Im Job Chef, im Ehrenamt Teil des Teams: Gartencenter-Boss Carsten Matthies und Superintendent Dirk Jäger im Einsatz für die Feuerwehr.
Wenn in Hittfeld tagsüber der Feueralarm losgeht, sind zwei Männer oft als Erste am Gerätehaus: Superintendent Dirk Jäger und Gartencenter-Chef Carsten Matthies. Für die beiden zählt dann nicht mehr, welche wichtige berufliche Sitzung gerade ansteht oder was im Geschäft passiert. Sie schlüpfen einfach in ihre roten Anzüge, springen ins Löschfahrzeug und sind nur noch Dirk und Carsten, die Feuerwehrmänner.
„Ich hätte auch bei den Rotariern mitmachen können“, sagt Dirk Jäger. Der humanitäre Einsatz des Clubs sei ja ebenso ehrenwert und der zeitliche Aufwand außerdem viel geringer. Trotzdem kam das für ihn nicht in Frage, als er vor vier Jahren entschied, der Gesellschaft etwas in Form von freiwilligem Engagement zurückgeben zu wollen.
Seine Wahl fiel stattdessen auf die Feuerwehr, was sicherlich auch daran lag, dass ihm als ausgebildeter Notfallseelsorger die Arbeit der Kameraden nicht ganz fremd war. „Ich gebe zu, ein bisschen war es vielleicht auch einer Art Midlife-Crisis geschuldet, dass ich mich noch mal in etwas ganz Neuem beweisen wollte“, räumt der 55-Jährige ein.
Wie auch immer, seit 2015 ist Jäger neben seiner Arbeit als Superintendent des Kirchenkreises Hittfeld auch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Er musste den Feuerwehrknoten neu erlernen und die regulären Lehrgänge besuchen – eine Extrawurst gab es für den Herrn Superintendenten in seiner Ausbildung nicht. Da sonnabends und sonntags die Praxisübungen laufen, musste er regelmäßig eine Vertretung für seine kirchlichen Verpflichtungen organisieren.
„Am Anfang war es schwierig, den anderen zu erklären, dass ich jetzt auch mal überraschend zu einem Einsatz muss“, sagt Jäger, der allein im vergangenen Jahr auf 91 Einsätze gekommen ist. Mittlerweile hat sich sein Umfeld aber an sein Ehrenamt gewöhnt. Dennoch wägt er immer wieder ab, wann die berufliche Arbeit wichtiger ist als die Feuerwehr. „Bei einer Beerdigung oder Trauung würde ich natürlich nicht alles stehen und liegen lassen“, erklärt er.
Carsten Matthies kennt dieses Abwägen ebenfalls. Der 45 Jahre alte Geschäftsführer des Gartencenters Matthies ist bereits seit 20 Jahren als Feuerwehrmann aktiv, obwohl auch sein beruflicher Terminkalender nicht gerade leer ist. „Mein Ur-Opa war schon Mitglied und mein Vater ist noch in der Altersriege“, erzählt er. Eine richtige Feuerwehrfamilie also, für die der Dienst an der Gesellschaft trotz Führungsposition im Job eine Selbstverständlichkeit ist.
Dabei war es bei ihm selbst eigentlich ein Deal innerhalb seiner Clique, der ihm die Mitgliedschaft bescherte. „Ein paar von uns waren in der Feuerwehr und einige so wie ich im Schützenverein“, berichtet er. Die Feuerwehrmänner warben dann einige Schützen an und die Schützen einige Feuerwehrmänner. So hatte jeder etwas davon.
Im vergangenen Jahr ist Matthies auf circa 50 Einsätze gekommen. Die beruflichen Verpflichtungen sind manchmal eben doch wichtiger, auch wenn er weiß, dass insbesondere tagsüber unter der Woche für die Feuerwehr jeder Einzelne zählt. „Der Großteil unserer Mitglieder arbeitet ja in Hamburg und ist gar nicht hier, wenn es einen Alarm gibt.“
So kommt es, dass vor allem Dirk Jäger und er sozusagen zur Wochentags-Grundbesetzung gehören, ebenso wie der Hausmeister der Hittfelder Grundschule, ein Mitarbeiter bei der Gemeinde und die Schüler am Gymnasium. Sie sind diejenigen, die vor Ort sind. Allein diese Auswahl zeigt, was das Wesen der Freiwilligen Feuerwehr ausmacht: Vom Akademiker bis zum Handwerker sind alle vertreten, jeder ist Teil des Teams. Dabei ist es völlig egal, ob er in seinem Beruf ein hohes Tier ist oder Aushilfe.
Wenn es brennt, muss auch ein Superintendent oder ein Gartencenter-Chef einfach nur die Befehle des Brandmeisters befolgen. „Wir sind bei der Feuerwehr ja relativ kleine Lichter“, gibt Dirk Jäger zu. Er selbst wird bald zum Oberfeuerwehrmann befördert, Carsten Matthies ist Hauptfeuerwehrmann, das ist die dritt- und viertniedrigste Stufe der Feuerwehr-Hierarchie in Niedersachsen. Gerade dieses Nicht-Verantwortlich-Sein und Sich-Unterordnen ist in Jägers Augen eine gute Erfahrung. „Es ist schön, wenn man mal nicht entscheiden muss.“
Dieser andere Blickwinkel macht für ihn das Besondere an seiner Arbeit als Feuerwehrmann aus. „Man verlässt sein Binnensystem und wird zu etwas ganz anderem.“ Viele Menschen hätten heutzutage auch in ihrer Freizeit gar keinen Kontakt mehr zu anderen Berufsgruppen, so dass sich die Gesellschaft immer weiter segmentiere.
Mit dem Eintritt in die Feuerwehr hat sich Jäger bewusst dazu entschieden, seine Komfortzone zu verlassen. Bei einem Einsatz hätte zum Beispiel jemand mal zu ihm gesagt: „Sie sehen aus wie unser Superintendent.“ Erkannt habe er ihn aber nicht. Für Außenstehende sieht ein Feuerwehrmann offenbar aus wie der andere.
Sowohl für Dirk Jäger als auch für Carsten Matthies gilt: Sie können anders als klassische Angestellte relativ frei über ihre Zeit entscheiden und somit auch mal ohne großen Aufwand für zwei oder drei Stunden zu einem Einsatz ausrücken. Die verlorene Zeit müssen sie dann eben abends oder am Wochenende aufholen. Der knappen Freizeit trauern sie aber nicht hinterher. „Es ist doch schön, wenn man jetzt das tut, wovon man schon als kleiner Junge geträumt hat“, sagt Dirk Jäger.
Neue Pastoren, die in den Kirchenkreis kommen, fragt der Superintendent mittlerweile direkt, ob sie nicht auch Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr werden wollen.
Wehr seit 1880
Die Freiwillige Feuerwehr Hittfeld zählt rund 60 Aktive und ist im vergangenen Jahr zu etwa 200 Einsätzen ausgerückt. Sie ist Teil der Freiwilligen Feuerwehr Seevetal, die sich aus insgesamt 14 Ortsfeuerwehren zusammensetzt. Die Hittfelder Wehr wurde am 18. April 1880 gegründet und ist damit die älteste in Seevetal.
Eine Jugend- und eine Kinderwehr gehören zur Freiwilligen Feuerwehr in Hittfeld. Die Kinderabteilung wurde 2007 als zweite im Landkreis Harburg gegründet. Sie richtet sich an Mädchen und Jungen im Alter von sechs bis zehn Jahren. Die Jugendabteilung wurde bereits 1975 ins Leben gerufen.