Rosengarten/Lüneburg. Platt-Koordinatorin Rike Henties und Lehrer Heiko Frese arbeiten daran, dass ihre Lieblingssprache wieder einen Platz im Alltag findet.
In ihrer Kindheit war Plattdeutsch ihre „Familiensprache“, ganz selbstverständlich und alltäglich, aber auf das Miteinander unter Eltern, Großeltern und Geschwistern begrenzt. „Mit Freunden habe ich das nie gesprochen“, erinnert sich Rike Henties. „Wie doof eigentlich.“ Seit April ist sie Plattdeutsch-Koordinatorin für den Landkreis Harburg – die Stelle wird vom Kreis und vom Förderverein des Freilichtmuseums am Kiekeberg finanziert – und will ihre Muttersprache wieder unter die Menschen bringen.
Sie hat sich ein enges Netzwerk in der Region aufgebaut, um gemeinsam mit den vielen anderen Menschen und Vereinen, die sich für das Plattdeutsche begeistern, die Sprache bekannter zu machen. Einer dieser engagierten Plattschnacker ist Heiko Frese. Der Lüneburger Lehrer und früherer Berater für Niederdeutsch an der Landesschulbehörde ist Schatzmeister beim Verein Platt und Friesisch in der Schule. Dieser stellt kostenlos Unterrichtsmaterial bereit und hat eine preisgekrönte Synchronfassung des Kinderfilms „Ritter Trenk“ verfasst.
„Diese Sprache bringt Menschen zusammen“
Im Gespräch in einem Lüneburger Bistro wird schnell klar: Hier geht es wirklich um eine sehr lebendige Sprache. Die beiden verfallen immer wieder ins Plattdeutsche, lachen viel und haben sichtbar Spaß daran, sich auf diese Weise auszudrücken. „Diese Sprache bringt Menschen zusammen“, sagt Rike Henties. „Wer sie spricht, kann diese Herzlichkeit weitergeben. Das gehört einfach zu den Norddeutschen dazu.“
Dennoch hätten auch im Norden viele Menschen keinen Zugang mehr zum Plattdeutschen, bedauert Heiko Frese. Deshalb setzt er sich dafür ein, die vorhandenen Barrieren abzubauen. Jedes Jahr unterstützt der Verein die Aktion „Freedag is Plattdag“: Wer die Sprache auch nur ein bisschen beherrscht, wird ermutigt, sie an den Freitagen im September im Alltag einzusetzen.
„Ich schnacke beim Einkaufen die Leute einfach so an“
Dieser Alltagsbezug sei wichtig für den Erhalt der Sprache, sagt Heiko Frese. „Deshalb schnacke ich auch mal beim Einkaufen die Leute einfach so an.“ Mit seinen drei Kindern spricht er sowieso Platt, obwohl es nicht seine Muttersprache ist. „Deshalb hatte ich anfangs Bedenken, aber es ist voll super“, sagt der 45-Jährige, dessen Frau einen Onlineshop für plattdeutsche Bücher betreibt. Zwar hörte er die Sprache als Kind oft bei seinen Großeltern, doch erst als Jugendlicher fing er bei einem Bauernhof-Praktikum selbst damit an. Es sei wichtig, dass man sich darauf einlasse.
Auch Rike Henties spricht mit ihrem zweijährigen Sohn immer Platt, und der probiert das auch schon mit seiner dreijährigen Cousine aus. Einfach anfangen – das ist ihr Rat an jeden, der sich scheut, die Sprache (wieder) zu sprechen. „Wie in jeder Sprache steckt im Plattdeutschen ein unglaublicher Reichtum. Nur durchs Sprechen entwickelt es all seine faszinierenden Facetten.“
„Platt finnt statt“-Kalender neu aufgelegt
Die Koordinatorin hat viele Ideen erarbeitet, wie sie das Plattdeutsche in der Region stärken kann. Sie hat den „Platt finnt statt“-Kalender von ihrem ehrenamtlichen Vorgänger neu aufgelegt, darin sind mehr als 60 Termine von verschiedenen Vereinen und Initiativen im Landkreis Harburg aufgeführt, darunter auch viele Theateraufführungen. Sie hat eine dazu passende Homepage erstellen lassen und eine Bücherkiste zusammengestellt, die von Kitas ausgeliehen werden kann. „Plattdeutsch ist eine Sprechsprache“, sagt Rike Henties. „Aber sie muss auch gesehen werden.“
Für dieses Jahr ist ein neues Format geplant: Workshops, die den Do-it-yourself-Trend mit der plattdeutschen Sprache verbinden. Nähen, kunstvolles Handlettering, Porzellan bemalen, Makramee knüpfen – für solchen Sachen begeisterte sich viele junge Menschen, sagt sie. „Wir wollen in den Kursen was mit der Hand machen und dabei Platt schnacken. Denn was gibt es Besseres, als ein altes Handwerk mit dieser Sprache modern zusammenzubringen?“ Es ist eine neue Version der „Krings“, Klönschnack-Gruppen, die es in vielen niedersächsischen Orten gibt.
Angebot soll besonders die jungen Menschen ansprechen
Das Angebot Menschen jeden Alters gedacht, soll aber insbesondere Jüngere ansprechen, die für VHS-Kurse keine Zeit haben. Auch auf Instagram und bald auf Facebook ist Rike Henties aktiv – und sie denkt über Online-Kurse und einen YouTube-Kanal nach. „Wat’n Schiet“, bekomme sie dazu zwar manchmal zu hören. Aber über solche Kanäle seien junge Menschen gut zu erreichen.
Wie Kinder für Platt zu begeistern sind, zeigt „Ritter Trenk op Platt“: Mit viel Aufwand und unterstützt durch die Landesschulbehörde ließ der Verein Platt und Friesisch in der Schule den Film nach dem Buch von Kirsten Boie synchronisieren, unter anderem mit Schauspieler Axel Prahl. Dafür gab es 2019 den Lüttjepüttpreis der Niedersächsischen Sparkassenstiftung.
An diesen Erfolg will der Verein anknüpfen, damit künftig noch mehr Lehrer die Sprache in den Unterricht tragen. „Wir denken über einen weiteres Filmprojekt nach“, sagt Heiko Frese. Denkbar seien mehrere Folgen von „Pettersson und Findus“. Diese sind deutlich kürzer als ein Film und können daher noch besser im Unterricht eingesetzt werden.
Die Workshops
„Platt finnt statt“ ist ein Veranstaltungskalender für den Landkreis Harburg. Er ist online auf www.plattfinntstatt.de zu finden.
Beim Workshop am 25. Januar im Freilichtmuseum am Kiekeberg werden Seifen selber gemacht. Am 7. März folgt „Schön schrieven“ in Salzhausen. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung unter Telefon 040/79 01 76 54 oder E-Mail henties@kiekeberg-museum.de.
Material für den Unterricht in der Schule gibt es kostenlos auf der Seite www.schoolmester.de. Dort kann auch die „Ritter Trenk op Platt“-DVD bestellt werden.