Harburg. Im Süden der Stadt stehen auf Schiene und Straße viele Bauarbeiten an. Landräte warnen vor Verkehrsinfarkt.

Ein neuer Bahnsteig an den Elbbrücken, Arbeiten an der S-Bahnstrecke zwischen Heimfeld und Harburg, Ersatz der A7-Brücke vor dem Elbtunnel und dazu noch etliche kleinere und größere Sperrungen, weil auch im niedersächsischen Umland dringend Straßen saniert werden müssen: Kein Zweifel, auf den Süden Hamburgs kommen in diesem und auch in den Folgejahren auf Straße und Schiene etliche Baustellen zu, die vor allem für Berufspendler zu erheblichen Einschränkungen führen dürften.

Allein fast 100.000 Menschen aus den beiden direkten Nachbarlandkreisen Harburg und Stade sind davon betroffen, weil sie ihren Job in der großen Stadt haben oder als Handwerker ihre Kunden. Die Landräte aus den acht Landkreisen der südlichen Metropolregion haben daher jetzt einen Brandbrief an den zuständigen Minister in Hannover, Bernd Althusmann (CDU), und an Hamburgs neuen Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) geschrieben.

„Wir fordern eine vernünftige Kooperation bei diesen vielen Maßnahmen“, sagt dazu der Stader Landrat Michael Roesberg: „Man kann nicht Autofahrer auf die S-Bahn verweisen – und die fährt dann gar nicht.“ Natürlich seien die Baustellen notwendig, aber der Bürger müsse auch bestens über Zeiten und Alternativen informiert werden, fordert der Stader Verwaltungschef. Das könnte beispielsweise über spezielle Informationen im Internet geschehen. „Die Informationen müssen aber zuverlässig sein, dann werden die Baustellen von den Bürgern auch akzeptiert“, glaubt Roesberg.

Der Anstoß zu besserer Kooperation und auch besserer Kommunikation müsse dabei aber über die Minister geschehen, sagt Roesberg. Sonst verliere sich das im „bürokratischen Kleinklein“ der Behörden und Verkehrsunternehmen und der Blick auf die gesamte Region gehe verloren. Roesberg: „Eine Baustelle im Hamburger Hauptbahnhof hat eben auch direkte Auswirkungen auf unsere S-Bahnverbindungen.“

Hinzu komme, dass gerade im Nadelöhr Elbbrücken Güterverkehr, Fernverkehr und Nahverkehr zunehmend in Konkurrenz stünden, was das Überqueren der Elbe in nächster Zeit zusätzlich erschwere. „Mir ist aber wichtig, dass sich der Nahverkehr nicht stets den anderen Interessen unterzuordnen hat“, so Roesberg.

Tatsächlich hatte auch schon das vergangene Jahr bewiesen, wie eng es plötzlich für die Pendler werden kann, wenn Baustellen gleichzeitig den Verkehr auf Straße und Schiene behindern. Ein besonders krasser Fall zeigte sich dabei im Juli und August, als Bauarbeiten auf der S-Bahnstrecke zwischen Harburg und Wilhelmsburg für eine empfindliche Störung des Pendlerverkehrs sorgten.

Gleichzeitig ließ die Bahn dann auch noch am Hauptbahnhof das Gleis 11 sanieren – mit der Folge, dass auch der Regionalzug als Alternative für die Pendler aus dem Süden ausfiel. Auch eine kurzfristige Öffnung des Fernverkehrs ab Harburg brachte nicht viel, weil es gerade in Spitzenzeiten des Berufsverkehrs wenige IC und ICE-Züge nach Hamburg gibt, wie die Verkehrsgesellschaft Nord-Ost-Niedersachsen (VNO) in einem Begleitschreiben zu dem Landräte-Brandbrief erläutert.

„Insgesamt muss festgestellt werden, dass es zu teilweise unzumutbaren Zuständen und Gefahrensituationen in Zügen und auf Bahnhöfen sowie unverhältnismäßigen Verspätungen gekommen ist“, heißt es weiter in dem Papier, das dem Abendblatt vorliegt.

Die Verkehrsgesellschaft führt in dem Schreiben auch auf, wie viele Zugausfälle es wegen solcher Bauarbeiten am Schienennetz bei den Regionalbahnen aus Niedersachsen, die im Berufsverkehr Hamburg anfahren, gegeben hatte. Beim Regionalzug aus Lüneburg seien auf dem Abschnitt Hamburg - Harburg 2018 demnach in 18, 5 Baustellen-Wochen durchschnittlich 2, 8 Züge pro Tag ausgefallen.

Bei den Zügen aus Bremen waren es in der Ausfallzeit von 23,5 Wochen indes durchschnittlich pro Tag schon 6,3 Züge, die ausfallen mussten. Doch den größten Leidensdruck gab es in jener Zeit für die Berufspendler, die aus Cuxhaven, Stade oder Buxtehude mit dem Metronom nach Hamburg wollten.

Dort seien in den elf von Ausfällen betroffenen Wochen im Durchschnitt sogar täglich 29,6 Züge ausgefallen – was einem Anteil von 78 Prozent der eigentlich eingeplanten Fahrten entspreche. Und hier sei dann auch über neun Tage die S-Bahn keine Alternative gewesen – eben wegen jener Bauarbeiten auf der Strecke zwischen Harburg und Wilhelmsburg.

„Insgesamt muss festgestellt werden, dass monatelange Ausfälle die Attraktivität des öffentlichen Personenverkehrs deutlich reduziert haben“, heißt dazu die abschließende Wertung der VNO, die nun konkrete Forderungen formuliert hat, damit sich solche Zustände nicht wiederholen: Etwa mehr Kapazitäten beim Schienenersatzverkehr in den Bussen oder rechtzeitige Freigaben der Fernzüge für Pendler.

Auch der Güterverkehr sollte bei Bauarbeiten und drohenden Zugausfällen „konsequent“ auf die Zeit außerhalb der Verkehrsspitzen verlegt werden, damit dort die Regionalzüge fahren können. Schon ab Juni dieses Jahres könnte eine solche Maßnahme wichtig werden: Dann droht der VNO zufolge zwischen Harburg und Hamburg erneut ein Komplettausfall der Regionalbahn .