Landkreis Harburg . Im Kreis Harburg sollen von 2020 an Mobile Retter helfen, sobald ein Notfall mit Herz-Kreislauf-Stillstand eintritt. Was bis dahin geschehen muss.
Im Landkreis Harburg soll im kommenden Jahr das System „Mobile Retter“ eingeführt werden. Damit sollen zuvor geschulte Helfer in Notfällen rasch eingreifen können, sobald bei einem Menschen ein Herz-Kreislauf-Stillstand eintritt. Diese Grundsatzentscheidung hat der Ausschuss für Ordnung und Feuerschutz des Landkreises am Montag einstimmig getroffen. Entscheidungen über die Finanzierung wurden dabei vorerst zurückgestellt. Den Antrag hatten die Fraktionen von CDU und WG gestellt. „Es ging uns jetzt darum, das Thema anzuschieben. Wir können über die Kosten bei den Beratungen zum Haushalt im Oktober abschließend diskutieren“, sagte Volkmar Persiel (CDU).
Die Kreisverwaltung geht davon aus, dass die derzeit erwarteten Kosten von 37.500 Euro für das erste Jahr nicht ausreichen werden. „Wir können uns dennoch vorstellen, das System einzuführen, müssen aber voraussichtlich den Betrag nach oben anpassen“, sagte Ordnungsdezernentin Annerose Tiedt.
Gespräche mit den Nachbarkreisen Rotenburg und Heidekreis
Auch ein Beginn des Pilotbetriebs noch in diesem Jahr, wie von den beiden Fraktionen gewünscht, erschien der neuen Fachbereichsleiterin der Kreisverwaltung „sehr sportlich.“ Tiedt verwies darauf hin, dass zunächst noch geklärt werden müsse, ob ein Auftrag für den Aufbau des Systems ausgeschrieben oder direkt vergeben werden könne. Schon jetzt gibt es jedoch Gespräche mit den Kreisen Rotenburg und dem Heidekreis. Der Hintergrund: Beide Kreise nutzen die gleiche Leitstellentechnik wie der Kreis Harburg und könnten sich künftig an das System anschließen.
Für den Einsatz als „mobile Retter“ müssten die notwendigen Helfer zunächst gesucht und ausgebildet werden. Ausgerüstet mit einer App könnten sie dann von der Einsatzzentrale im Kreishaus Winsen, in der die Notrufe unter 112 eingehen, über ihr Smart-Phone informiert werden. Die Helfer würden dann den nächsten automatisierten Defibrillator (AEDs) holen und könnten damit einem Betroffenen rasch helfen, indem sie mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Sie würden vom ebenfalls alarmierten Rettungsdienst abgelöst, sobald die professionellen Retter am Einsatzort angekommen sind.
In den Niederlanden wurden schon 170.000 Retter geschult
Das Projekt stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Dort arbeiten derzeit bereits 170.000 geschulte Retter und fast 14.000 AEDs, die rund um die Uhr zugänglich sind. Im Landkreis haben der DRK Kreisverband Harburg-Land sowie die Sparkasse Harburg-Buxtehude gemeinsam ein flächendeckendes Netz von öffentlich zugänglichen AEDs geschaffen, heißt es in der Begründung des Antrags von CDU und WG.
In Verbindung mit dem Projekt „Mobile Retter“ gelte es, so die beiden Fraktionsvorsitzenden Hans-Heinrich Aldag und Kay Wichmann, dieses Netz engmaschiger zu gestalten. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Retter den Notfallort durchschnittlich in vier bis fünf Minuten erreichen könnten. Damit seien sie häufig schneller als der Rettungsdienste. Die Überlebensrate bei Herz-Kreislauf-Stillständen könne so signifikant verbessert werden.
In Deutschland wurde das System „Mobile Retter“ erstmalig 2013 im Kreis Gütersloh erfolgreich getestet und 30 Monate durch eine Studie begleitet. In dieser Zeit wurden 550 Ersthelfer gewonnen und 477 Reanimationen registriert. In 179 Fällen überbnahmen zuerst die Mobilen Retter den Einsatz, die in 59 Prozent der Fälle noch vor dem Rettungsdiensten vor Ort waren.
75.000 Menschen erleiden bundesweit jährlich einen Herz-Kreislauf-Stillstand
Im Landkreis Emsland waren seit Einführung des Projekts von Mitte Dezember 2016 bis Anfang Juli 2018 Mobile Retter bei 225 von insgesamt 440 Einsätzen dabei. In 90 Fällen waren die Mobilen Retter vor Eintreffen des Rettungsdienstes vor Ort. „Mittlerweile nehmen zehn Landkreise und eine kreisfreie Stadt an dem Projekt teil. Bei mehr als 3500 Einsätzen haben die Retter bisher helfen können“, schreiben Aldag und Wichmann weiter.
In Deutschland erleiden jährlich 75.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand, oftmals mit tödlichen Folgen. Experten des Deutschen Wiederbelebungsrates schätzen, dass bei einer flächendeckenden schnellen medizinischen Erstversorgung mehr als 10.000 Menschenleben pro Jahr gerettet werden können.
Der Defibrillator kann Leben retten
Ein Defibrillator oder Schockgeber kann durch gezielte Stromstöße Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern und Kammerflattern (Fibrillation) beenden (Kardioversion). Defibrillatoren werden auf Intensivstationen, in Operationssälen, Notaufnahmen, sowie in Fahrzeugen von Rettungsdiensten bereitgehalten.
Die Geräte werden seit den 1990er-Jahren als automatisierte externe Defibrillatoren zunehmend in öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Orten installiert, so dass sie medizinische Laien anwenden können. Ein Defibrillator verbessert im Notfall die Chancen einer Herz-Lungen-Wiederbelebung.