Landkreis Harburg. Landwirte rechnen mit Einbußen auf Grünflächen und hohen zusätzlichen Kosten. Ein kalter Winter mit viel Regen könnte die Wende bringen.
Zwei trockene Jahre, kaum Frost und unbehelligte Nager unter dem wenigen Schnee: Jetzt spüren die Landwirte im Landkreis Harburg die Folgen. Es herrscht eine Mäuseplage. „Über die beiden Winter konnten sich die Populationen gut halten und sind während der Vegetationsphasen üppig gewachsen“, fasst Ulrich Peper, der Leiter der Dienststelle der Landwirtschaftskammer in Buchholz, die missliche Lage zusammen.
Die Folgen für die Landwirtschaft sind umfangreich. Denn die Mäuse siedeln sich vor allem auf und unter Böden von Grünflächen an, die nicht jährlich bearbeitet oder umgepflügt werden. Dort finden sie schon deshalb gute Lebensbedingungen, weil die Landwirte bis zu fünf Mal pro Saison mähen und das Gras immer wieder rasch hochwächst. „Die Mäuse fressen die Wurzeln und hinterlassen kahle Stellen auf den Wiesen, auf denen dann Ampfer oder Löwenzahn wachsen, die das Gras verdrängen“, sagt Peper. Die Folge: Den Betrieben fehlt es an Heu und Silage für ihre Rinder, Milchkühe und Pferde.
Besonders betroffen von der Entwicklung sind vor allem die 150 Landwirte, die Rinder und Kühe halten. Allein 13.000 Milchkühe stehen im Landkreis. Dazu kommen 10.000 Pferde, die ebenfalls im Winter mit Heu versorgt werden. So kommt Peper auf mindestens die Hälfte der 800 Höfe im Kreis – davon 400 im Haupterwerb –, die sich nun mit den Folgen der Plage auseinander setzen müssen. Grundsätzlich gilt: Eng wird es ab fünf Löchern pro Quadratmeter.
Boden wird gewalzt, um ihn widerstandsfähig zu machen
Gegengesteuert wird mit Nachsäen: Allerdings in einem viel größeren Umfang als bislang notwendig gewesen wäre. „Wir gehen davon aus, dass dies inzwischen auf allen Grünflächen im Landkreis geschieht. Sonst war das jährlich nur bei zehn bis 30 Prozent notwendig“, sagt der Buchholzer Experte, der Agrarwissenschaften in Kiel studiert hat.
Reicht einfaches Nachsäen nicht aus, wird der Boden gewalzt und maschinell gestriegelt, um so das Gras widerstandsfähiger zu machen. Wenn auch das Einschlitzen des Bodens nichts mehr nützt, beginnen die Landwirte ihn aufzubrechen. Es wird wie auf den Getreideäckern gepflügt und neu bearbeitet. Das jedoch wird teuer.
Denn allein das Saatgut schlägt mit 60 bis 80 Euro pro Hektar (10.000 Quadratmeter) zu Buch. Rechnet man die Arbeit für die Pflege dazu, sind die 100 Euro schnell überschritten. Wird neu gesät sind einschließlich Fräsen und Pflügen nach Berechnungen der Kammer rasch bis zu 300 Euro pro Hektar notwendig. Fachleute gehen davon aus, dass pro Maus ein Schaden von drei Euro entstehen kann, wenn aus dem Gras Silage für das Milchvieh gewonnen werden soll.
Gift wird nur in Ausnahmefällen ausgebracht
Kühen und Rindern drohen zudem gesundheitliche Gefahren, wenn tote Mäuse über die Mähwerke ins Futter gelangen. „Das kann zu schwere Krankheiten bei den Tieren führen, an denen sie letztlich sogar sterben können“, erklärt Peper weiter. Gift gegen die Mäuse einzusetzen ist dabei allenfalls in Ausnahmefällen möglich. Zwar muss dessen Verwendung nicht angemeldet werden. Aber bei den regelmäßigen Kontrollen des Pflanzenschutzamtes der Landwirtschaftskammer in Hannover muss der Landwirt nachweisen, wann und aus welchem Grund er die zugelassenen Mittel verteilt hat. Für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss sich der jeweilige Hofbetreiber zudem zuvor in jedem Fall sachkundig machen.
Auch die Option mit Gift ist dabei nicht billig. Für 1000 Quadratmeter fallen 35 Euro an. Die Körner dürfen dabei nur direkt in die Mäuselöcher gestreut werden. Das arbeitsintensive Verfahren eignet sich daher allenfalls für kleine Flächen und nicht für Wiesen, die gleich mehrere Hektar groß sind.
Der Mäusealarm gilt dabei auch für die Wälder. Denn die Mäuse laben sich gern an den Wurzeln junger Bäume, mit denen kahle Flächen in den Wäldern aufgeforstet werden. Das hat jedenfalls die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt in Göttingen beobachtet, die für die Länder Sachsen-Anhalt, Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen zuständig ist. „Wir gehen aber davon aus, dass die Plage auch bundesweit auftritt“, sagt Pavel Plasil, ein promovierter Forstwissenschaftler von der Versuchsanstalt.
Mäusepopulation steht unter Beobachtung
Jedes Jahr zwischen September und Oktober beobachten Plasil und seine Kollgen die Mäusepopulationen. „Die Zahlen sind in diesem Jahr noch wesentlich höher als im Jahr 2015, als wir den höchsten Wert der vergangenen 20 Jahre festgestellt haben“, sagt Plasil, der als Sachgebietsleiter für Schmetterlinge und Mäuse in der Abteilung Waldschutz arbeitet. Die Göttinger haben die Lage bereits in einem der Fachblätter beschrieben und die Informationen an die Forstbetriebe weitergereicht: „Als Warnung.“
Für die Zukunft, so ist man bei der Kammer in Buchholz überzeugt, könnte vor allem viel Regen die Situation verbessern. „Wenn die Böden sich mit Wasser sättigen, können Mäuse dort nicht leben“, weiß Dienststellenleiter Peper. Auch ein kalter Winter würde die Populationen schrumpfen lassen. „Dafür sind aber Fröste mit Temperaturen im zweistelligen Bereich notwendig und möglichst kein Schnee.“
Kreisjägermeister Norbert Leben hat mit seinen Kollegen bereits eine weitere Maßnahme eingeleitet. „Wir haben den Abschuss von Füchsen deutlich reduziert“, versichert Leben. Die Räuber sollen sich nun an den Mäusen schadlos halten und dafür sorgen, dass ihre Zunahme gebremst wird. Immerhin sind sie nicht allein: Bussarde, Milane, Eulen und Störche gehören ebenfalls zu den Profiteuren und nehmen jetzt die Jagd auf.
Feldmäuse vermehren sich rasch
Die Feldmaus frisst Gras, Kräuter, Sämereien und Getreide. Die Eingänge ihrer Baue sind über ein verzweigtes System oberirdischer und zum Teil viele Meter langer Laufgänge miteinander verbunden.
In hohem Schnee werden diese Laufgänge nach oben mit Erde ausgekleidet. Eine Phase der Aktivität dauert stets ungefähr drei bis vier Stunden, worauf dann eine ebenso lange Ruhephase folgt.
Der Bestand der Feldmäuse schwankt zyklisch stark. Bei einem guten Nahrungsangebot und günstiger Witterung vermehren sie sich schnell.
Zu einem Wurf können nach einer Tragzeit von 21 Tagen bis zu 13 Junge gehören. Die Reproduktion setzt sich auch im Winter fort. Mehrere Weibchen eines Wurfes können Nestgemeinschaften bilden, in denen sie auch fremden Nachwuchs säugen.