Mode, Bekleidung, und mehr – eigentlich ist das Kaufhaus viel zu groß für Buxtehude. Warum es trotzdem zum Magnet geworden ist
Gut, in der Innenstadt von Hamburg, an der Mönckebergstraße – dort könnte man ein solches Haus in Zeiten wachsender Internet-Konkurrenz noch vermuten: 15.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, vor allem mit Bekleidung, Mode, Schuhen und auch Uhren oder Schmuck. Man schlendert durch die Abteilungen, immer wieder vorbei an kleinen, gediegenen Sitzgruppen mit Ohrensessel oder Ledersofa. Hin und wieder gibt es dann einen Caféhaus-Tresen und neuerdings in der Herrenabteilung sogar einen großen Billardtisch: eine Atmosphäre irgendwo zwischen Hotel-Foyer und Großstadt-Kaufhaus. Und das in der mittelalterlich anmutenden kleinen Altstadt von Buxtehude. Wie kann das sein?
Dieter Stackmann lächelt bei der Frage, die ihm schon so oft gestellt wurde. Der geschäftsführende Gesellschafter deutet auf eine Karte hinter seinem Schreibtisch. Dort sind mit dicker, schwarzer Schrift Kreise eingezeichnet, die sich wie die Blüten einer Blume um Buxtehude ziehen und zeigen sollen, woher die Stackmann-Kunden kommen. Ein großer Bogen reicht bis Neugraben, dann noch einer bis Harburg, ein weiterer bis in den Kern von Hamburg. „Eigentlich müssten wir von unserer Größe her in einer 150.000-Einwohner-Stadt zu Hause sein“, sagt er.
Buxtehude hat aber gerade einmal 40.000 Einwohner. Rund 80 Prozent der Stackmann-Kunden kommen daher von außerhalb. Doch wie konnte sich dieses „Modehaus“— wie sich das Unternehmen selbst bezeichnet — in der rauen Welt wechselnder Kundenströme, Amazon und Großstadt-Konkurrenz so halten und dabei immer in Familienhand bleiben – während anderswo oft nur noch Filialen oder seelenlose Center das Straßenbild bestimmen?
Stackmann-Vorfahr wollte eigentlich auswandern
Eine Antwort dazu findet man vielleicht in der Unternehmensgeschichte. Die Gelegenheit dazu bietet Stackmann derzeit selbst: In diesem Jahr wird das Geschäft 100 Jahre alt, was mit vielen historischen Fotos im Haus dargestellt wird. Und in diesem Jahr ist mit dem Sohn von Dieter Stackmann, mit Fabian Stackmann, zudem die inzwischen 4. Generation in die Geschäftsführung eingetreten.
Bei der Suche nach dem roten Faden wird man dann schon gleich am Anfang der Gründungsgeschichte fündig: 1849 war die Familie Stackmann aus Minden nach Buxtehude gekommen, dort hängengeblieben könnte man sagen. Denn eigentlich wollte sein Vorfahr nach Amerika auswandern, blieb dann aber an der Este. „Der Liebe wegen“, wie Dieter Stackmann erzählt. Die Stackmanns waren hier zunächst im Weinhandel tätig, betrieben den früheren Schützenhof. Der Wandel zur Mode kam schließlich durch Ernst Stackmann, der nach der Jahrhundertwende nach Berlin ging und in einem damals sehr bekannten Modehaus lernte und Karriere machte.
1919 schließlich eröffnete er in der heutigen Fußgängerzone seiner Heimatstadt ein kleines Manufaktur- und Modegeschäft, eines von vielen damals. „Das Wissen aus der Berliner Zeit verschaffte ihm aber einen Vorsprung“, erzählt sein Enkel heute. Ernst Stackmann orientierte sich an der Mode der Metropole und bot dies auch seinen Kunden. Während seinerzeit noch überwiegend Stoffe verkauft wurden, gab es bei Stackmann bereits die ersten, neuen vorgefertigten Kleider. Innerhalb von 20 Jahren schaffte es Ernst Stackmann mit seiner Frau Else, geborene Tiedemann, das Geschäft auf 1500 Quadratmeter zu vergrößern; in den 30er-Jahren gab es bereits 60 Angestellte.
Und es kamen die ersten Autos mit Kunden aus dem Umland, die hier wie eben in einer Großstadt einkaufen konnten. In dieser Zeit entwickelte sich der Anspruch, den schließlich nach dem Krieg mit Carl-Ernst die zweite Stackmann-Generation als Ziel formulieren sollte: „Wir müssen immer so aufgestellt sein, dass wir jederzeit genauso auch in der Mönckebergstraße aufmachen könnten“, zitiert Dieter Stackmann heute noch gern seinen Vater.
Dieser großstädtische Ansatz dürfte dann eine der Linien sein, die das heutige Stackmann noch prägen. Immer wieder und in den letzten Jahrzehnten auch in kürzerem Takt wurde das Haus dazu gewandelt.
Unmittelbar nach dem Krieg ging es aber zunächst noch darum, aus bescheidenen Quellen etwas machen zu können. Viele Flüchtlinge aus dem Osten waren seinerzeit in die Stadt gekommen, meist mit nur wenigen Habseligkeiten. Stackmann stellte sich darauf ein. Man konnte hier seinen einzigen Anzug „drehen“ lassen, die abgewetzte Seite nach innen drehen. Dann organisierte Stackmann aus Wehrmachtsbeständen Fallschirmseide und fertigte leichte Sommerbekleidung an. „Die halbe Stadt lief damals mit diesen S
achen herum“, erzählt der 72 Jahre alte Dieter Stackmann, der in dieser Zeit geboren wurde und Chef seit 2000 ist.
Bald schon prosperierte das Haus aber wieder dank Wirtschaftsaufschwung und Neubürgern: 1956 gab es nach den 30er-Jahren wieder einen größeren Anbau. Äußerlich noch prägnanter aber war gut zehn Jahre später die Überbrückung der Viverstraße und dann die Gestaltung mit einer weißen „modernen“ und vorgehängten Lamellen-Fassade. Ganz nach dem Geschmack der frühen 70er-Jahre kubisch, klar und als bewusster Gegensatz zum alten, verwinkelten Stadtbild. Vielen aus der Süderelberegion dürfte dieses Bild noch vertraut sein, genau wie die orangefarbenen Einkaufstüten aus Plastik, die dieses Fassadenbild stilisiert aufnahmen.
Die ständige Wandlung ist das Erfolgsrezept
Doch Zeiten ändern sich, langsam wurde der Charme der Altstädte wieder entdeckt, man restaurierte alte Häuser jetzt und riss sie nicht mehr ab. Und auch Stackmann baute um, entfernte die 70er-Jahre Konstruktion und ließ im Stil der neuen Zeit eine neue Backstein-Fassade entwerfen, die so aussieht, als wenn sie schon immer in einer alten, norddeutschen Stadt gestanden hätte. Nur vielleicht ein wenig größer jetzt.
Diese ständige Wandlung, die sich auch im Inneren des Modehauses immer wieder vollzieht, dürfte ein weiteres Erfolgsrezept sein. Nie hat man das Gefühl, in einem verstaubten Ambiente einer vergangenen Epoche einkaufen zu müssen. Und es gibt wohl noch einen Punkt, mit dem sich Stackmann von der starken Internet-Konkurrenz abzusetzen versucht und den mit dem 32-jährigen Fabian Stackmann nun die vierte
Generation im Auge behalten muss. Im Internet lässt sich bequem und schnell einkaufen.
Doch Service, Beratung, und das Erlebnis bleiben dabei auf der Strecke, wie er sagt. Es ist daher die Kompetenz der rund 350 Mitarbeiter, auf die hier Wert gelegt wird; für die Auszubildenden gibt es beispielsweise im Haus eine eigene Lehrerin. Warenkunde und Verkaufs-Psychologie sind Fächer, die auf dem Lehrplan stehen.
Und wer das Kunden-Magazin auf der Suche nach Anregung durchblättert, erkennt viele der dort abgebildeten Models nach längerem Draufschauen wieder. Es sind Stackmann-Mitarbeiter selbst, die dort professionell fotografiert Mode präsentieren. Was viel sagt über Stimmung und Zusammengehörigkeitsgefühl. Diese positive Grundschwingung schafft ganz offensichtlich auch bei Kunden eine starke Bindung. Immerhin 65.000 Haushalte aus der Süderelbe-Region besitzen eine „Stackmann-Karte“, das heißt, sie sind Stammkunden, sagt Dieter Stackmann. Und vielleicht ist das auch das eigentliche Fazit: Stackmann ist familiär geblieben, ohne provinziell zu sein. Ein großes Kaufhaus mitten in einer kleinen Stadt – das scheint tatsächlich heute noch zu funktionieren. Wenn man’s denn richtig macht.
Hinter den Kulissen
Immer wieder einmal will das Modehaus Stackmann in diesem Jahr mit besonderen Aktionen auf sein 100-jähriges Bestehen aufmerksam machen:
Der Freitag, 5. Juli, dürfte dabei vielleicht besonders spannend werden: Unter dem Namen „Stackmann inside“ bietet das Haus dann eine Betriebsführung, die auch hinter die Verkaufskulisse führt: Für die Veranstaltung von 11 bis 13 Uhr ist eine Anmeldung erforderlich: per Mail: kundencenter@stackmann.de oder per Telefon: 04161/5066-181.
Bei dieser Betriebsführung dürfte es dann auch um einige Zahlen gehen, die man so vielleicht nicht vermutet: 1,3 Millionen Artikel wurden 2018 zum Beispiel bei Stackmann verkauft. Täglich werden dort in der Logistik 200 Pakete angenommen, rund 1000 Lieferanten beliefern das Modehaus. Und was auch wenige wissen: Im eigenen Panorama-Restaurant wird noch selbst gebacken, jedes Jahr immerhin 3000 Waffeln. Nicht sichtbar, aber wirksam, ist der moderne Einsatz von Geothermie fürs Heizen und Kühlen mit speziellen Leitungen unter dem nahen städtischen Parkplatz. Immerhin 100 Tonnen CO2 spart das Haus pro Jahr damit im Vergleich zu einer herkömmlichen Energie-Erzeugung ein.