Harburg . Nach der Coronakrise wird die Wirtschaft nicht mehr so sein wie zuvor, sagt der Harburger Unternehmer Ingo Mönke
Nach der Coronakrise wird die Wirtschaft nicht mehr so sein wie zuvor, sagt der Harburger Unternehmer Ingo Mönke, der mit seinen Brüdern Heiko und Guido den Paletten-Service Hamburg (PSH) betreibt. Das betreffe vor allem die Digitalisierung: „Wir haben 80 Prozent unserer Mitarbeiter im Homeoffice, konferieren mit ihnen, mit Kunden oder Dienstleistern per Video, und statt Tischvorlagen blenden wir Texte in die Bildschirme ein.“ Durch die Pandemie lernen die Unternehmen jetzt gezwungenermaßen in Windeseile, Arbeitsvorgänge zu digitalisieren. Und das sei gut so, sagt Mönke.
Er müsse nicht mehr Reisen, könne effizienter arbeiten, stellt der Harburger Unternehmer mit Firmensitz im Binnenhafen fest. Soviel zur positiven Seite der Medaille. Es gibt – natürlich - auch eine negative. Auf den ersten Blick sind die Probleme kaum zu erkennen. „Wir sind voll ausgelastet“, sagt Mönke. Sein Unternehmen gehört zu den vier größten Anbietern von Europaletten. Sie werden in zwei eigenen Werken in Deutschland und zwei in Polen produziert und hauptsächlich in Deutschland ausgeliefert.
40 Depots im Bundesgebiet und darüber hinaus
Dazu unterhält das seit 1976 an der Blohmstraße ansässige Unternehmen 40 Depots im Bundesgebiet und darüber hinaus. Und hat 20 eigene Lkw in Fahrt. Mönke: „Wir beziehen unsere Rohware aus der Region, fahren zum Beispiel täglich Paletten aus unserem Werk in Wismar in die Metropolregion Hamburg und laden dann bei zwei Lieferanten in Uelzen zum einen die Bretter, zum anderen die Klötze, die wir zur Paletten-Fertigung brauchen.“
Diese regionale Versorgungsstruktur sei jetzt ein großer Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die Holz aus Weißrussland oder der Ukraine beziehen, betont Mönke. Ein weiterer Vorteil seien die fast ausschließlich festangestellten Mitarbeiter. PSH beschäftige im Gegensatz zur Konkurrenz kaum Leiharbeiter aus Osteuropa. „Die Leiharbeiter fahren einfach in ihre Heimat zurück, wenn Kurzarbeit droht“, so Mönke. Offenbar seien bei anderen Unternehmen Lieferengpässe entstanden. Deren Kunden kommen nun zu PSH.
Allerdings hat auch Mönke ein Problem: Der Krankenstand liegt bei 20 Prozent. „So etwas kann man nicht einplanen, wir müssen dauernd Löcher stopfen.“ Und: Auch Mönke weiß nicht, was in der nächsten Woche sein wird. Sollten in Hamburg – wie in Niedersachsen bereits geschehen – die Bau- und Gartenmärkte schließen müssen, fallen starke Kunden weg. „Derzeit nutzen viele Leute die Zeit zuhause für Renovierungen“, sagt der umtriebige Unternehmer. „Laminate und Farben verkaufen sich extrem gut. Auch der Lebensmittelhandel braucht zusätzliche Paletten.“
Kurzarbeit beantragt
Mönke hofft, dass die Corona-bedingten Restriktionen nicht weiter verschärft werden. Vorsichtshalber hat er aber Kurzarbeit beantragt, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten, falls die Umsätze einbrechen. Ein weiteres Problem sind die Finanzen. „Wir bekommen für geplante Investitionen keine Kredite, obwohl diese längst ausgehandelt sind und kurz vor dem Abschluss stehen. Die Banken sagen uns, dass sie aufgrund der Finanzhilfen des Bundes für den Mittelstand überlastet sind.
Denn die zugesagten Bürgschaften übernimmt die Kreditanstalt für Wiederaufbau nur zu 90 Prozent. Die fehlenden zehn Prozent bleiben Risiko der Bank. Die muss jede Kreditanfrage so sorgfältig prüfen, als gäbe es die Bürgschaft des Bundes nicht.“ Auf dieses Problem weisen auch Franziska Wedemann und Arnold G. von Mergell, Vorsitzende des Harburger Wirtschaftsvereins, hin. Sie appellierten an Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Finanzminister Olaf Scholz, dem Mittelstand ähnlich gute Liquiditätshilfen zu bieten wie Großkonzernen und Kleinstunternehmen.
„Diese erhalten Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen“, sagt Wedemann. „Dagegen sind für den Mittelstand nur Kredite vorgesehen, die getilgt werden müssen. Das bedeutet eine hohe Belastung für die Zeit nach Corona.“ Mergell verweist zudem auf die „regulatorischen Hemmnisse“ bei der Auszahlung der beantragten Kredite. Durch die langwierige Prüfung werde die Liquiditätshilfe für viele Unternehmen zu spät kommen, fürchtet er. Wedemann und Mergell fordern von den Ministern, ihren Rettungsschirm für den Mittelstand nachzubessern. Etwa mit einem Teilerlass der Kreditschulden, so dass sie zum Beispiel nur zu 60 Prozent zurückgezahlt werden müssen.
„So kriegt man auch die gesunden Unternehmen kaputt“
Franziska Wedemann betreibt in vierter Generation die Bäckerei Wedemann (100 Mitarbeiter), Arnold G. Mergell in vierter Generation das Chemieunternehmen Hobum Oleochemicals (52 Mitarbeiter). Beide Harburger Unternehmen zählen zum Mittelstand, ebenso wie der Paletten-Service Hamburg. Für letzteren wenden sich die Liquiditätshilfen gerade ins Gegenteil. Mönke: „Wir brauchen die längst vereinbarten Darlehen für die Entwicklung unseres Betriebs. Doch derzeit bekommen gesunde Unternehmen kein Geld, weil kranke Unternehmen Vorrang haben.
So kriegt man auch die gesunden Unternehmen kaputt.“ Eine große Investition jenseits ihres Unternehmens wollen die Mönke-Brüder aber auf jeden Fall und möglichst ohne Verzögerungen durchziehen: Sie planen auf ihrem Betriebsgelände an der Blohmstraße das Projekt „Aqua2Dock“. Auf dem Grundstück mit dem PSH-Verwaltungsgebäude sollen ein fünfgeschossiger Bürokomplex und ein Hotel mit gut 140 Zimmern und 20 Apartments gebaut werden.
Die Baufläche ist von zwei Kanälen gesäumt, vom Lotse- und vom Ziegelwiesenkanal, daher der Projektname. Noch stehen auf den beiden Bauplätzen alte Backstein-Hallen. „In zehn Tagen werden wir mit dem Abriss der beiden Lagerhallen beginnen“, kündigt Mönke an; der Bauantrag werde wie vorgesehen bis Ende Juni eingereicht. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein. „Das Leben geht weiter, trotz Corona“, sagt Mönke.