Viele Eltern geraten bei der Erziehung ihrer Kinder in die „Brüllfalle“. Elternberaterin Kerstin Läpple-Rodde hat ein Rezept für mehr Respekt.
Sie vergisst diesen Moment nie. Auch wenn er schon so viele Jahre zurückliegt. Ihr Sohn, heute 31 Jahre alt, war damals in der Pubertät. Und der Streit so heftig, dass ihr die Hand ausrutschte. „Bis heute fühle ich mich schlecht“, sagt Kerstin Läpple-Rodde. „Noch heute frage ich mich, warum ich nicht rechtzeitig die Bremse gezogen habe und gegangen bin.“ Es war das einzige Mal, dass ihr so etwas passiert ist. Doch die Pädagogin weiß, dass Situationen wir diese immer wieder kommen können. Dass sie zum Familienalltag gehören. Und dass Eltern allzu häufig in die Brüllfalle tappen.
Weil ihr die Eltern am Herzen liegen und die Kinder, hat sie sich vor einigen Jahren zur Elternberaterin ausbilden lassen. Sie hat Vorträge ausgearbeitet und Kurse entwickelt, in denen Eltern lernen, sich in Konfliktsituationen so zu verhalten, dass am Ende alle als Sieger daraus hervorgehen. „Wege aus der Brüllfalle – wenn Eltern sich durchsetzen müssen“ heißt ihr aktuelles Thema, zu dem sie am 27. März nach Buchholz einlädt.
„In der Erziehung ist Respekt und Gewaltlosigkeit oberstes Gebot“, sagt Kerstin Läpple-Rodde. „Aber was sollen Eltern tun, wenn Kinder nach fünfmaligem Bitten immer noch nicht reagieren?“ In solchen Situationen sei es schwer, ruhig zu bleiben. „Viele Eltern stellt die Erziehung vor große Probleme. In Alltagssituationen verlieren sie die Geduld, werden laut oder wenden sogar Gewalt an. Das Ergebnis solcher Eskalationen sind weinende Kinder und frustrierte Eltern, die sich wieder einmal als Versager fühlen“, so Läpple-Rodde.
Seit 30 Jahren arbeitet die Elternberaterin als Erzieherin
Die 52-Jährige weiß, dass so etwas nicht sein muss. Sie beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Erziehung. Mit 18 bekam sie ihr erstes Kind. Und weil ihr die gemeinsame Zeit so viel Freude bereitete, beschloss sie, Erzieherin zu werden. „Mein Wunsch war und ist es, Kinder auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten, sie zu stärken und ihnen das passende Handwerkszeug mit auf den Weg zu geben. “Kleine selbstbewusste Persönlichkeiten zu formen, Menschen, die an sich glauben und andere wertschätzen, das ist ihr Ziel, dem sie bis heute treu geblieben ist.
Als Erzieherin kümmert sie sich um die Drei- bis Sechsjährigen in der evangelischen Kita „Meckelfelder Kirchenmäuse“. Doch weil ihr die Arbeit mit den Kleinen nicht reicht, und weil sie weiß, dass Probleme oft durch unsichere Mütter und Väter entstehen, hat sie vor vier Jahren damit begonnen, ihren Fokus stärker auf diese zu legen. Unter dem Dach des Kinderschutzbundes im Landkreis Harburg gibt sie ihr Wissen weiter.
Eskaliert ein Streit, sollten Eltern den Raum verlassen
Ein Thema, dass sie in all den Jahren beschäftigt hat, ist das Verhalten von Eltern in Konfliktsituationen. Es geht um Verantwortung, das persönliche Auftreten und Konsequenz. Darum, dass sich ein Streit gar nicht erst so zuspitzt, dass ein Elternteil brüllen muss. Genau das sei immer wieder das Problem, so Läpple-Rodde. „Die Wut schraubt sich im Laufe einer Auseinandersetzung so sehr hoch, dass es am Ende laut knallt. Gelöst ist damit aber rein gar nichts.“
Um Eltern in dieser Situation zu helfen, hat sie Regeln zusammengestellt. Grundlage ist ein Film von Wilfried Brüning, der den Titel ihres nächsten Vortrages trägt: „Wege aus der Brüllfalle“. Wenn Kerstin Läpple-Rodde davon erzählt, wird deutlich, wie einfach eigentlich das ach so komplizierte Thema Erziehung sein kann.
„Wichtig ist, dass Eltern sich ihren Kindern gegenüber als Erziehende zu erkennen geben und nicht als gleichberechtigte Partner auftreten“, sagt sie. „Eltern und Kinder haben einen unterschiedlichen Entwicklungsstand. Mutter und Vater sind weder Freunde noch Partner ihres Nachwuchses.“ Wenn Eltern etwas von ihren Kindern wollen, sollten sie grundsätzlich den direkten Kontakt suchen, den Kindern in die Augen schauen, einfache, kurze Sätze verwenden und klar und sachlich bleiben. „Kein Befehlston, keine Konsequenzen ankündigen, die nicht eingefordert werden“, so die Elternberaterin.
Wenn der Streit sich weiter zuspitzt, sollten Eltern am besten die Situation verlassen, also aus dem Raum gehen. „Es wäre nicht richtig, dass Kind wegzuschicken und es auf diese Weise bestrafen zu wollen. Besser ist ein Break. Wir Eltern sitzen am längeren Hebel, sehen, wenn etwas schief läuft und haben jederzeit die Chance auszusteigen.“
Immer wieder erlebt die 52-Jährige Eltern, die sich durch das Verhalten ihres Kindes verletzt fühlen. „Kinder aber meinen es nie persönlich“, so Läpple-Rodde. Was sie Eltern aber zugesteht ist, dass diese ihre Gefühle zeigen. Betroffenheit, Enttäuschung, Traurigkeit gebe es auch bei Erwachsenen.
Viele Eltern sind überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder
„Eltern sind Vorbild ihrer Kinder. Sie sollten ihnen auch zeigen, wie man mit schlechten Gefühlen umgeht, denn die gehören zum Leben dazu.“ Künftig will Kerstin Läpple-Rodde auch als selbstständige Elternberaterin direkt in die Familien kommen. Weil sie festgestellt hat, dass Eltern immer wieder an Punkte kommen, wo sie hilflos sind und eine Gratwanderung beginnt zwischen Zuhören, Aggression und Gewalt. „Die Belastung der Eltern wird größer. Beide sind berufstätig und oftmals mit den vielen Aufgaben überfordert.“
Die Leidtragenden seien die Kinder. Um so wichtiger sei es, die Eltern dabei zu begleiten, ihren Alltag neu und weniger belastend aufzustellen. „Oft braucht es nur ein paar kleine Veränderungen, um gemeinsam besser zusammenzuleben“, sagt sie. „Wenn Eltern lernen, den Alltag zu erleichtern, profitieren am Ende die Kinder davon.“
Kinderschutzbund macht sich für Kinderrechte stark
Die Veranstaltung „Wege aus der Brüllfalle – Wenn Eltern sich durchsetzen müssen“ ist eine Veranstaltung des Deutschen Kinderschutzbundes - Harburg Land und findet unter dem Dach des Familienbüros Buchholz statt. Beginn des Themenabends am Mittwoch, 27. März, ist 19.30 Uhr in der Rathauskantine Buchholz.
Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) macht sich für die Kinderrechte in Deutschland stark. Er setzt sich dafür ein, dass Kinder in sozialer Sicherheit aufwachsen, vor Gewalt geschützt sind und einen kompetenten Umgang mit Medien lernen.
Der Verein setzt sich für eine kinderfreundliche Gesellschaft ein, in der die geistige, seelische, soziale und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gefördert wird. Dabei sollen diese an allen Entscheidungen, Planungen und Maßnahmen, die sie betreffen, beteiligt werden. Der DKSB wurde 1953 gegründet und besteht aus dem Bundesverband, 16 Landesverbänden sowie über 400 Ortsverbänden.
Im Landkreis Harburg ist der DKSB Harburg-Land seit 1991 tätig. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Persönlichkeit des Kindes zu schützen und Kinder und Jugendliche stark zu machen. In dem Verein sind angestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter mit sozialpädagogischer und psychologischer sowie therapeutischer Ausbildung und viel Erfahrung tätig. Die Beratungsstelle hat ihren Sitz in Buchholz, Neue Straße 13.
Expertin Kerstin Läpple-Rodde klärt Eltern nicht nur in Vorträge und Seminaren auf, sondern besucht als Elternberaterin auch Familien zu Hause. Kontakt per E-Mail an die Adresse Elbe.Elternberatung@gmail.com