind heiratet und man nicht dabei sein darf, ist einem schon zum Heulen zumute“, sagt sie.

Patrick und Katharina hoffen, dass die geplante Feier im November nicht nur stattfinden kann, sondern auch alle, die jetzt nicht mitfeiern konnten, entschädigt. „Wir haben etwa 70 Leute eingeladen“, sagt Katharina, „und wir werden uns vor diesen 70 Leuten noch einmal das Ja-Wort geben. Das wird eine Feierliche Zeremonie und war auch schon jetzt so geplant. Eine Festrednerin wird uns dann sehr feierlich verheiraten. Auch Patricks Hochzeitsanzug und mein Hochzeitskleid kommen dann noch zum Einsatz.“