Neugraben bekommt einen neuen Polizeichef. Er heißt Uwe Rehmke, ist 55 Jahre alt. Einblicke gibt der Polizeioberrat im Interview.

Hamburger Abendblatt Herr Rehmke, wie sind Sie heute zur Arbeit gekommen?

Uwe Rehmke Ich fahre mit der Bahn. Total umweltbewusst (lacht). Ich komme aus Kiel.

Sind Sie dort geboren?

Nein. Ich bin gebürtiger Lüneburger. Da bin ich aufgewachsen. Durch den Polizeiberuf bin ich nach Hamburg gekommen. Ich habe immer drumherum gewohnt, in Winsen, viele Jahre in Ahrensburg. Vor ein paar Jahren habe ich mich mit der Frage befasst, wo möchtest Du später Deinen Ruhestand verbringen? Irgendwann kam der Gedanke: Was ist eigentlich mit der Ostsee? Das Wasser hat mich sehr gereizt.

Waren Sie bei der Wasserschutzpolizei?

Nein. Die Liebe zur Ostsee erwuchs im Strandurlaub mit der Familie. Ich habe vier Töchter und einen Sohn. Die Älteste ist 25, die jüngste 4. Ich lebe in einer Patchwork-Familie – in einer sehr glücklichen Patchwork-Situation. Ich hatte einen Campingplatz in der Probstei, ein wunderschöner Landstrich. Da hat mich der Gedanke beflügelt, mich in der Gegend einmal häuslich niederzulassen – wohl wissend, dass es zunächst eine zeitliche Belastung bedeutet. Das nehme ich gern in Kauf.

Sie werden auch zum Dienst nach Neugraben mit der Bahn fahren?

Selbstverständlich! Ich fahre in Uniform. Man wird mich als Polizeibeamten wahrnehmen. Die Bürger in Altona sind das gewohnt. Ich finde, man darf als Polizeibeamter gesehen werden. Das ist unsere Rolle in der Gesellschaft.

Viele wünschen sich, dass die Polizei stärker gesehen wird.

Richtig. Wir leben zurzeit in einer paradoxen Welt: Die objektive Sicherheitslage ist so gut wie seit Jahren nicht. Wir haben rückläufige Kriminalitätszahlen in fast allen Deliktsbereichen. Trotzdem ist das Empfinden der Menschen häufig ein anderes.

Woran könnte es liegen?

Das hat sicherlich unterschiedliche Gründe. Hierzu gibt es zahlreiche Theorien und wissenschaftliche Untersuchungen, auch Dunkelfeldforschungen. Wir wissen aber, dass das Thema lokale Präsenz und somit polizeiliche Präsenz eine zentrale Rolle spielt. Da sind wir dran und wollen natürlich noch sichtbarer im Stadtbild werden.

Neugraben wächst. 4500 neue Wohnungen entstehen, 10.000 bis 15.000 neue Bewohner ziehen hierher - so viel wie eine kleine Stadt. Was bedeutet das für die Polizei?

Das wird eine Herausforderung für die Polizei. Dem muss man sich stellen. Wir werden die Entwicklung aus polizeilicher Sicht sorgfältig betrachten.

Wird sich die Polizei personell neu aufstellen?

Die Annahme, dass ein Aufwachsen der Bevölkerung auch ein Aufwachsen polizeilicher Tätigkeit bedeutet, ist zunächst grundsätzlich nicht ganz abwegig. Trotzdem muss man natürlich die tatsächliche Entwicklung erst einmal abwarten.

Wie schätzen Sie die Entwicklung in Neugraben ein?

Neugraben ist in der glücklichen Lage, dass dort auch noch freie Flächen vorhanden sind. Wenn man Neugraben mit Altona vergleicht, sind dort die verkehrlichen Gegebenheiten bei einer Nachverdichtung ungleich problematischer. Je mehr Fläche, desto weniger Konflikte. Je weniger Konflikte, desto weniger polizeiliches Einschreiten ist erforderlich. Aber: Es wird auch in Neugraben enger.

Die Verkehrssituation in Neugraben ist dramatisch – wenn Sie die Achsen Neugrabener Bahnhofsstraße, Süderlebebogen oder Cuxhavener Straße betrachten.

Es wurde mir davon berichtet (lacht). Nein, ich habe mich mit dem Revierleiter über die Gegebenheiten ausgetauscht, die da auf uns zukommen werden.

Wäre es nicht klüger, heute schon mehr Polizei einzusetzen statt zu reagieren?

Wir setzen das Personal dort ein, wo es erforderlich ist. Wir wollen aber natürlich noch sichtbarer, noch präsenter für den Bürger in den Stadtteilen werden, weil wir wissen, dass Präsenz einen Einfluss auf das subjektive Sicherheitsempfinden des Bürgers hat. Mit der Einstellungsoffensive wird die Polizei Hamburg bis zum Jahr 2021 einen deutlich spürbaren Personalzuwachs erfahren.

Sie waren der zweite Mann in der Soko Castle – und haben sie für den höheren Dienst verlassen. Wären Sie gern länger geblieben?

Ich hätte die Früchte gern etwas länger eingefahren. Die Arbeit der Soko hat hervorragend funktioniert. Der Süderelberaum war ja damals auch betroffen. Auch da waren wir mit der Soko tätig.

Wohnungseinbruch ist eine zentrales Thema. Es macht Menschen Angst.

Ja, wir wissen, was Wohnungseinbruch bewirken kann. Dass im Einzelfall betroffene Menschen traumatisiert sind. Dass sie umziehen müssen, weil sie sich zu Hause nicht mehr wohlfühlen. Oder sich nicht mehr in ihre Wohnung trauen. Insofern ist es ein sehr ernstzunehmendes Delikt. Ich stehe heute voll hinter der Soko Castle. Es war die einzig richtige Entscheidung, auf diese Weise Wohnungseinbruchsdiebstahl zu bekämpfen.

Es gibt eine Software, die Einbrüche vorhersagen kann. Was halten Sie davon?

Wir versuchen natürlich permanent, unsere Handlungsoptionen in allen unseren Aufgabenbereichen zu optimieren. Zu dem Thema „Predictive Policing“ bilden wir uns gerade über ein polizeieigenes Forschungsprojekt eine fachlich fundierte Meinung. Der Prozess hierzu ist aber noch nicht abgeschlossen.

Müssen sich Einbrecher in Neugraben warm anziehen, wenn Herr Rehmke kommt?

(Lacht). Ich war in meiner Dienstzeit auch im operativen Geschäft unterwegs. Ich war Dienstgruppenleiter in Rahlstedt, das damals stark von Einbruchskriminalität betroffen war. Gern hätte ich damals schon das Wissen aus der Soko-Castle-Zeit gehabt. Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis. Ich erkenne Menschen wieder. Ich erinnere mich an Personalien, die ich gelesen habe. Daraus können sich Ermittlungsansätze ergeben. Mein Auge ist geschult. Ich weiß, wie Einbrecher vorgehen. Und ich weiß, mein Wissen und meine guten Beziehungen zur Soko Castle einzubringen, sollte das Thema Einbruchdiebstahl in Neugraben aufflammen.

Die Polizei in Neugraben zieht voraussichtlich 2021 in ein neues Gebäude. Wie finden Sie das?

Eine traumhafte Situation! Die Kollegen freuen sich darauf, in ein neues Gebäude zu ziehen, nachdem das alte Gebäude natürlich in die Jahre gekommen ist.

Inwiefern?

Da geht es um Elektrik und andere Dinge. Die Erreichbarkeit einer Polizeidienststelle für die Menschen ist sehr wichtig. Je zentraler, desto besser. Insofern ist die Lage des neuen Gebäudes am Bahnhof sehr gut. Wir leben vom Informationsfluss.

Ist der Informationsfluss mit Neu Wulmstorf über die Landesgrenze ein Problem?

Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kenne das aus Rahlstedt mit Barsbüttel, Stapelfeld und Ahrensburg auf schleswig-holsteinischem Gebiet. In der täglichen Arbeit ist es kein Problem. Wir sind es gewohnt, auszuhelfen. Polizei tickt sowieso gleich. Das haben wir auch in der Soko schwarzer Block erlebt.

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie den Sprung über die Elbe wagen?

Das fragen sich viele (lacht), nein: Ich bin ein Mensch, der sich gern auf neue Dinge einlässt. Als mir diese Funktion angetragen wurde, war ich Feuer und Flamme. Der erste Gedanke, der mich durchzuckt hat, als mir der Leiter der Schutzpolizei das Angebot unterbreitete, war: „Tolle Idee, kenn’ ich nicht, mach ich!“ Hinzu kommt, dass ich meinen Amtsvorgänger sehr schätze und ich felsenfest davon überzeugt bin, dass er mir ein sehr gut geordnetes Haus hinterlässt.

Gibt es etwas, von dem Sie sagen, „da muss ich ran“?

Nein, dafür ist es viel zu früh. Politikern gibt man 100 Tage. Ich bin kein Freund davon, Neuland zu betreten und mit markigen Worten zu sagen, wo es langgeht. Ich schaue mir die Dinge an, wäge ab und entscheide dann. Doch wenn schnelle Entscheidungen gefragt sind, werden sie natürlich getroffen.

Er war Langstreckenläufer, ist zweimal den Hamburg-Marathon gelaufen. Heute zieht er es vor, sich als Ausgleich handwerklich auf seinem Grundstück zu betätigen. „Ich packe gern an, baue gerade Treppen an einem Hang. Und Sie glauben gar nicht, welch meditative Wirkung dabei ein Betonmischer entfalten kann.“ Rehmke liest gern Krimis. Vorzugsweise von Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt. Zurzeit liest er Carola Christiansens Altona-Krimi „Die rätselhafte Frau“.

Früher fuhr Rehmke Motorrad – inzwischen hat er auf das Fahrrad umgesattelt. Er hat sich vorgenommen, seine niedersächsische Heimat mit dem Rad zu erkunden. Seine Frau hat Rehmke als Ersthelfer bei einem Fahrradunfall an der Ostsee kennengelernt. „Sie lag auf der Deichkrone. Ihr Fahrradhelm war zerbrochen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie keinen getragen hätte.“ Ein Fahrradhelm ist für Rehmke „ein absolutes Muss – schon allein als Vorbild für die Kinder.“ Mit seiner Frau teilt sich Rehmke das Hobby Inline-Skaten. „Sie hat mich schon einmal zu einem 100-Kilometer-Inline-Lauf gebracht. Ich habe tatsächlich bis zu Ende durchgehalten!“