Rosengarten. Im Verwaltungsgebäude startet die erste Bilderausstellung. Die Künstlerin Ursula Wiese kennen viele aus ihrer Schulzeit.

Bilder, wohin das Auge blickt. Im Windfang, im Flur, am Treppengeländer, über der Spüle und sogar über dem Gästeklo. Die Leinwände lehnen, liegen, stehen und hängen überall. Darauf eine Vielzahl an Motiven. Landschaften und nackte Körper, Fahrräder und Fische, Segelboote, Leuchttürme und Hühner auf der Stange. Hunderte Bilder hat Ursula Wiese über die Jahre gemalt und Dutzende davon an den heimischen Wänden aufgehängt.

Weiße Wände. Wohin das Auge blickt. Im Eingang, in den Fluren, im Gästeklo. Dutzende Quadratmeter unberührte Fläche. Und darüber unzählige Meter nagelneuer Bilderschienen. Bürgermeister Dirk Seidler hat sie montieren lassen, als der Neubau des Rathauses in Nenndorf so gut wie abgeschlossen war. Weil er, selbst leidenschaftlicher Fotograf, aus dem Verwaltungszentrum der Gemeinde Rosengarten einen Ort machen wollte, an den die Menschen auch dann kommen, wenn es keinen behördlichen Anlass gibt. „Ich möchte interessierten Künstlern – möglichst aus der Gemeinde – ein Forum für kreatives Schaffen bieten“, sagt Dirk Seidler. „Ziel soll es sein, das ganze Jahr über im Rathaus eine bunte Vielfalt von Künstlern und deren Werke zu präsentieren. Bürgern kann so eine kleine, interessante Ablenkung geboten werden, bevor sie ihren Termin im Rathaus wahrnehmen.“ Aber auch Kunstinteressierte seien herzlich eingeladen, sich in den Fluren des neuen Verwaltungszentrums umzusehen, so Seidler.

Der Bürgermeister ist begeisterter Hobbyfotograf

Genau das können sie in den kommenden Wochen tun. Am Freitag eröffnet die erste Ausstellung im Nenndorfer Rathaus. Die Künstlerin selbst kommt aus dem Ort, heißt Ursula Wiese, und könnte mir ihren Bildern nicht nur die Rathausflure, sondern auch sämtliche Dienstzimmer des Neubaus füllen. Und weil sie thematisch so vielfältig und bunt arbeitet, hat sie darauf verzichtet, der Veranstaltung einen Namen zu geben. „Malerei“ steht auf den Plakaten, die die Ausstellung ankündigen. Und der Name der Künstlerin: Ursula Wiese. Mehr nicht.

Dabei lohnt es sich, etwas über diese Frau, die ihr Leben der Kunst verschrieben hat, zu erfahren. Geboren wurde die Malerin in Flensburg, aufgewachsen ist sie in Kiel. Es ist eine Kindheit am Meer, geprägt von der Weite der Ostsee und dem nordischen Himmel mit seinen vielen Gesichtern. Wie tief diese Erinnerungen sitzen, lässt sich in ihren Bildern noch heute erahnen. Nach dem Schulabschluss macht Ursula Wiese Ende der 1960er Jahre eine Ausbildung in der örtlichen Sparkasse. Doch sie spürt, dass ihr dieser Beruf nicht reichen wird.

Als Kunstlehrerin eröffnete sie Problemschülern neue Wege

Also studiert sie auf dem zweiten Bildungsweg Lehramt mit dem Schwerpunkt Kunsterziehung. Ihr erster Arbeitsplatz ist eine Grund- und Hauptschule in Kiel. „Eine große Herausforderung war das“, sagt sie. „Aber auch eine große Chance. Es gab viele problematische Kinder, denen der Kunstunterricht ganz neue Wege eröffnet hat.“ Als Lehrerin versucht sie, ihren Schülern zu vermitteln, dass jedes Bild schön sein kann. Und dass sie Erfolge haben können – auch als Hauptschüler.

1990 zieht sie mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern nach Nenndorf. Und bringt die Begeisterung für die Kunst mit. Regelmäßig lädt sie Kinder aus der Nachbarschaft zum Malen in ihr Wohnzimmer ein, lässt sie mit Farben experimentieren und organisiert kleine Ausstellungen im Ort. Gleichzeitig unterrichtet sie an der Grundschule in Ashausen.

„Die Arbeit war mir ungeheuer wichtig“, sagt die pensionierte Lehrerin. „Ich habe meine Schüler alle geliebt und mich unglaublich reingekniet. Ich war eine richtige ‘Klassenmama’.“ Auch hier steht der Kunstunterricht über allem. Sie lässt die Kinder probieren, was ihnen gefällt, setzt unzählige eigene Ideen um. „Nur an die vorgegebenen Regeln habe ich mich nicht gehalten“, sagt sie. „Mir war es wichtig, dass die Kinder Freude haben am eigenen Tun. Sie sollten stolz sein auf das eigene Ergebnis, den Erfolg ihrer Bilder spüren.“

Doch sie will nicht nur, dass die Kinder an der Kunst wachsen. Auch ihre eigene Kreativität soll sich in der Malerei wiederfinden. Also besucht Ursula Wiese nebenbei Aquarellkurse an der Volkshochschule, lässt sich bei der Hamburger Künstlerin Gisela Maack weiterbilden und lernt seit vielen Jahren bei der Malerin Marianne Elliott-Schmidz vom Kunsthaus Schenefeld. „Wer meine Bilder betrachtet, sucht vergeblich nach einem roten Faden“, sagt sie. „Stehe ich vor der Leinwand, habe ich mich nicht immer für ein Motiv festgelegt. Je nach Inspiration, Stimmung, Eindrücken und Gedanken entwickeln sich meine Bilder während des Malprozesses.“ Um Neues entstehen zu lassen, experimentiert die Nenndorfer Künstlerin immer wieder mit Farben, Pinseln, Spachteln, Lappen, Händen und auch mit dem Einfügen von bildfremdem Material.

Ihre Motive entwickeln sich während des Malprozesses

Die Themen ihrer Bilder sind so vielfältig wie die Techniken, die sie anwendet. Sie zeigen blühende Rapsfelder, den Himmel und das Meer, Segelboote und Strandkörbe, Räder und Menschen, Blumen und Obst, Konkretes und Abstraktes wechseln einander ab.

Die schönsten Bilder hat sie zuhause aufgehängt oder bei Freunden und Bekannten untergebracht. Von einigen Werken hat sie sich in den 16 Ausstellungen, unter anderem in der Bücherei Buchholz, im Rathaus Neu Wulmstorf, in der Dibbersener Mühle, im Kulturhaus Alte Apotheke Schönberg und im Freya-Frahm-Haus in Laboe, dann doch getrennt.

Doch um den Verkauf ihrer Kunst geht es ihr letzten Endes gar nicht. „Eigentlich möchte ich jedes meiner Bilder am liebsten behalten“, sagt die Nenndorfer Künstlerin. „Ich stelle sie nicht aus, um Geld zu verdienen, sondern vor allem, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“