Lüneburg. In Lüneburg trafen sich am Wochenende Kämpfer aus der Region, etwa vom Hamburger Verein Hammaborg, aber auch aus dem Bundesgebiet sowie aus Wien
„Stellung, fertig los.“ Die Langschwerter gezückt gehen die beiden Kämpfer aufeinander zu. Die Klingen schlagen aufeinander. Treffer. „Halt“ ruft der Schiedsrichter, der zuvor schon den Kampf eröffnet hatte. Seine beiden Seitenrichter, jeweils mit blauer und roter Fahne, zeigen zusätzlich an, wer nach ihrer Ansicht die stumpfe Schneide ins Ziel bringen konnte. Dafür gibt es einen Punkt.
Gekommen waren am Wochenende 43 Kämpfer
Der Schiedsrichter, der entspannt den Überblick über das Geschehen in der Lüneburger Sporthalle Oedeme behält, ist Adrian van Bronswijk. Der Chef der im November 2013 gegründeten Fechtschule Asteria ist gleichzeitig 2. Vorsitzender des Vereins für historische Fechtkunst Lüneburg. Zusammen mit dem 1. Vorsitzenden Alexander Meyer hat van Bronswijk erstmals ein zweitägiges Turnier in der Hansestadt organisiert.
Der Sport ist vor allem im Süden populärer
Gekommen waren am Wochenende 43 Kämpfer aus der Region, etwa vom Hamburger Verein Hammaborg, aber auch aus dem Bundesgebiet sowie aus Wien. „Wir haben unser Turnier am Wochenende für alle geöffnet, um über die familiäre Atmosphäre unseres Vereins hinaus Kontakte aufzubauen“, erklärt Meyer. Gerade im Norden ist das nicht unwichtig, weil der Schwertkampf bislang vor allem im Süden populärer ist. Grob geschätzt dürften sich aber inzwischen mehrere tausend Forscher und Sportler mit dem Thema befassen.
Seit etwa 30 Jahren ist unter dem Begriff „Historical European Martial Arts“ (HEMA) ein Sport etabliert, der auf historischen Texten zu europäischen Kampfkünsten basiert. Die Forschungen von Enthusiasten, die sich mitunter auch Waffen aus Museen nachschmieden lassen, mündeten von gut zehn Jahren in den Wettkampfsport. Gekämpft wird bis zu drei gestoppte Minuten oder bis sieben Punkte für Treffer erreicht sind. Der Schwertgruß steht am Anfang jedes Kampfes.
Am Ende stehen, jedenfalls in Lüneburg, meist Umarmungen
Am Ende stehen, jedenfalls in Lüneburg, meist Umarmungen der jeweiligen Kontrahenten.
Die meisten von ihnen hatten sich für die Duelle mit dem 1,30 Meter langen zwischen 1400 und 1700 Gramm schweren Schwert angemeldet. Der Zweihänder gilt als Ausgangpunkt für das Training, um alle Grundlagen zu verstehen. „Selbst in der Renaissancezeit um 1550 als das Schwert als Kriegswaffe längst aus der Mode war, wurde in den damaligen Schulen zunächst der Umgang mit ihm gelehrt“, weiß Meyer.
Die Waffen kommen überwiegend aus Schmieden in Osteuropa
Die Waffen für den Sport kommen dabei überwiegend aus Schmieden in Osteuropa. „Anbieter aus Ungarn, Polen und Russland haben den Markt rechtzeitig gesehen“, sagt Fechtlehrer van Bronswijk. Der 36-Jährige hat sein Metier als Fachsportlehrer Fechten in drei Jahren an der Schule Krifon in Edingen bei Heidelberg erlernt. Für die Schutzausrüstung vom Helm bis zu den Schienbein- und Knieschützern rechnet er mit insgesamt 900 Euro. Die Waffen, zu denen auch Säbel oder Rapier (Degen) zählen, schlagen davon mit 250 Euro zu Buche.
Das Training und die Auseinandersetzung mit einem Gegenüber bedeutet mehr als die reine sportliche Herausforderung, ist van Bronswijk überzeugt. „Man findet viel über sich selbst heraus, gewinnt an Mut und Selbstbewusstsein, und wird beherzter.“ Kraft allein ist nicht ausschlaggebend. „Es geht darum, ein Gefacht nach seinen Vorstellungen zu führen und die Aktionen des Gegners vorauszusehen“, erklärt Meyer. „Fechten entspricht Schach mit Waffen.“
Wie sich das Training bei ihr ausgewirkt hat, erzählt Kira Wigand
Wie sich das Training bei ihr ausgewirkt hat, erzählt Kira Wigand. Die 22-Jährige, die van Bronswijk noch in Edingen kennen gelernt hatte, wurde während ihrer Grundschulzeit gemobbt. Schüchtern zog sie sich zurück, hatte Probleme beim Lernen. Über das Internet kam sie schließlich zur Fechtschule Krifon, erschien zum Probetraining, reüssierte und blieb. Heute tritt sie mit Sportkameraden auf Mittelaltermärkten auf, geht direkt auf andere Menschen zu und vertritt ihre Meinung nach außen hin ohne zögern.
Fechten motiviert
„Fechten motiviert und hat für mich die Erkenntnis gebracht, dass man alles schaffen kann, was man sich zutraut“, sagt Wigand, die im achten Semester Deutsch und Biologie studiert und Lehrerin werden will. „Meine Mutter sagt, das meine Entscheidung für das Fechten die beste war, die ich treffen konnte.“ Seit Dezember ist sie nun in das Turnierfechten eingestiegen.
„Durch die Wettkämpfe wird die Szene lebendig“, sagt van Bronswijk. Doch für ihn ist es wichtig, dass seine Schüler die Tradition des Schwertkampfes kennen. Sie reicht für HEMA vom 14 bis ins beginnende 20. Jahrhundert. Es war eine Zeit, in der Reiten, Tanzen und Fechten bei jungen Adeligen und dem Bürgertum noch zum guten Ton gehörte. Nun lebt der analoge Waffengang sogar in der digitalen Gesellschaft wieder auf.