Harburg. Das Archäologische Museum zeigt Bilder der Fotografin Yvonne von Schweinitz, die sie in Syrien und Afghanistan in den 50er Jahren gemacht hat.
Das Archäologische Museum Hamburg in Harburg zeigt ab morgen die Ausstellung „Syrien – Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit“. Die Bilder der Fotografin Yvonne von Schweinitz werden zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Die Aufnahmen dokumentieren ihre Reisen 1953 und 1960 in die Städte Damaskus, Homs, Hama und Aleppo sowie Kurzausflüge in die Wüstenoase Palmyra und ins Alawitengebirge. Von Schweinitz fotografierte überwiegend mit ihrer Rolleiflex-Kamera wie auch unterschiedlichen Kleinbildkameras die Entwicklung dieser Orte.
Die Fotografin wurde 1921 als Gräfin von Kanitz in Danzig geboren. Sie studierte Romanistik und Kunstgeschichte und war anschließend als Übersetzerin tätig. Ihr Interesse am Fotografieren wurde durch ihren Vater, der ihr eine Kamera schenkte, geweckt. Die erste große Reise unternahm sie 1952 nach Marokko.
Fotoreise durch den Nahen Osten und Afghanistan
Im darauffolgenden Jahr brach sie zu ihrer zweiten großen Fotoreise auf. Hierfür reiste sie mit dem Auto für sieben Monate von Zürich in die Türkei, Syrien, Jordanien, Israel, Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan. An ihrer Seite stand dabei der Schweizer Fotograf und Schriftsteller Hans von Meiss-Teuffen.
Die Bilder, die in Afghanistan entstanden sind, gelten heute ethnologisch als Raritäten und zeigen das Leben der Menschen und ihre Kultur, als es in diesem Land noch friedlich war. 1957 heiratete sie Viktor von Schweinitz. Die Künstlerin blieb weiterhin fotografisch aktiv und reiste so 1960 erneut nach Syrien, um weitere Fotos aufzunehmen. Mit ihrem Mann unternahm sie noch viele Reisen, die sie unter anderem in den Libanon, nach Thailand und Südamerika führten. Kurz vor ihrem Tod 2015 eröffnete von Schweinitz noch eine Ausstellung ihrer Afghanistan-Bilder im Willy-Brandt-Haus in Berlin.
Von Schweinitz vermittelt die syrische Lebensweise sowie die Darstellung des kulturellen Niederganges durch die vom Bürgerkrieg erschütterte, gewalterfüllte Situation des Landes. Auch die historische Bedeutung des Staates, welche einen großen Einfluss auf die Geschichte Mitteleuropas hatte, spiegelt sich in den 81 fotografischen Werken wieder. Begleitet werden die Ablichtungen von Texten, die Hintergrundwissen vermitteln.
Bücher mit Hintergrundwissen ergänzen die Fotografien
Die Aufnahmen zeigen das Land noch zu friedlichen Zeiten. Während Syrien im Jahr 1953 gerade sieben Jahre unabhängig von Frankreich war, war es 1960 Teil der Vereinigten Arabischen Republik. Seitdem kam es immer wieder zu Aufständen und Protesten, so dass es schon 1963 zu einem ersten Militärputsch kam. 2011 brach der Bürgerkrieg aus, der bis heute das Land beherrscht. Durch ihn wurden viele Teile des Landes zerstört, auch Unesco-Weltkulturerbe. Das Syrien, das Yvonne von Schweinitz 1953 und 1960 besucht hat, gibt damit Einblicke in ein Land, dass sich in den vergangenen acht Jahren durchgreifend verändert hat.
Mehr über die Entstehungsgeschichte können Besucher in einer Führung der Kuratoren Prof. Claus Friede und Mathias von Marcard erfahren. Die zwei Kuratoren sehen die Fotodokumentationen als Schätze an, denen man sich erst durch archäologische Mittel nähern konnte. Diese „archäologischen Fotos“ sollen die historischen Zeiten rekonstruieren. In einem Rundgang durch die Ausstellung können Kulturinteressierte von links nach rechts die fragmentarische Reise der Fotografin von Süden nach Norden des Landes im Laufe der Zeit miterleben. Dementsprechend gewinnt der Besucher über ein Satellitenbild Einblicke in verschiedenste Blickwinkel des Landes von 2011 über 2014 bis hin zu 2018, wo eine fast vollständige Zerstörung der Zivilgesellschaft auf den Fotos abgebildet ist. Die Städte gleichen einer Wüstenlandschaft, Straßen und Häuser sind kaum zu erkennen. Durch die zeitliche Aufeinanderfolge gewinnt der Betrachter ein Gefühl für das Ausmaß der Trümmer.
Das kulturelle Gedächtnis bleibt erhalten
„Die Ausstellung dokumentiert nicht nur schöne Bilder, sondern Fotografien, die etwas in den Herzen bewegen“, so Kurator Prof. Claus Friede. „Schöne Bilder ,plus’“ ergänzt Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss lachend. Wissen, Erfahrung und Erinnerungen fließen in die Fotografien mit ein. So ist die Rede von einer ethnologischen, kulturellen als auch einer Reise-Ausstellung mit einer aktuellen Komponente: die Flüchtlingssituation.
Demnach soll das weit verbreitete, hochpolitische Thema Migration in von Schweinitz’ Fotos Anklang finden. Sie zeigen die Geschichte von Heimat und Herkunft der Flüchtlinge. Syrien, ein Land mit einer jahrtausendealten Kultur war immer selbst ein Staat, der sich für Migranten einsetzte und sie auch vielfach aufgenommen hat. Verbindungselemente dieser Kultur und der deutschen sind auf den Werken der Fotografin sichtbar. „Der Verlust materieller Dinge zerstört nicht die immateriellen Dinge“, sagt Kurator Friede und unterstreicht das Fortbestehen des kulturellen Gedächtnisses, trotz des Ausnahmezustandes des Landes.