Hamburg. In Harburg hat eine neue Praxis für Kinder- und Jugendmedizin eröffnet. Das Angebot soll bestehende Einrichtungen entlasten.

Der Bezirk Harburg hat eine neue Kinderarztpraxis. Sitz der Geschäftsräume ist das neue Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) auf dem Gelände der Helios Mariahilf Klinik. Die Praxis soll die Lücke in der kinderärztlichen Versorgung in Harburg schließen.

Wie berichtet, hatten sich in der Vergangenheit immer wieder Eltern beschwert, die für ihr Kind keinen Platz beim Pädiater finden konnten. Kinderärzte in Harburg hatten zudem Alarm geschlagen: Die Praxen seien überlaufen, die Belastungsgrenzen erreicht. Neuaufnahmen waren vielerorts nur bei Neugeborenen möglich. Um den steigenden Bedarf zu decken, richtete die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KV) vier neue Kassensitze ein – einen davon für den Bezirk Harburg.

Jetzt hat die neue Praxis offiziell eröffnet. Leitender Arzt und Ansprechpartner für alle kleinen Patienten und ihre Eltern ist Kinderarzt Sufyan Abdulhadi. Der in Lybien geborene Mediziner arbeitet seit 2014 als Oberarzt der Kinder- und Jugendmedizin in der Helios Klinik Mariahilf. „Ich freue mich sehr, dass ich die Leitung der Praxis übernehmen darf“, sagt der 37-Jährige, der bislang als Facharzt vor allem auf der Kinderintensiv- und der Frühgeburten-Station im Einsatz gewesen ist und im erst Dezember die Stelle eines Oberarztes übernommen hatte.

Praxis soll für Entlastung sorgen

„Ich wollte mich immer schon niederlassen“, sagt er. „Nun kann ich mit der Praxis im MVZ meinen Traum erfüllen.“ Der Facharzt der Pädiatrie wird künftig sowohl auf Station der Klinik als auch in der Praxis tätig sein. Ob er diesen Spagat zwischen Praxis, Intensivstation und Notaufnahme dauerhaft bewältigen kann, wird sich zeigen.

Helios Mariahilf-Geschäftsführer Phillip Fröschle zeigt sich erfreut, dass mit Sufyan Abdulhadi nun ein zusätzlicher Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin für Harburg tätig ist. „Immer wieder sind auch in der Klinik Eltern an uns herangetreten und haben um Unterstützung bei der Kinderarzt-Suche gebeten“, so Fröschle. „Umso mehr freut es mich, dass man den neuen Kinderarzt jetzt bei uns auf dem Klinikgelände findet und wir damit unseren Beitrag zu einer wohnortnahen Versorgung der kleinen Patientinnen und Patienten leisten können.“

Zwei kleine Patienten spielen im Wartezimmer der neuen Kinderarztpraxis im MVZ-arGon auf dem Helios-Gelände.
Zwei kleine Patienten spielen im Wartezimmer der neuen Kinderarztpraxis im MVZ-arGon auf dem Helios-Gelände. © HA | Kastendieck

Für die niedergelassenen Kinderärzte in Harburg wird die neue Praxis im MVZ zunächst eine Entlastung des eigenen Betriebs bringen. „Wir hätten uns jedoch gewünscht, dass sich ein niederlassungsinteressierter Facharzt auf den Kassensitz bewirbt“, sagt Stefan Renz, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Hamburg. Denn die Effektivität eines MVZs sei in der Regel geringer als in einer inhabergeführten Praxis.

"Hochwertige Rundum-Versorgung von Kindern"

Doch auf den von der KV im Frühjahr vergangenen Jahres ausgeschriebenen Sitz für Harburg gab es offenbar nur einen einzigen Bewerber: die MVZ-arGon GmbH, ein Unternehmen der Helios-Gruppe. „Insofern begrüßen wir zunächst, dass es jetzt mit der Praxis eine neue Anlaufstelle in Harburg gibt“, so Renz weiter. „Dass der Kassensitz jedoch an Helios gegangen ist, bedaure ich. Wenn die Kassensitze vermehrt an die MVZs der großen Klinikkonzerte gehen, wird die Medizin unpersönlicher, häufig wechselnde Ärzte und eine fehlende Kontinuität werden die medizinische Versorgung verschlechtern“, so die Sorge des Kinderarztes.

„Die Nähe zu unserer Klinik ermöglicht eine qualitativ hochwertige Rundum-Versorgung von Kindern und Jugendlichen“, findet hingegen Klinik-Geschäftsführer Phillip Fröschle. Wer künftig vom Kinderarzt an die Klinik überwiesen werde, könne mit kurzen Wartezeiten und einer eng abgestimmten Vor- und Nachbehandlung rechnen.

Doch bis der Praxisbetrieb mit festen Sprechzeiten anläuft, müssen sich die Harburger noch ein wenig gedulden. „Derzeit nehmen wir Patienten nur nach Voranmeldung“, sagt Kliniksprecherin Lisa Klauke-Kerstan. „Feste Sprechzeiten werden wir jedoch in Kürze einrichten.“ Geplant ist, dass die Praxis voraussichtlich montags bis freitags von 7.30 bis 12.30 sowie von 13.30 bis 17 Uhr geöffnet sein soll. Dienstag- und Freitag-Nachmittag soll die Praxis geschlossen bleiben. „Dafür bieten wir – anders als die anderen Kinderarztpraxen – am Mittwochnachmittag eine Sprechstunde an“, sagt Sufyan Abdulhadi.

Der neue Kinderarzt spricht vier Sprachen

Unklar ist derzeit auch, ob die Praxis in den frisch renovierten Räumen der ehemaligen Entbindungsstation im ersten Stock des Altbaus bleibt oder ins Erdgeschoss verlegt wird. Das hängt auch davon ab, welche weiteren Angebote ins MVZ ziehen werden.

Das neue Medizinische Versorgungszentrum befindet sich im Altbau auf dem Gelände der Helios Klinik Mariahilf und soll neben einer Kinderarztpraxis künftig noch weitere Praxen beherbergen.
Das neue Medizinische Versorgungszentrum befindet sich im Altbau auf dem Gelände der Helios Klinik Mariahilf und soll neben einer Kinderarztpraxis künftig noch weitere Praxen beherbergen. © Hanna KastendiecK

Geplant ist unter anderem ein internistisches Angebot. Bereits im Gebäude sitzt die Hämato Onkologie Hamburg von Prof. Laack und Partner. „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Kliniksprecherin Lisa Klauke-Kerstan. „Vieles ist derzeit in der Entwicklung.“ Sufyan Abdulhadi stört das nicht. Er hat seine Arbeit bereits aufgenommen und freut sich über die medizinischen Möglichkeiten im MVZ. „Angefangen bei den U-Untersuchungen, über Impfungen bis hin zu Entwicklungs- und Allergie-Tests sind wir für unsere kleinen Patienten da. Dabei stehen uns moderne Diagnoseverfahren wie Ultraschall und EKG zur Verfügung.“

Darüber hinaus sei es praktisch, dass sich die Praxis auf dem Klinikgelände befinde, da so ein schneller Austausch möglich sei. „Wir können Patienten bei Bedarf direkt auf Station einweisen“, so der Arzt. Dort ist Abdulhadi, der 2008 mit einem Medizinstipendium nach Deutschland gekommen ist und bis 2014 als Assistenzarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Oldenburg tätig war, so etwas wie ein „Superstar.“ Er hat in Tripolis und Kairo studiert, spricht vier Sprachen und ist auch als Dolmetscher immer wieder in der Klinik gefragt. „Wir behandeln hier Kinder aus den unterschiedlichsten Kulturen“, sagt der Pädiater. „Es sind überwiegend ausländische Patienten. Da ist es hilfreich, wenn man mehr als eine Sprache spricht. So kann ich den besorgten Eltern in ihrer eigenen Muttersprache die Ängste nehmen.“

Fünf Jahre will der Arzt aus Lybien, der in Meckelfeld zu Hause ist, voraussichtlich noch in Deutschland tätig sein. Dann plant er mit seiner Frau und den beiden Kindern zurück in die Heimat zu gehen. Weil er die Familie vermisst und das Mittelmeer. Und weil er weiß, dass in dem von Krieg und Terror gebeutelten Land gute Ärzte wie er dringend gebraucht werden. Doch erstmal liegt der Fokus auf seiner neuen Praxis. „Wir fangen gerade erst an“, sagt der Facharzt. „Und wir nehmen noch Patienten auf!“ Anmeldungen sind ab sofort unter Tel. 040/79006-499 möglich.