Harburg . Besetzung des wichtigen Ausschusses ist strittig. Christdemokraten sprechen von „reinster Willkür“. Gutachten soll Klarheit bringen
Wer hat das Sagen, wenn es um die Jugendarbeit im Bezirk geht – die sich abzeichnende rot-güne Koalition oder die Opposition? Um diese Frage gab es am Dienstag in der Bezirksversammlung Uneinigkeit: Die CDU-Fraktion bezweifelt, dass die Sitzverteilung im Jugendhilfeausschuss, die am Dienstag beschlossen wurde, rechtmäßig ist. Sie fühlt sich benachteiligt.
Verwaltungsdezernent Dierk Trispel soll ein Rechtsgutachten erstellen, forderten die Christdemokraten. Trispel sagte dies zu.
Der Bezirks-Jugendhilfeausschuss ist kein Ausschuss, wie die anderen Unterausschüsse der Bezirksversammlung. Üblicherweise dürfen in Hamburg die Bezirksversammlungen nur sehr wenig selbst entscheiden und ihre Ausschüsse schon gar nicht.
Welche Jugendeinrichtung erhält welche Zuschüsse?
Die Jugendhilfe bildet da eine Ausnahme: Im Sozialgesetzbuch ist vorgeschrieben, dass die Jugendhilfeausschüsse eigenständig beispielsweise darüber entscheiden, welche Jugendeinrichtung welche Zuschüsse erhält – oder welcher Träger ein Jugendzentrum betreibt.
Es ist also tatsächlich ein Ausschuss mit politischer Wirkmächtigkeit, denn als Bundesgesetz steht das Sozialgesetz über dem Hamburger Landesrecht, das die Bezirke an der eher kurzen Leine hält. Ob zum Beispiel ein kirchlicher Träger ein neues Jugendzentrum übernimmt, oder ein Trägerverein mit Wurzeln in der Arbeiterbewegung, oder ein alternativer ist immer auch Spiegel der Mehrheitsverhältnisse im Jugendhilfeausschuss.
Nicht nur Bezirkspolitiker vertreten
Im Ausschuss sind nicht nur Bezirkspolitiker vertreten: Zwei Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses kommen aus der praktischen Arbeit, drei Fünftel aus der Bezirksversammlung. Hinzu kommen beratende Mitglieder ohne Stimmrecht. Auch das bestimmt das Bundesgesetz.
Damit der Ausschuss nicht riesig und unübersichtlich wird, beschloss die Bezirksversammlung eine Größe von 15 Mitgliedern, davon neun aus der Bezirksversammlung. So weit, so normenkonform. Bei der Besetzung aller anderen Ausschüsse ist ein bestimmter Verteilungsschlüssel anzuwenden, das so genannte Hare-Niemeyer-Verfahren.
Der fällt bei den Mehrheitsverhältnissen in der Harburger Bezirksversammlung bei einem neunköpfigen Gremium allerdings so aus, dass SPD und Grüne zusammen nur vier Sitze hätten und die Opposition fünf, also die Mehrheit. „Um die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse abzubilden, haben wir einen anderen Schlüssel angesetzt“, sagt Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD.
„Das ist die reinste Willkür“
Danach haben die Grünen drei -statt zwei – die SPD zwei und alle anderen Parteien nur einen Sitz – auch die CDU, der bei Anwendung des Zählverfahrens zwei Sitze zugestanden hätten. Den einen haben aber die Grünen. Und Rot-Grün damit die Mehrheit.
„Das ist die reinste Willkür“, beschwerte sich CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer. „Dann könnte Rot-Grün ja gleich alle neun Sitze für sich beanspruchen, wenn das rechtens ist.“
Ohne dem zu erstellenden Gutachten vorgreifen zu wollen, bezweifelt Dierk Trispel diese plakative Aussage. „Das würde dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen“, sagt er. Die von allen Fraktionen außer der CDU beschlossene Sitzverteilung sei aber wahrscheinlich in Ordnung. „Es wurde in der Jugendhilfe auch in der Vergangenheit von der Hare-Niemeyer-Verteilung abgewichen.“