Neuenfelde . “Geflügel in Obstanlagen“: EU-Modellprojekt testet Hühner und Puten als Helfer auf Apfel- und Kirschplantagen im Alten Land.

Der Blickt schweift über das Feld. Soweit das Auge reicht: Kirschbäume. Die süßen, kleinen, roten Früchte schimmern im Glanz der Abendsonne. Aber was ist das: Ein Huhn. Direkt daneben 20 weitere. Was zunächst ein ungewöhnlicher Anblick ist, hat einen sinnvollen Zweck. Das Modellprojekt „Geflügel in Obstanlagen“ ist Teil der Förderungsmaßnahme Europäischer Innovationspartnerschaft „Produktivität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft“ (EIP Agri) und im Frühjahr 2019 gestartet.

Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast zu Gast

Drei Öko-Ostbaubetriebe im Alten Land, wollen zusammen mit der „Öko-Ostbau Norddeutschland Versuchs- und Beratungsring“ (ÖON) herausfinden, ob sich Hühner und Puten als Schädlingsbekämpfer in Obstanlagen eignen. Finanziert wird das Programm von der EU und dem Land Niedersachsen, koordiniert vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen GmbH. Am Dienstag wurde das Projekt offiziell vorgestellt. Zu Gast war neben Landwirten und Beratern der ÖON, auch Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast.

Testphase drei Jahre

Die Niedersächsische Ministerin machte sich direkt vor Ort, auf dem Hof von Obstbäuerin Birgit Mählmann, einen Eindruck von dem geförderten Forschungsprojekt. Birgit Mählmann betreibt einen der drei beteiligten Öko-Obstbaubetriebe und erhofft sich durch die Haltung von Puten, den Schädlingsbefall ihrer Kirschbäume zu verringern.

Obstbauer Henning Quast zwischen Hühnern, die sein Obst vor Schädlingen schützen sollen
Obstbauer Henning Quast zwischen Hühnern, die sein Obst vor Schädlingen schützen sollen © SILKE HEYER | Silke Heyer

Obstbauern stehen nur wenige Pflanzenschutzmittel zur Verfügung. Gegen den Befall von Kirschessigfliegen oder Kirschfruchtfliegen gibt es bisher keinen Wirkstoff. „Geflügel in Obstanlagen“ soll in den nächsten drei Jahren testen, ob Puten und Hühner diesen Befall reduzieren und somit eine Alternative zu Pflanzenschutzmitteln darstellen. Bisher ist nicht eindeutig wissenschaftlich bewiesen, das Geflügel eine Wirkung auf den Schädlingsbefall hat, es wird aber vermutet.

Regelmäßige Messungen

„Wir erwarten belastbare und reproduzierbare Ergebnisse zu der Frage, ob und wie gut Geflügel Schaderreger reduzieren kann“ sagt Bastian Banduhn, Versuchsleiter des ÖON. Das Geflügel ernährt sich auch von Insekten. Durch picken und scharren erreichen Hühner und Puten die Insekten in der Erde, im Laub, Fallobst oder Baumstämmen. Durch regelmäßige Untersuchungen des Insektenbefalls auf den Obstanlagen, soll nun getestet werden, inwieweit der Schädlingsbefall durch die Tiere reduziert wird, oder ob das Geflügel möglicherweise die Obstbäume beschädigt.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein

Obstbauer Henning Quast ist zuversichtlich: „ Ich erhoffe mir, dass die Hühner wieder ein gewisses Gleichgewicht in die Böden bringen“, sagt er. Er selbst nimmt auch an dem Projekt teil und hält Hühner auf seinen Apfelbaumfeldern. Zuvor wurden auf seiner Anlage Puten eingesetzt. Bei der Geflügelhaltung in Obstanlagen kommt es nämlich darauf an, die richtigen Tiere zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu halten. So sind die Puten seit Mitte Juli beim Obsthof Mählmann eingesetzt und fressen dort Fallobst und die Larven der nächsten Generation der Kirschfruchtfliegen. Die Hühner auf Quasts Hof befreien derzeit die Baumreihen durch Scharren und Kratzen von Unkraut. Überraschenderweise haben sich die Tiere auch noch als Mäusefänger bewiesen, berichtet der Obstbauer. Mäuse stellen, genauso wie Insekten, eine Gefahr für sein Obst dar.

Unterstützt werden die Obstbauern bei der Tierhaltung von Landwirtschaftsberater Olaf Schmidt-Lehr vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen und der Öko-Landwirtin und Putenspezialistin Christine Bremer. Die Experten stehen den Obstbauern während der gesamten Projektzeit zur Seite.

Ob sich die Hühner und Puten als gute Schädlingsbekämpfer beweisen , wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Landwirtschaftsministerin Kinast erhofft sich durch das Projekt einen innovativen und nachhaltigen Fortschritt.

Bei der biologischen Schädlingsbekämpfung werden Viren oder Lebewesen in bestimmte Systeme eingebracht, um die Population anderer Tiere oder Pflanzen zu minimieren.

Dies übernehmen meist natürliche Feinde der unerwünschten Art. Biologische Schädlingsbekämpfung wird nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch bei der Vorratswirtschaft eingesetzt.

Die Beispiele sind vielfältig: So werden seit rund 10.000 Jahren Katzen gezüchtet, um Vorratsräume mäusefrei zu halten. Mit Nistkästen und Sitzstangen für Greif-(Vögel) können Insekten und Nagetiere dezimiert werden. Das Anbringen von Fledermauskästen kann helfen, Stechmücken im Umfeld zu dezimieren. Marienkäfer unterstützen im Weinbau die Bekämpfung von Blattläusen