Harburg . Gewerkschaften, Sozialverbände und Parteien fordern gerechte Arbeitsbedingungen. Autonome zünden Bengalos.

Unter dem Motto „Europa – jetzt aber richtig“ sind am Mittwoch gut 300 Harburgerinnen und Harburger dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur traditionellen Maikundgebung gefolgt. Sie zogen mit Fahnen und Transparenten durch die Harburger Innenstadt. Die Spitzen der Harburger SPD, Grünen und Linke schlossen sich dem Demonstrationszug an, der – angesichts der Europawahl am 26. Mai – für ein vereintes, demokratisches und gerechtes, vor allem aber friedliches Europa warb.

Um 10.10 Uhr setzte sich der Demonstrationszug vom Herbert-Wehner-Platz aus in Richtung Eißendorfer Straße in Bewegung – angeführt von Vertretern der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Vom Lautsprecherwagen wandte sich der Harburger DGB-Vorsitzende Wolfgang Brandt kämpferisch gegen eine „neoliberale Wirtschaft, die ausschließlich Arbeitgeberinteressen“ verfolge. Er verurteilte „den ausufernden Einfluss von Lobbyisten, die Politikern Gesetzestexte“ verfassten, wobei Arbeitnehmerrechte auf der Strecke blieben.

Harburger DGB-Chef fordert zwölf Euro Mindestlohn

Den Grundstein für Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern und der parlamentarischen Demokratie hätten maßgeblich die Gewerkschaften Anfang der 1920er-Jahre in der Weimarer Republik gelegt. Starke Gewerkschaften seien als Interessenvertretung für Arbeitnehmerrechte unverzichtbar.

Denn „viel zu viele Arbeitnehmer“ könnten von ihrem „viel zu geringem Einkommen“ nicht mehr auskömmlich leben – was für Betroffene Armut und Altersarmut bedeute. „Immer öfter werden im gleichen Betrieb Arbeitnehmer für gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt. Der Acht-Stunden-Tag ist in Gefahr – ja wo sind wir hingekommen? Viel zu lange haben wir gewinnorientierte, neoliberale Denkfabriken geduldet“, rief der pensionierter Lehrer (70) in die Menge – und bekam kräftigen Applaus.

Zwölf Euro Mindestlohn seien notwendig, damit Arbeitnehmer eine Familie ernähren und eine Wohnung bezahlen könnten – ohne Aufstockungs­leistungen und staatliche Hilfe.

Europawahl: Stärkung der demokratischen Parteien

Eine zunehmende Gefahr gehe von Rechtspopulisten in Europa aus. „Die argumentieren wie die Nationalsozialisten in der Weimarer Republik“, warnte Brandt. „Deshalb: Stärken Sie die demokratischen Parteien bei der Europawahl.“ Parteispitzen von SPD – unter anderem mit dem Kreisvorsitzenden Frank Richter, Stellvertreterin Ronja Schwager und dem Bundestagsabgeordneten Metin Hakverdi – und die Spitze der Harburger Grünen hatten sich dem Zug angeschlossen, um die Forderungen des DGB sichtbar zu unterstützen.

Im Rieckhof wandte sich Harburgs Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen gegen „zu viele befristete Arbeitsverhältnisse“, ungleiche Bezahlung von Männern, Frauen und Leiharbeitskräften. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse gestärkt und das extreme Lohn­gefälle in Europa beseitigt werden: Es könne nicht sein, dass der Durchschnittsmonatslohn in Dänemark 4664 Euro betrage, während in Bulgarien 436 Euro gezahlt würden.

Autonome zerstören Scheiben am Cinemaxx-Kino

Am Mittag hatte unter dem Motto „MDMA – Mach das mal anders“ eine Gruppe „Schwarz-Roter 1. Mai HH“ zu Protesten aufgerufen. Rund 400 – zum Teil Vermummte – zogen vom Karstadt-Gebäude über den Harburger Ring in die Wilstorfer Straße. Sie warfen Feuerwerkskörper, zündeten Bengalos, mehrere Scheiben des Cinemaxx-Kinos gingen zu Bruch. Verletzt wurde niemand.

Die Polizei schien von Art und Umfang der Proteste überrascht: Erst bei der Zwischenkundgebung am Phoenix Center verstärkte sie die Einsatzkräfte und beobachtete auch vom Hubschrauber aus die Lage. Die Demo wurde mehrmals gestoppt, da sich einige Teilnehmer immer wieder vermummten oder Feuerwerkskörper entfachten. Der Verkehr kam zeitweise zum Erliegen.