Kreis Harburg. Hilfsbedürftige sollen mit Freikarten ausgestattet und begleitet von Ehrenamtlern einen Abend lang Kunst und Kultur genießen
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ein Satz, den die Bibel Jesus nach 40 Tagen und Nächten des Fastens in der Wüste zuschreibt. Seine Bedeutung passt für ein neues Kultur-Angebot im Landkreis Harburg. Die Kulturtafel soll am 9. März mit einer Auftaktveranstaltung in der Reso-Fabrik in Winsen starten.
Das Ziel: Finanziell hilfsbedürftige Menschen sollen mit Freikarten ausgestattet und begleitet von Mitarbeitern von Hilfseinrichtungen und Ehrenamtlern einen Abend lang Kunst und Kultur genießen können. Die Initiatoren sind der Kulturlandkreis Harburg, die Reso-Fabrik und die Stadt Winsen.
Ausgangspunkt war vor einem Jahr eine Beobachtung des Sozialpädagogen Sven Dunker, der vor seinem Büro zwei Mal pro Woche die Ausgabe von Lebensmitteln der Winsener Tafel beobachtete. Das Verteilen von Nahrungsmitteln ist eine Sache, eine Tafel für Kultur fehlte im Landkreis aber bislang.
Offene Türen eingerannt
„Für mich gehören Theater, Film und Musik insgesamt zur gesellschaftlichen Teilhabe“, sagt Dunker, der für die Reso-Fabrik arbeitet. Mit seiner Idee lief der Sozialpädagoge bei der Stadt Winsen, dem Standort der Fabrik sowie bei Marie-Nathalie Schrötke, der Projektleiterin Kulturlandkreis Harburg, offene Türen ein.
Das Vorgehen orientiert sich an ersten Beispielen von Kommunen in Niedersachsen und dem Kulturschlüssel in Hamburg (siehe Infokasten). Drei Gruppen von Menschen sollen dabei zusammen kommen.
Die erste Gruppe sind die Kulturspender, also regionale Gruppen und Künstler, die Freikarten für ihre Abende bereit stellen. Damit soll ein abwechslungsreiches Angebot aus verschiedenen Genres entstehen. Die Kulturbegleiter sollen als zweite Gruppe vor allem Mitarbeiter von Hilfseinrichtungen oder ambulanten Diensten sein. Sie suchen interessierte Menschen aus, die sonst nicht bei solchen Angeboten dabei sein können, buchen die Karten und sind an der Seite der Kulturgenießer, der dritten Gruppe.
40 interessierte Spender
Für das Projekt hatten sich Mitte Januar erstmals 40 interessierte Spender und Begleiter in der Reso-Fabrik getroffen. „30 von ihnen wollen in jeden Fall mitmachen“, sagt Schrötke. Zudem ist bereits klar: Geschäftsführer und leitende Angestellte der Einrichtungen hätten sich der Idee gegenüber aufgeschlossen gezeigt und wären durchaus bereit, die Besuche in den Dienst ihrer Mitarbeiter mit einzubeziehen.
Formal wird das Angebot künftig über eine eigene Internetseite präsentiert. Jeder Kulturspender hat einen Zugang und kann dort Freikarten für einen Termin einstellen. Das Gleiche gilt für die Begleiter, die sich dann orientieren können, welcher Termin für sie und die Menschen passt, die sie begleiten wollen. Auch die Kulturgenießer können sich online informieren und sich Tickets über soziale Einrichtungen reservieren.
Vor Beginn der Veranstaltung können die Karten vor Ort abgeholt werden. Bei Bedarf soll ein Codewort die Persönlichkeit der Genießer schützen. Auf der Homepage der Kulturtafel kann über die Freikarten hinaus auch über ohnehin kostenlose Feste oder Tage der Offenen Tür informiert werden. „Es geht uns bei der Tafel auch darum, etwaige Hemmschwellen vor einem Besuch von Konzerten oder Theatern abzusenken“, sagt Dunker.
Angebote im Landkreis Harburg
Die Kulturtafel wird sich vorerst auf Angebote aus dem Landkreis Harburg beschränken. Die Internetplattform wird dabei ähnlich wie die der Uelzener Kulturtafel aussehen (www.kulturtafel-uelzen.de). Dort läuft die Aktion bereits seit vier Jahren. Das Erstellen der Seite im Netz hat die Stadt Winsen mit 990 Euro und der Landkreis mit 200 Euro gefördert. Im Juli soll zum ersten Mal Bilanz über das Angebot und den Bedarf der Menschen gezogen werden.
Geplant ist, dass künftig niemand im Kreis mehr allein wegen der Kosten oder fehlender Mobilität auf einen unterhaltsamen Abend verzichten muss. Denn: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.