Winsen. Wie schon in den vergangenen Jahren sind die Störche sehr früh aus dem Süden zurückgekommen.

Die ersten Weißstörche sind aus ihrem Winterquartier in Südspanien zurückgekehrt. Ein Storch hat ein Nest in Laßrönne bezogen, ein anderer hat sich in Stöckte an der Ilmenau niedergelassen. Der dritte Vogel wählte sein Nest in Tönnhausen. Wie schon in den vergangenen Jahren sind die Störche sehr früh aus dem Süden zurückgekommen. Der Grund dafür liegt in einem veränderten Zugverhalten der Tiere, erklärt Tom Sauerland, Storchenbetreuer beim Landkreis Harburg.

Die Weißstörche der so genannten Westroute, die eigentlich über Spanien nach Nordwestafrika führt, bleiben seit einigen Jahren in Südspanien. Dort finden sie auf offenen Mülldeponien ausreichend Nahrung, um den Winter zu überstehen. Durch die kürzere Distanz kehren die Tiere früher aus dem Winterquartier zurück und müssen zugleich weniger Kraft aufwenden. Doch die Mülldeponien in Spanien haben auch ihre Tücken für die Weißstörche: Viele Tiere verletzen sich oder verfangen sich im Plastikmüll auf der Suche nach Ratten und anderer Nahrung.

Deutliche Verlagerung zugunsten der Westroute

Dennoch haben die Vögel der Westroute durch die kürzere Distanz einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Weißstörchen, die über die längere Ostroute über die Türkei in ihr Winterquartier in Südafrika fliegen. Diese Vögel kommen üblicherweise gut einen Monat später im Landkreis an. Tom Sauerland beobachtet eine deutliche Verlagerung zugunsten der Westroute: „Die Weststörche werden mehr“, sagt er.

Dabei kommt es immer wieder zu erbitterten Revierkämpfen, wenn die Frührückkehrer der Westroute Nester besetzen, die zuvor von Störchen belegt waren, die über die Ostroute fliegen. Dabei finden die Vögel im Landkreis etwa 90 Nisthilfen und Nester vor. Eigentlich ausreichend, damit alle Störche ein Zuhause finden. Nest ist allerdings nicht gleich Nest.

„Nicht jeder Nistplatz ist interessant für die Störche“, sagt Tom Sauerland. Insbesondere der Zugang zu Futterquellen unterscheidet sich bei den größtenteils von Privatpersonen eingerichteten Nisthilfen erheblich. Und so verteidigen die Vögel ihr Gebiet erbittert. Dabei sind Weißstörche eigentlich Koloniebrüter, also auf eng beieinander liegende Nester eingestellt. Solche Nähe akzeptierten sie aber nur, wenn es absolut notwendig sei, sagt Tom Sauerland.

Rekordanzahl: 46 Paare und 80 geschlüpfte Jungstörche

Trotz dieser Auseinandersetzungen geht es den Störchen im Landkreis generell gut. Im vergangenen Jahr registrierte Tom Sauerland die Rekordanzahl von 46 Paaren und 80 geschlüpften Jungstörchen. Für Prognosen zu der Entwicklung der Population in diesem Jahr ist es noch zu früh. Zuerst müssen alle Tiere aus dem Winterquartier zurückkehren. Das kann bei den Störchen der Ostroute bis Mitte April dauern. Mit den ersten Jungstörchen ist dann ab Anfang Mai zu rechnen. Auch die schon eingetroffenen Vögel werden noch einige Zeit kinderlos bleiben.

„Zuerst müssen die Paare zusammenkommen“, sagt Tom Sauerland. Danach dauere es mindestens zehn bis vierzehn Tage, bis das Weibchen zwischen drei und sieben Eier ins Nest lege. Nach gut einem Monat Brutzeit schlüpfen dann die Jungstörche. Danach werden sie von ihren Eltern zwei Monate lang im Nest aufgepäppelt, bevorzugt mit Würmern, Maden und Insekten.

Nach zwei Monaten verlassen die Jungstörche dann zum ersten Mal das Nest; allerdings nicht ganz freiwillig. Um den Nachwuchs zur eigenen Futtersuche zu animieren, hungern die Eltern sie systematisch aus. Irgendwann siegt dann der Hunger über Bequemlichkeit und Angst – und die Jungtiere verlassen zum ersten Mal das Nest.

Ob sie bis zum Spätsommer kräftig genug für die weite Reise in den Süden werden, hängt maßgeblich vom Wetter ab. Die Weißstörche benötigen idealerweise einen trockenen Sommer, um ausreichend Nahrung zu finden. Wenn die knapp wird, helfen die Eltern recht rustikal nach: Sie werfen die schwächsten Jungtiere frühzeitig aus dem Nest.