Mühlenschule und Sportverein in Holm-Seppensen werden 60 und 70 Jahre alt – doch die Wurzeln der Lehranstalt liegen viel weiter zurück.

Der Lehrer trägt einen Zylinder auf dem Kopf, in der Hand einen Rohrstock. Sein strenger Blick schweift über die Pulte im kleinen Klassenraum der alten Dorfschule Seppensen. Dann erhebt er die Stimme. Die Schüler auf den schmalen Holzbänken werden still. Der Unterricht beginnt. Und für einen kurzen Vormittag kehrt noch einmal Leben in das historische Schulgebäude im Museumsdorf Seppensen ein.

Einmal im Jahr begeben sich die Schüler der Mühlenschule in Holm-Seppensen auf diese Zeitreise und kehren zurück zu den Wurzeln ihrer eigenen Grundschule, die am 11. Mai ihr 60-jähriges Bestehen feiert und eigentlich viel mehr zu feiern hätte. Genaugenommen nämlich 140 Jahre. Schließlich liegt der Ursprung der beschaulichen Grundschule viel weiter zurück. Denn die Mühlenschule ist ein „Ableger“ der alten Dorfschule. Und der Neubau, der 1959 in Holm-Seppensen errichtet wurde, damit eine Erweiterung des alten Gebäudes in Seppensen, das nur aus einem einzigen Klassenraum und der Wohnung für den Lehrer bestand. Und eben diese Schule wurde bereits 1879 gebaut. Damit kommt die Mühlenschule Holm-Seppensen auf 140 Jahre Schulgeschichte.

Für das Jubiläumsfoto haben die Schüler der Mühlenschule die Zahl 130 auf dem Schulhof geformt.
Für das Jubiläumsfoto haben die Schüler der Mühlenschule die Zahl 130 auf dem Schulhof geformt. © HA | Hanna Kastendieck

Hobbyhistoriker hat sich sein Wissen erarbeitet

Keiner weiß das besser als Hans Leopold. Er ist 71 Jahre alt, Chemiker und Hobbyhistoriker. Und weil er von seiner Haustür bis zum Museumsdorf nur 200 Schritte braucht, hat er vor ein paar Jahren beschlossen, sich ehrenamtlich beim Geschichts- und Museumsverein Buchholz zu engagieren. Das alte Schulhaus, das zentrale Gebäude auf dem Gelände, hatte es ihm dabei besonders angetan. „Es erinnerte mich an meine eigene Schulzeit, die ich in einer einklassigen Volksschule eines 200-Einwohner-Dorfes in Ost-Holstein verbracht habe“, sagt er. „Das Phänomen ‚einklassige Dorfschule‘ hat mich daher auch als Erwachsener immer wieder interessiert.“

Also hat er vor zwei Jahren angefangen zu recherchieren, im Stadtarchiv Buchholz, in Archiven in Jesteburg, Tostedt und Meckelfeld. 17 Zeitzeugen hat er interviewt, unzählige Dokumente und Fotos zusammengetragen. Entstanden ist ein Buch, das nicht nur die Schulgeschichte in Holm, Holm-Seppensen und Seppensen erzählt, sondern auch spannende Einblicke die Entwicklung der Region seit 1949 sowie die Auseinandersetzungen zwischen den damaligen Gemeinderäten Lüllau und Seppensen liefert. Denn diese hatten in den 1950er Jahren unterschiedliche Ideen für eine Schulerweiterung der längst zu klein gewordenen Seppensener Dorfschule.

Die alte Dorfschule Seppensen steht auf dem Gelände des Museumhofs
Die alte Dorfschule Seppensen steht auf dem Gelände des Museumhofs "SniersHus" und wird vom Museumsverein Buchholz betreut. © HA | Hanna Kastendieck

Im Jahr 1959 wurde die neue Schule eröffnet

„Der Lüllauer Gemeinderat bevorzugte einen Neubau in Holm-Seppensen, der Seppensener Gemeinderat hingegen war für die Erweiterung des Schulgebäudes in Seppensen“, erzählt der Autor. „Dort war bereits 1950 gegenüber der alten Dorfschule ein Neubau entstanden. Schließlich einigte man sich, nach zehnjähriger Verhandlung, auf den Standort Jungfernstieg, an dem sich heute die Mühlenschule befindet.“ Am 13. Februar 1959 konnte das neue Schulgebäude eingeweiht werden.

Seitdem hat sich die Schule rasant entwickelt. Schulleiterin Beate Trützschler hat die wichtigsten Daten in einer Zeitleiste zusammengefasst: 1969 Erweiterung um zwei Klassenräume und ein kleines Lehrerzimmer, 1971 Neubau einer Turnhalle, 1972 106 Schüler, Vor- und Nachmittagsunterricht, 1973, Anbau von acht Klassenräumen, Musikraum und Bücherei, 1978 Anlage eines Sportplatzes. 1993 wurde die Grundschule Holm-Seppensen in „Mühlenschule“ umbenannt. Zwei Jahre später gab es erstmalig drei 1. Klassen. Und die Schule ist seitdem kontinuierlich gewachsen. 2002 wurde ein 250 Quadratmeter großer Anbau mit drei Klassenräumen, Gruppenräumen und Werkraum eingeweiht. Zwei Jahre später wurden erstmalig 13 Klassen an der Schule gezählt. Dabei ist es geblieben.

Intensive Zusammenarbeit mit dem Sportverein

Heute kümmern sich 17 Lehrkräfte, eine Referendarin und fünf pädagogische Mitarbeiterinnen um die 250 Schüler. Es gibt eine Nachmittagsbetreuung bis 17 Uhr. Und alle 100 Plätze sind ausgebucht. Schulleiterin Beate Trützschler weiß, dass ihre Schule ein bisschen den Charme von Astrid Lindgrens „Büllerbü“ versprüht. Und es ist ihr wichtig, dass die Schüler an diesem Ort nicht nur Mathe, Deutsch, Englisch und Sachkunde lernen, sondern aufs „Leben allgemein“ vorbereitet werden. „Ich möchte die Kinder fit machen, damit sie die Herausforderungen im Alltag selbstständig und selbstbewusst meistern können“, sagt Beate Trützschler.

Die Mühlenschule in Holm-Seppensen wurde im Jahr 1959 eröffnet.
Die Mühlenschule in Holm-Seppensen wurde im Jahr 1959 eröffnet. © HA | Hanna Kastendieck

Das geht am besten, wenn alltägliche Herausforderungen in der Schule Einzug halten. Die Schüler arbeiten zum Beispiel mit bei der Aktion „Klimadetektive“, setzen sich im Rahmen von Sponsorenläufen mit sozialen Projekten auseinander, packen jährlich Weihnachtspäckchen für die Aktion „Kinder helfen Kindern“ und haben „Soziales Lernen“ sogar als Unterrichtsfach. Regelmäßig haben sie den Meeresbiologen Robert Lehmann zu Gast, die Technische Universität kommt jedes Jahr und gibt erste Einblicke in das Programmieren von Robotern. Die Schüler und Lehrer nehmen regelmäßig an den Workshops der Zukunftswerkstatt Buchholz teil und unternehmen Ausflüge zu anderen außerschulischen Lernorten.

Mehr als ein Drittel der Schüler sind im Verein

Darüber hinaus arbeitet die Schule eng mit dem Sportverein Holm-Seppensen e.V. zusammen, dessen Sportstätte in direkter Nachbarschaft der Schule liegt. „Mehr als zwei Drittel der Schulkinder sind bei uns im Verein“, sagt dessen Vorsitzende Karin Iske. „Viele kommen direkt nach der Schule rüber. Das ist wie eine große Familie.“ Und weil sich Schule und Sportverein nicht nur im Angebot ergänzen, sondern sich auch einen Zivildienstleistenden teilen und Schulleitung und Vereinsvorstand gut miteinander können, haben sie beschlossen, gemeinsam Jubiläum zu feiern. Die Mühlenschule wird 60, der Sportverein Holm-Seppensen 70 Jahre alt. Zusammen sind das 130 Jahre.

Schulleiterin Beate Trützschler (l.) und Karin Iske, Vorsitzende des SV Holm-Seppensen feiern Mühlenschulen-Jubiläum und Vereinsgeburtstag gemeinsam.
Schulleiterin Beate Trützschler (l.) und Karin Iske, Vorsitzende des SV Holm-Seppensen feiern Mühlenschulen-Jubiläum und Vereinsgeburtstag gemeinsam. © HA | Hanna Kastendieck

Gegründet wurde der Verein von einigen sportbegeisterten Männern als SV Holm 30. Januar 1949. Im Mai 1950 kam es zur Unterzeichnung des ersten Pachtvertrages für den Sportplatz in Wörme. Kosten: 75,- DM jährlich. Erst mit dem Bau der Turnhalle 1974 kamen zum Fußball weitere Sportarten hinzu. Inzwischen zählt der Verein, der seit 1975 den Namen SV Holm-Seppensen trägt, 714 Mitglieder, die zwischen neun Sportangeboten wählen können. Erst kürzlich wurde das neue Sportzentrum am Tostedter Weg eingeweiht. Kosten: 750.000 Euro. Neben dem neuen Sportplatz sollen hier mittelfristig zwei Beachvolleyballfelder, eine Boule- und eine Laufbahn entstehen.

Aushängeschild des Vereins sind die Sportakrobaten, die bereits zum dritten Mal bei der Welt-Gymnaestrada, der Olympiade der Sportakrobaten, nominiert sind und im Juli im österreichischen Dornbirn um Medaillen kämpfen werden. Diese werden auch beim großen Jubiläumsfest von Mühlenschule und Verein am Sonnabend ihr Können präsentieren. Wer anlässlich des Jubiläums auch der alten Dorfschule Seppensen einen Besuch abstatten möchte, hat dazu einen Tag später die Gelegenheit. Dann nämlich findet auf dem Museumshof rund um die alte Schule der Kunst-Land-Markt – das Gartenfest der ländlichen Lebensart statt. Statt Unterricht mit Zylinder und Rohrstock gibt es diesmal Gaumenfreuden, Handwerk und Lagerfeuerromantik.

Dorfschule

Fast 100 Jahre lang – von 1880 bis 1973 – wurden Schüler aus der Gemeinde Seppensen und umliegenden Gemeinden in der alten Dorfschule unterrichtet. Das Haus ist das einzige Originalgebäude im Museumsdorf Seppensen.

In der Dorfschule wurde zunächst nur eine Klasse unterrichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es durch die vielen Flüchtlinge bis zu vier Klassen.

Die Geschichte der Dorfschule endet 1973. Danach wurden alle Grundschüler aus den Gemeinden Seppensen, Holm-Seppensen und Holm nach der Gebietsreform in der neuen Mühlenschule am Jungfernstieg in Holm-Seppensen unterrichtet.

Das Buch „Dorfschule Seppensen – Der Weg von der Volksschule zum Museum“ von Hans Leopold ist als Sonderheft der Buchholzer Schriften, der Schriftenreihe des GMV, erschienen (ISBN: 978-3-00-060882-7) und kostet zehn Euro.

Autor Hans Leopold sucht weiter alte Fotografien und Erinnerungen zur Dorfschule in Seppensen. Wer etwas beitragen kann, meldet sich unter hans@gmx-buchholz.de

Festwochenende

Die Jubiläumsfeier von Mühlenschule (Jungfernstieg 6, Holm-Seppensen) und Sportverein Holm-Seppensen beginnt bereits heute um 17 Uhr mit einer Vorführung der Theater-AG und des Schulchors. Gespielt wird „Das fliegende Klassenzimmer“ von Erich Kästner.

Am 11. Mai wird dann von zehn bis 17 Uhr auf dem gesamten Gelände von Schule und Verein gefeiert. Ab 12.30 Uhr zeigt der Verein verschiedene Sparten in der Turnhalle. Um 14 Uhr beginnt ein großes Fußballturnier.

Am 12. Mai findet im Museumsdorf Seppensen (Zum Mühlenteich) von 10 bis 18 Uhr der Kunst-Land-Markt Seppensen statt.

Ausgestellt werden Pflanzen, Antiquitäten, Naturprodukte, Schmuck, Kunst- und Handwerk. Darüber hinaus gibt es Pfeil- und Bogenschießen.

Weitere Infos zur Veranstaltung sowie zum Geschichts- und Museumsverein Buchholz / Nordheide und Umgebung gibt es unter www.gmv-buchholz.de