Harburg. Im Binnenhafen liegt die „Großherzogin Elisabeth“ im Dock. Warum der Schulschiffverein sein Schiff nach Harburg gebracht hat.
Die „Großherzogin Elisabeth“ hat schon unruhige Zeiten erlebt. 1909 als „San Antonio“ vom Stapel gelaufen, gestrandet, gekentert und wieder flott gemacht. Als Küstenmotorschiff unterwegs und ihrer Masten beraubt, zurückgebaut und wieder unter Segeln mit Passagieren auf Fahrt, Ausbildungs- und Internatsschiff für angehende Schiffsmechaniker.
Einer von ihnen war Johannes Reifig. Als junger Mann bezog er 1987 eine Kammer an Bord. Heute ist der 51-Jährige einer der Kapitäne des Drei-Mast-Gaffelschoners und zudem Präsident des Eigners, des Elsflether Schulschiffvereins, der sich nach dem Schiff benannt hat. „Ich habe“, sagt er, „dem Schiff immer die Treue gehalten.“
Jetzt hat Reifig zusammen mit Kapitän Nico Krumbeck, der auf der Segeltörn von Elsfleth nach Hamburg am Steuer stand, die „Großherzogin“ zu Rudolf Sommerfelds Jöhnk Werft nach Harburg gebracht. Zudem sind weitere Mitglieder des Vereins an Bord, die bei den geplanten Wartungsarbeiten voraussichtlich bis Sonntag, 17. März, dabei sein wollen. Langsam über Stunden läuft jetzt das Wasser aus dem Trockendock ab, in dem der Segler liegt.
Der Präsident nimmt sich Zeit für einen Rundgang
„Die Werft hat ein gutes Angebot vorgelegt und hatte Kapazitäten frei,“ erklärt Reifig die Wahl der Hamburger. Zu Hause, bei der durch die Sanierung der „Gorch Fock“ in die Schlagzeilen geratenen Elsflether Werft, war schlicht kein Platz frei, um das Schiff aufs Trockene zu ziehen. „Mit der Arbeit dort waren wir aber immer sehr zufrieden.“
Es ist Mittag. Aus der voll ausgestatteten Küche reicht Koch Uwe Märker Hacksteaks hinaus. Die Mannschaft sitzt an den Tischen in der Messe. Aber Kapitän Reifig nimmt sich trotzdem gut eine Stunde Zeit für einen Rundgang über das Schiff.
Es geht nach achtern, wo ein hölzernes Rad noch den alten Steuerstand markiert. Nur, dass das nun aufgesetzte Deckshaus für Messe und Küche dem Blick nach vorn verstellen würde. Die Brücke ragt nun aufgesetzt über den Aufbau hinweg. Voll verkleidet und mit modernen Equipment versehen. Zwar ist auch hier ein Steuerrad montiert, die Technik an Bord ist natürlich nicht im frühen 20. Jahrhundert stehengeblieben. „Im Original erhalten ist dagegen der Kapitänssalon mit Sitzecke“, sagt der Vereins-Präsident und nimmt mit Kapitän Krumbeck fürs Foto auf dem Sofa Platz.
Ausbildungsfahrten für Kadetten der Aida-Reederei
Der 1982 gegründete Schulschiffverein hat das Schiff 1993 nach einem Brand auf der Elsflether Werft vom Landkreis Wesermarsch übernommen und setzt es, seit es als Wohnraum für die angehenden Schiffsmechaniker nicht mehr gebraucht wird, neu ein. Zu den Kunden gehört die Jade Hochschule für Nautiker, die zweimal im Jahr für 14 Tage Ausbildungsfahrten absolvieren lässt. Aber auch die Aida-Reederei bucht das Schiff drei bis vier Wochen im Jahr für ihre jungen Kadetten, die gleich zu Beginn ihr Lehrzeit Seefahrt-Erfahrungen sammeln sollen – einschließlich des Segelsetzen auf den Masten, die erst 33 Meter über der Meeresspiegel enden.
Mitsegler zahlen 125 Euro pro Tag
Entscheidend für den Erhalt des Seglers sind jedoch vor allem die Beiträge der 800 Vereinsmitglieder und die Einnahmen aus den Fahrten für alle, die einmal ein Seefahrt hautnah erleben wollen. „Wir haben keine Passagiere, die Menschen segeln mit“, erklärt Reifig. Dafür zahlen sie – alles inklusive – 125 Euro pro Tag.
Im Herbst und Frühjahr geht es bei Wochenendfahrten zumeist Richtung Helgoland, im Sommer zum Törns in Nord- und Ostsee. Untergebracht sind Stammcrew und Enthusiasten in einer der 59 Kojen an Bord, zu zweit in Etagenbetten. Die Kammern sind zwar nicht luxuriös eingerichtet, aber praktisch mit Schränken und Abstellflächen und jeweils einem kleinen Bad. „Wir können das Schiff so ohne öffentliche Zuschüsse finanzieren“, versichert der Vereins-Präsident.
Verein rechnet mit Kosten von 20.000 Euro
In Harburg, auf der für individuelle Reparaturen spezialisierten Jöhnk Werft, steht nun nur eine eher kleinere Wartung an. Eingebaut werden soll eine neue Dichtung an der Propellerwelle, der Rumpf soll in Rot mit Spezialfarbe gegen Bewuchs gestrichen und an 250-Messstellen geprüft werden, wie weit die stählerne acht Millimeter dicke Außenwand abgerostet ist. Reifig rechnet mit Kosten von rund 20.000 Euro. Durchschnittlich plant der Verein für Wartungen außerhalb größerer Reparaturen jährlich 60.000 Euro ein.
Die Jöhnk Werft hat Erfahrung mit Seglern. „Vier bis fünf kommen pro Jahr zu uns“, sagt Werft-Eigner Sommerfeld. Meist sind es Traditionsschiffe aus dem Hamburger Hafen, die ebenfalls Fahrten anbieten. Dazu kommen Fahrgastschiffe für Rundfahrten im Hafen, Binnen- und Küstenmotorschiffe. „Auftragslücken kann ich mit Schiffen aus meiner eigenen Binnenschiffsflotte füllen“, sagt Sommerfeld zur Strategie. Über die Auslastung des Harburger Betriebs mit einem Jahresumsatz von 1,5 Millionen Euro mache er sich „null Sorgen.“
Sommerfelds Firmenhauptsitz ist jedoch Buxtehude. Von dort steuert er seit 28 Jahren sein BKS Binnenschifffahrtskontor mit 25 Frachtern. Nach seinem Studium war der Schiffstechniker zunächst für die TT-Reederei zuletzt als leitender Ingenieur auf der Fähre „Peter Pan“ gefahren. Danach wechselte er zum Schiffsmotoren-Hersteller MTU ging für den Konzern bis nach Südkorea und Shanghai. Letzte Station des heute 73-Jährigen vor der Selbstständigkeit war Alfa-Laval in Glinde.
Werfteigner würde Standort gern weiter entwickeln
Die Binnen-Reederei übernahm er schließlich von einem Freund. Seine Schiffe bringen Baustoffe und Getreide nach Harburg. „Wir waren also häufig vor Ort und sind so Kunde der Werft geworden“, erklärt Sommerfeld. Heute werden jährlich zwei Millionen Tonnen verladen. Der Erlös von BKS liegt zwischen zwölf und 13 Millionen Euro.
Zum Werftchef wurde Sommerfeld, als der Schiffbauer 2006 einen Insolvenzantrag stellen musste. Der Unternehmer stieg ein, zunächst als Pächter vom Eigentümer Walter Jöhnk. Seit gut vier Jahren gehört ihm nun die Anlagen auf dem 4500 Quadratmeter große Gelände, auf dem derzeit zehn eigene sowie noch einmal zehn bis 15 Mitarbeiter von anderen Firmen beschäftigt sind. Chancen auf einen Job haben dort derzeit Handwerker mit Schiffbau- und Reparaturerfahrung.
Geplant sind Wohnungen und ein Bürogebäude
„Wir würden unseren Standort gern weiter entwickeln“, sagt Sommerfeld. Dazu aber reicht ihm sein Pachtvertrag bis 2021 plus zehn Jahren nicht. Sein Ziel: Auch das Grundstück kaufen und mit weiteren Interessenten investieren. Bis zu 40 Millionen Euro wären möglich Geplant sind ein neues Bürogebäude, Wohnungen am Ufer der Landzunge und die Ansiedlung von Gewerbe. Nur: Bislang hat sich der Schifffahrt- und Schiffbauexperte über Jahre hinweg nicht mit dem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen einigen können. „Wir sind in Gesprächen zur Vergabe der Flächen“, bestätigte Claas Ricker, der Sprecher der zuständigen Finanzbehörde. Zu den laufenden Verhandlungen wollte er sich aber nicht äußern.
Bei Sommerfeld schwingt inzwischen schon Frust mit. „Wenn wir mittelfristig kein Ergebnis erzielen können , wäre es eine Option, die Werft zu schließen.“ Schade wäre das schon. Nicht nur für Segler wie die „Großherzogin Elisabeth“, sondern auch für den Binnenhafen. Denn die Jöhnk Werft hat unter seiner Regie, wie Sommerfeld versichert, „noch nie rote Zahlen geschrieben.“