Kreis Harburg . Die SPD Kreistags-Fraktion will eine Medizinische Versorgungszentrum in Trägerschaft des Landkreises. Warum die Verwaltung das kritisch sieht.

Mit einem weitreichenden Vorschlag will die SPD im Landkreis Harburg den Mangel an Haus- und Fachärzten begegnen und damit die Wartezeiten auf Termine verringern. Ziel ist ein Medizinisches Versorgungszentrum, in dem Ärzte und Personal fest angestellt arbeiten sollen. Träger soll der Landkreis sein. Das für Niedersachsen neue Modell sollte dabei auf Landesebene abgesichert werden. Den Antrag an Landrat Rainer Rempe hat die Arbeitsgruppe, zu der die Kreistagsabgeordneten Tobias Handtke und Klaus-Wilfried Kienert zählen, bereits formuliert. „Wenn der Kreis zustimmt, könnte ein solche Zentrum innerhalb eines Jahres eingerichtet werden“, sagte Norbert Eckhardt, der in Hamburg seit 24 Jahren als Hausarzt niedergelassen ist.

Das neue Zentrum soll nach Handeloh

Nach einer Vorbereitung über zwei Monate hat die Gruppe jetzt erstmals Einzelheiten zu dem Modell vorgestellt. Danach könnte zunächst eine Vereinbarung mit einem Hausarzt getroffen werden, der vor dem Ruhestand steht. Der Kreis könnte übernehmen und einen weiteren Hausarzt dazu holen. Beide würden dann als Angestellte in der Praxis arbeiten. Als Standort verweist die SPD auf Tostedt oder Handeloh, wo nach eigenen Recherchen derzeit fast die Untergrenze für die Versorgung mit Hausärzten erreicht ist. „Das Versorgungszentrum muss dort angesiedelt werden, wo die Not am größten ist“, sagt Handtke, der Fraktionsvorsitzender der SPD im Landkreis ist.

Die Hintergründe für den Vorstoß sind vielfältig. So zeichne sich ein Trend ab, dass junge Ärzte lieber als angestellte Mediziner tätig werden als selbstständig eine Praxis zu führen, heißt es in der Begründung zum Antrag. Manfred Lohr, der sich als Mitglieder des Samtgemeinderates in Hanstedt und erfahrener Kommunalpolitiker der Gruppe angeschlossen hat, verweist darauf, dass Mediziner heute mit Blick auf ihre Familie häufig gern in Teilzeit und mit geregelten Arbeitszeiten tätig sein wollen. Dazu beurteilten viele junge Ärzte die Aufnahme langjähriger Kredite für eine Praxis-Übernahme eher zurückhaltend. In einem Versorgungszentrum wären die Ärzte zudem nicht mehr für die Bürokratie zuständig. „Die ufert immer mehr aus“, sagt Zahnarzt Kienert.

50 der gut 140 Hausärzte sind 60 Jahre und älter

Für den Landkreis Harburg spielt auch eine Rolle, dass mehr als ein Drittel aller Allgemeinärzte in den nächsten Jahren das Ruhestandsalter erreichen. Schon heute sind 25 Stellen nicht besetzt. 50 der insgesamt gut 140 Hausärzte sind 60 Jahre und älter – 29 von ihnen sogar über 65 Jahre alt. Mit dem steigenden Alter der Bevölkerung scheint zudem sicher, dass die Nachfrage nach medizinischen Versorgung überproportional zunehmen wird. Mit dem vorgeschlagenen Zentrum würden nach Auffassung der SPD künftig attraktive Arbeitsplätze im Landkreis angeboten, um den Bedarf decken zu können.

Als Beispiele für ein kommunales Ärztezentrum verweist der Volkswirt Lohr auf eine Einrichtung in Büsum. Dort haben sich im April 2015 mehrere Einzelpraxen zusammengeschlossen. Derzeit arbeiten dort sechs Ärzte mit zehn Medizinischen Fachangestellten und einer Fall-Managerin. Hauptziel dabei ist die langfristige Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung der Büsumer und der Urlauber an der Nordseeküste. Immerhin kommen zur Hochsaison bis zu 25.000 Gäste in den Ort mit rund 6000 Einwohnern.

Modell in Büsum schreibt schwarze Zahlen

Das Modell gilt als bundesweit erste kommunale Eigeneinrichtung ihrer Art. Das Gebäude gehört der Gemeinde, das Management liegt bei der Ärztegenossenschaft Nord. „Wir schreiben inzwischen schwarze Zahlen. Die Gemeinde muss keine Zuschüsse zahlen“, sagte Fall-Managerin Ruth Mengel.

Im Landkreis Harburg hat die Arbeitsgruppe der SPD inzwischen sowohl die Kassenärztliche Vereinigung als auch die Kreis-Krankenhäuser in Buchholz und Winsen sowie Reiner Kaminski, den Kreis-Sozialdezernenten informiert.

Klar ist für die Arbeitsgruppe: Die Betrachtung des Ärztemangels würde bezogen allein auf den Landkreis zu kurz greifen. Deshalb sei der Vorstoß lediglich ein erster, aber notwendiger Schritt, dem sich Bund, Länder, weitere Kommunen, Kassenärztliche Vereinigungen und Ärztevertretungen anschließen müssten. „Es ist an der Zeit, für einen Schritt nach vorn“, sagt Handtke.

Diskussion im Sozialausschuss am 15. Mai

Für die Politik im Landkreis wird der nächste Schritt nun voraussichtlich der Sozialausschuss am 15. Mai sein. Dort hat das Thema mit dem Vorsitzenden Klaus-Wilfried Kienert zwar einen wichtigen Befürworter. Dagegen sieht der zuständige Dezernent Kaminski das Projekt sehr kritisch. „Mit dem Zentrum greifen wir direkt in eine Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung ein“, sagt er. Bei der Standortwahl stehen wirtschaftlicher Erfolg und Bedarf in kleineren Orten im Zwiespalt. Außerdem sei es nicht sicher, ob man für solch eine Praxis mit öffentlich-rechtlichen Arbeitsverträgen Ärzte finden würde. „Viele legen Wert auf eine freiberufliche Tätigkeit.“ Zudem könne man als angestellter Arzt auch in privaten Praxen arbeiten.