Hamburg. Der Initiative „LiFa“ schwebt die Rettung der alten Hilke-Likörfabrik mit einer Mischung aus Kultur und Wohnen vor.

Können sie die alte Likörfabrik retten? Eine Gruppe junger Hamburger hat ein Konzept entwickelt, wie die denkmalgeschützten Hilke-Häuser am Karnapp im Harburger Binnenhafen saniert und genutzt werden können. Jetzt werben sie um Unterstützung dafür, politisch und finanziell. Rein idealistisch ist das Engagement der Initiative „LiFa“ für das Gebäudeensemble nicht, das geben ihre Mitglieder auch zu: In der von ihnen vorgesehenen Mischnutzung der Häuser als Industriedenkmal, Museum, Kulturraum und Wohnprojekt wollen sie die Bewohner sein.

„So sind wir überhaupt auf die Likörfabrik gekommen“, sagt Katharina Klemmz, während sie mit einem Teil der Initiative ein paar Häuser von der Fabrik entfernt im „Grauen Esel“ das Vorhaben erläutert. „Wir waren eigentlich nur auf der Suche nach geeigneten Häusern für ein Wohnprojekt, als uns die Hilke-Häuser in einem Online-Immobilienportal auffielen. Als wir dann feststellten, dass sie gar nicht wirklich zu verkaufen sind, war unser Interesse schon dermaßen geweckt, dass wir begonnen hatten, uns ernsthaft mit den Hilke-Häusern zu beschäftigen. Dabei haben wir uns in die Häuser verliebt.“

Portion Realismus beim Traum vom Wohnprojekt

Die Mitglieder der Lifa-Initiative kennen sich aus dem gemeinsamen Ehrenamt. Sie alle sind gewerkschaftlich engagiert und leiten Fortbildungsseminare für die Gewerkschaftsjugend von IG Metall und ver.di sowie für betriebliche Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Nicht wenige von ihnen haben handwerklich-technische Berufe, andere kaufmännische, so dass dem Traum vom Wohnprojekt eine gewisse Portion Realismus zur Seite steht: „Die Häuser müssen jahrelang mit viel Arbeit und Geld saniert werden, bevor sie überhaupt für etwas genutzt werden können“, sagt LiFa-Mitglied Oliver Hagen. „Da könnten wir einige Arbeiten selbst erledigen, es bliebe aber immer noch eine Menge zu finanzieren.“

Hilkes Hinterhof wirkt wie ein verwunschener Garten.
Hilkes Hinterhof wirkt wie ein verwunschener Garten. © xl | Lars Hansen

Einen Teil will die LiFa-Initiative selbst beisteuern. Sie planen, eine Genossenschaft zu gründen, in die sie selbst einzahlen, und die sich andererseits selbst Geld leiht. Eigens für solche Konstruktionen gibt es das „Mietshäuser-Syndikat“, eine Art Genossenschaft von Genossenschaften. Wohnprojekte, die mit dem Abtrag ihrer Darlehen schon so weit sind, dass bei den Mieteinnahmen – umsonst wohnt auch in einem genossenschaftlichen Projekt niemand – etwas übrig bleibt, geben dieses Geld in einen Fonds, aus dem andere Projekte startfinanziert werden, die eines Tages selbst wieder mehr zahlen, als sie abtragen.

Das Syndikat fördert zurzeit 100 Projekte

Das klingt nach Schneeballsystem, hat im Unterschied dazu aber keinen Kopf, der am meisten schluckt und den Rest verhungern lässt. Der­zeit fördert das Syndikat rund 100 Projekte. „Das Schöne am Mietshäusersyndikat ist auch, dass dieses Darlehen bei anderen Finanziers als Eigenleistung anerkannt ist“, sagt Hagen. „Das Syndikat hat außerdem ein Netzwerk von Experten und Fachfirmen, die hinter der Idee von solidarischen Wohnprojekten stehen.“

Einen weiteren Teil, so denken es sich die Lifa-Leute, sollte die Stadt tragen. „Die denkmalgerechte Sanierung liegt im Interesse der Freien und Hansestadt Hamburg“, sagt Katharina Klemmz, „sie ist der größte Posten. Aber erst einmal müsste die Stadt das Gebäude kaufen und sichern, denn der Besitzer tut nichts für den Erhalt. Er hat auch kein Interesse daran. Die Zeit drängt!“

Initiative will die Gebäude komplett erhalten

Besitzer der Hilke-Häuser ist der Binnenhafen-Bauunternehmer Arne Weber. Er hat mit dem Grundstück, auf dem die Schnapsfabrik steht, profitable Pläne, denen das denkmalgeschützte Ensemble im Weg ist. Die Verkaufsanzeige von 2018 wurde schnell wieder zurückgezogen und war wohl nur als Denkanstoß dem Denkmalschutzamt gegenüber gedacht. Die Initiative will die Gebäude komplett erhalten „Das ist vielleicht nicht bei allen möglich“, sagt Oliver Hagen, aber diese Teile des Komplexes müsste man abtragen und originalgetreu wieder aufbauen.“

Für das Wohnprojekt sollen die Obergeschosse der Vorderhäuser hergerichtet werden. 20 Menschen sollen hier auf geschossweise WGs verteilt und doch als große Gemeinschaft leben. „In den Erdgeschossen und in den Produktionsgebäuden im Hof könnten kulturelle Nutzungen stattfinden“, sagt Katharina Klemmz. „Man könnte sie als Künstlerateliers oder als Veranstaltungsräume vermieten. Auch dadurch würden Einnahmen erzielt, die das Projekt finanzieren“

Museumsbrennerei wäre auch ein Ziel

„Andererseits wäre es auch toll, wenn man die Produktion hier wieder aufnehmen könnte, quasi als Museumsbrennerei“, sagt Oliver Hagen, „Immerhin wurden hier 150 Jahre lang Schnaps und Likör hergestellt.“

Mit der Forderung nach einem Kauf der Häuser durch die Stadt sind die Lifa-Leute übrigens nicht allein: Auch die Begleitgruppe Binnenhafen hat sich bereits dafür ausgesprochen – und zwar bevor die Lifa-Initiative sich dort überhaupt vorgestellt hatte. Ob sich Finanzsenator Dressel dadurch bewegen lässt? Fraglich, aber immerhin ist Wahlkampf.

Industriehistorie

Die ehemalige Hilke-Likörfabrik am Karnapp, Hausnummern 15 und 16, im Harburger Binnenhafen ist eines der ältesten erhaltenen Industriebauwerke Harburgs – und damit Hamburgs – denn die Industriegeschichte der Metropolregion begann hier. Die „Spirituosen- und Likörfabrik Peter Nicolaus Osterhoff“ begann bereits 1833 mit der Spirituosenproduktion.

Die prominenten Häuser am Karnapp sind jünger: Das Haus Nr. 15 wurde 1859 vom Fabrikerben Heinrich Osterhoff als Wohn- und Geschäftshaus errichtet, der die Firma 1893 in den Besitz von Louis Hilke übergehen ließ. Die Erweiterung Nr. 16 stammt aus dem Jahr 1899, also schon von Hilke. Bis Mitte der 1980er-Jahre wurde hier noch gebrannt, verschnitten und verkauft. „Die Fabrik mit ihrem rotgelben Backsteinmauerwerk, segmentförmigen Fenstern und schmückenden Gesimsen steht seit vielen Jahren unter Denkmalschutz“, schreibt der Hamburger Denkmalverein. „Die innen liegenden Verkaufsräume sind teilweise noch mit Stuckdecken verziert.

Mit der Ausstattung im Inneren des Vordergebäudes und der heterogenen Hofbebauung hat sich hier ein einzigartiges Ensemble der Industriegeschichte erhalten, das als eine der ältesten frühindustriellen Baugruppen Harburgs gilt.“