Hamburg. Den Harburger Wochenmarkt gibt es seit über 400 Jahren. Tradition gehört zu seinem Charakter – ebenso wie die stetige Veränderung.

Der „Sand“ wird nun umgestaltet, die Marktleute ziehen am Montag vor das Rathaus. Manche Geschäftsleute nehmen das zum Anlass, sich zu verabschieden. Andere hingegen halten dem Platz die Treue. So oder so – der Sand, wie wir ihn heute kennen, wird in der Bauphase und danach kaum wiederzuerkennen sein. Die Geschäftswelt im Umfeld ebenso wenig.

Nur wenige Jahre gab es „Alles für Selbermacher“ in Harburg. Seit einiger Zeit schon stehen die Räume der Filiale des in Bergedorf ansässigen Geschäfts für Stoffe, Kurzwaren und Geschenke am Harburger Sand leer. „Der Laden ist geschlossen. Wir sind weiterhin online und in Bergedorf für sie da“, steht in Rot auf einem handgeschriebenen Zettel an der Ladentür. Dass in die Geschäftsräume am Sand nochmal Leben einkehrt, ist nicht zu vermuten: Ende September beginnt der Abriss des Gebäudes. Dann entsteht eine moderne Seniorenresidenz.

Seit 70 Jahren gehörte Blumen Eicks am Sand zu Harburg. Jetzt ziehen die Inhaberinnen um. Sie eröffnen am 10. April ein neues Blumengeschäft in Buxtehude. Stammkunden sind erschüttert. „Man kann es leider nicht immer allen recht machen“, sagt Cindy Jahns-Tzeutschler, eine der Inhaberinnen, die den Laden mit Christiane Dammann am Sand 15 Jahre lang geführt hat. „Wir leben in Buxtehude. Deshalb werden wir dort neu eröffnen“, sagt Jahns-Tzeutschler. „Stil & Blüte“ heißt das neue Floristik-Geschäft in der Viverstraße 2. Für die Geschäftsräume von Blumen Eicks gibt es noch keinen konkreten Nachmieter.

Das „Movie Star“ ist eine der letzten Videotheken in ganz Hamburg, aber sie hält sich noch – trotz der Konkurrenz durch Streamingportale und Clipkultur. „Movie Star“ will auch während des Umbaus des Marktplatzes bleiben, und erst herausgehen, wenn – frühestens im Herbst – das Gebäude abgerissen wird. Die Geschäftsräume haben, so jung wie sie sind, eine lange Geschichte hinter sich: Einst wurden hier sogar Sportwagen der Marke Porsche verkauft. Hier befanden sich im Lauf der Zeit auch eines der zwei guten Schallplattengeschäfte Harburgs und nacheinander die Filialen von zwei Discounter-Supermarktketten. Rückblickend betrachtet hielt sich jedoch keines dieser Geschäfte so lange hier, wie die Videothek.

Wer feine, originelle Spezialitäten aus der Region gesucht hat, wurde im Genussladen Sohl am Sand garantiert fündig. Doch seit wenigen Tagen ist das kleine Geschäft geschlossen. Anne und Stefan Sohl orientieren sich beruflich neu. Neun Jahre lang haben die Inhaber das Geschäft mit Herzblut geführt – jetzt haben sie sich schweren Herzens davon getrennt. Gründe für die Schließung nennen die Beiden nicht. Nur so viel: „Einen neuen Genussladen wird es nicht geben“, sagt Stefan Sohl. In die Geschäftsräume soll ein Versicherungsmakler einziehen.

An der Bäckerei Schmacke am Sand führte für viele Harburger kein Weg vorbei. Seit einiger Zeit stehen die Räume leer. Das wird sich bald ändern. Ende April werden Gun und Murat Arslan hier eine neue Bäckerei eröffnen. Sie heißt „Desdina“ (kurdisch: zehn Welten) und wird türkisch-deutsche Spezialitäten anbieten. „Wir backen im Laden. Unsere Kunden werden im Unterschied zu traditionellen deutschen Bäckereien sehr viel warme Ware in unserem Verkaufstresen vorfinden“, sagt Gun Arslan. Schmacke-Kunden finden ihre Bäckerei weiterhin ein paar Schritte entfernt in der Filiale am Harburger Ring 32.

Das Juweliergeschäft Balhorn schließt. Nach 185 Jahren endet der Geschäftsbetrieb des Juweliers und Uhrmachers am Sand noch in diesem Jahr. Der Räumungsverkauf läuft: 30 bis 50 Prozent Nachlass gewährt Balhorn-Inhaber Claus Christian Rehwoldt. „Ein sehr großes Warenlager wird aufgelöst. Das geht nicht von heut’ auf morgen“, sagt Rehwoldt, der das Traditionshaus seit 32 Jahren führt. „Wir schließen, weil sich in Harburg die Kundschaft und die Kaufkraft geändert haben.“ Die Zeiten, in denen Kunden bei Balhorn im „Haus der Geschenke“ die Konfirmationsuhr für 18 Mark und eine Markenuhr für 2000 Mark erworben hätten, sind vorbei. Auch das Internet macht dem Einzelhändler Konkurrenz. Was aus den Geschäftsräumen wird, ist offen.

Es gibt nur wenige Restaurant-Treffpunkte in Harburg, die von sich überzeugend behaupten können, generationsübergreifend und für jeden Geschmack etwas anbieten zu können. Das „Southside“ am Sand gehört dazu. Vielleicht ist es sogar das Einzige in Harburg. Seit fest steht, dass das Gebäude am Sand, in dessen Obergeschoss sich das „Southside“ befindet, im Herbst einem Neubau weichen wird, sind die Tage des „Southside“ (ehemals Bolero) am Sand gezählt. Für Southside-Gastwirt Oliver Klühn steht fest, dass er an einem neuen Standort mit Außengastronomie in der Harburger Innenstadt wiedereröffnen wird. Es gibt bereits Ideen. Wo genau steht allerdings noch nicht fest.

Ja, auch sie gibt es: Die vielen kleinen Geschäfte und Restaurants, die trotz der aufwendigen Umbauarbeiten am Sand bleiben werden. Allen voran der Harburger Traditionsfischladen „Mimi Kirchner“ – mittags ein beliebter Treffpunkt zum Mittagstisch.


„Wir sind seit 1969 am Sand. Und wir bleiben da! Trotz Baustelle“, sagt Andrea Detlefsen, die Geschäftsführerin des Fischladens. Im Herbst feiert „Mimi Kirchner“, dessen erster Laden vor einer gefühlten Ewigkeit an der Pauluskirche in der Heimfelder Straße eröffnete, sein 100-jähriges Jubiläum – natürlich an angestammter Adresse.

Auch die vielen anderen angestammten Geschäfte wie Edeka oder Hamburgs erster Budnikowsky bleiben zunächst. Das Block House, Tchibo, die Damian-Apotheke, Optiker Fielmann, der Blumenladen Abitz und das Computer-Geschäft Alkon sind dort – neben anderen – ebenfalls weiterhin zu finden.