Hamburg. Die Schülerzahlen steigen, doch es fehlen Pädagogen. Der Weg über die Elbe ist den meisten Hamburger Lehrern zu weit.

Für die Grundschule „Kersche“ könnte alles so schön sein, endlich. Am neuen Standort an der Baererstraße fühlen sich alle wohl, Schüler, Lehrer und Eltern. Und zwar so wohl, dass für sie längst feststeht: Hier bleiben wir. Ursprünglich sollte diese frühere Heimat der Sprachheilschule nur eine Zwischenlösung sein. Nach drei Jahren sollte die „Kersche“ erneut umziehen – zum Soldatenfriedhof, bis vor kurzem Standort der Lessing Stadtteilschule. Diese ist umgezogen zum Hanhoopsfeld.

Es könnte also Ruhe einkehren. Doch jetzt plagen Elternrat und Schulleitung zunehmend andere Sorgen: Es finden sich kaum Lehrer, die in Harburg unterrichten wollen. Darunter leidet auch die „Kersche“. Zumal die Schülerzahlen steigen. Bei Schulleiterin Banu Graf wächst allmählich die Panik: „Die Frage ist: Wie starte ich ins neue Schuljahr?“

Sieben von 40 Lehrern haben nur Lehraufträge

Dass sie Lücken in ihrem Team stopfen muss, gehört für die Schulleiterin – wie für die meisten ihrer Kollegen – längst zum Alltag. Zuletzt hatte es mit Beginn des laufenden Schuljahres bundesweit einen lauten Aufschrei gegeben. Unter anderem prangerte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft akuten Lehrermangel an. Der Lehrerverband sprach von 10.000 Stellen, die in Deutschland unbesetzt und von weiteren 30.000, die nur notdürftig besetzt seien.

Was das heißt, weiß Schulleiterin Graf nur zu gut. Sie macht es wie alle: Sie vergibt zeitlich befristete Lehr­aufträge – an Quereinsteiger oder angehende Lehrer mit erstem oder zweitem Staatsexamen, die auf ein Referendariat hoffen. Sieben Kollegen aus ihrem knapp 40-köpfigen Team sind aktuell solche „Lehrauftragsnehmer“.

Doch die Situation spitzt sich weiter zu. Schon jetzt steht fest, dass die Grundschule nach den Sommerferien erstmals vierzügig ins neues Schuljahr startet – mit dann gut 380 Schülern. Deshalb sucht Graf dringend mindestens acht weitere Lehrer. Weil die kaum zu finden sind, meldet sich jetzt auch der Elternrat zu Wort. Er wirbt für die „Kersche“ als idealen Arbeitsplatz: „Kinder, Lehrer, Schule, alles ist toll hier“, sagt Vorsitzende Bettina Waltemode. Ihre Vorstandskollegen Britta Braun und Bilal Gecgel können nur beipflichten – und führen als Beleg die Ergebnisse der jüngsten Schulin­spektion vom Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung, einem Dienstleistungszentrum der Hamburger Schulbehörde, an.

Schulinspektion: Qualität der „Kersche“ ist vorbildlich

„Die Schule Kerschensteinerstraße gehört hinsichtlich der Qualität ihrer pädagogischen Angebote zu den leistungsstarken Hamburger Grundschulen“, heißt es in dem Bericht. Ein Lob, das nach Ansicht des Elternrates besonders ins Gewicht fällt, weil die „Kersche“ als sogenannte KESS-1-Schule gilt, also in einem Umfeld mit hoher sozialer Belastung arbeitet. Fokussierung auf den Ganztag, Zusammenarbeit mit den Eltern, Führungsstil, Motivation der Belegschaft – alles top, sagt auch die Schulinspektion.

Und trotzdem mangelt es an Lehrern, die hier unterrichten wollen. „Ihnen ist der Weg zu weit, sie scheuen die Fahrt über die Elbe“, sagt Banu Graf. Ihre Türen stehen sperrangelweit auf: „Bei uns kann jeder hospitieren und sich selbst einen Eindruck verschaffen.“ Eine Mail an sie reicht (banu.graf@bsb.hamburg.de).

„Wer mal bei uns war, ist immer begeistert“, sagt die Schulleiterin. Doch dauerhaft hier arbeiten? Das komme für die meisten doch nicht infrage. Deshalb verspricht sie: „Wir tun alles, um es den Kollegen zu erleichtern.“ Wer nicht weiß, wohin mit dem eigenen Kind, wenn nachmittags Konferenzen anstehen: „Kein Problem, wir kümmern uns um die Betreuung.“

Neuer Name für die „Kersche“

Die „Kersche“ hat einen neuen Namen. Seit dem 1. Februar heißt die Schule Kerschensteinerstraße nun Georg-Kerschensteiner-Grundschule. Mit dem Umzug von der namensgebenden Kerschensteinerstraße an die Baererstraße 81 im Sommer 2017 war auch die Diskussion um den Namen aufgekommen.

Die Lösung war schnell gefunden und soll mit einem großen Schulfest in würdigem Rahmen besiegelt werden: Am Freitag, 12. April, beginnt um 18 Uhr in der Friedrich-Ebert-Halle das Namensfest samt Show.