Harburg. Mit dem Projekt in der Dreifaltigkeitskirche in Harburg startet eine nichtkommerzielle Artothek. Die erste ihrer Art in Hamburg
Kunstwerke zu Hause zu haben – so die landläufige Meinung – ist teuer und man muss sich Kunst leisten können. Was aber, wenn man Kunst einfach leihen kann – Ein Bild für ein paar Wochen oder Monate mitnehmen, wie ein Buch? Das ist die Idee der Harburger „Kunstleihe“. Am Mittwoch wurde sie mit zahlreichen Gästen in der Dreifaltigkeitskirche eröffnet. Ab Sonntag können Harburgerinnen und Harburger sich hier Werke ausleihen. Möglich machen das neben dem Engagement der Initiative Südkultur auch Geld- und Sachspenden, die diverse Institutionen der Kunstleihe zur Verfügung stellen. So waren Jenny Svensson von der Claussen-Simon-Stiftung, die Werke ihrer Kunststipendiaten zur Verfügung stellt, Ansgar Wimmer von der Alfred-Toepfer-Stiftung, die die Anlaufkosten der Kunstleihe mitfinanzierte und Joachim Bode von der EBV-Stiftung des Eisenbahnbauvereins zur Feier gekommen. Wer – bis auf die Grünen – fehlte, waren allerdings Vertreter der Bezirkspolitik.
Die Idee der Kunstleihe ist nur in Hamburg etwas Neues. Seit den 1980er-Jahren entstanden in der ganzen Bundesrepublik sogenannte „Artotheken“. Auch in Skandinavien sind kommunale Ausleihgalerien verbreitet. Zu leihen sind vorwiegend Werke lokaler Künstler in transportablen Formaten. Drucke, Fotos, Stiche, Acryl oder Ölbilder und auch kleinere Plastiken – die Kunstleihe startet mit rund 100 Werken.
Um ein Werk zu leihen, bedarf es nicht viel: Man braucht einen gültigen Personalausweis und zwölf Euro als einmalige Gebühr für die Erstellung des Kunstleihe-Ausweises. Die Leihgebühr für ein Werk und für ein Vierteljahr beträgt sechs Euro. Die Werke werden in eigens erstellten Kartons handlich und gut transportabel mitgegeben.
„Nach Musik und Literatur präsentiert Südkultur nun mit der Kunstleihe auch die bildende Kunst im Bezirk Harburg“, freut sich Heiko Langanke vom Verein Südkultur, „denn wir legen einen Schwerpunkt auf zeitgenössische regionale Künstler.“
Davon gibt es nach Südkulturrecherchen in Harburg stolze 100. Ihre Ausstellungen – auch in den vielen kleinen Kunstcafés und Kulturvereinen – werden jedes Jahr von 70.000 Menschen besucht. Ein Interesse an Kunst ist also ebenso vorhanden wie ein stilistisch breit gefächertes Angebot.
Besonders wichtig ist den Initiatoren nach eigenen Angeben der bildungsrelevante Ansatz. „Mit Kunst seine persönlichen Erfahrungen zu machen, sie einfach mal in den eigenen vier Wänden, in Kitas, im Büro, der Arztpraxis oder Anwaltskanzlei über eine längere Zeit wirken zu lassen, ruft bei Vielen oft ganz automatisch Veränderungen hervor“, sagt Heiko Langanke. „War es bei der spontanen Auswahl vielleicht noch die passende Farbe zum Sofa, ist es wenige Tage später doch vielleicht die Vieldeutigkeit des Motivs, die Technik oder Wirkung in unterschiedlichen Launen oder Lichtern.
Der Impuls zur ersten Hamburger Kunstleihe kam im Januar 2017 im Kulturausschuss der Bezirksversammlung. Dort lag die Anfrage eines Verwaltungsmitarbeiters vor. Dieser hatte in den Bezirksamtsgebäuden ein ihn offenbar beeindruckendes Werk gesehen, das aber leicht beschädigt war. Da er nicht wusste, wem es überhaupt gehört, ließ er auf dem Amtsweg nach Eigentümer und der Möglichkeit der Reparatur fragen.
Es stellte sich heraus, dass es dem Harburger Verein „Künstler zu Gast in Harburg“ gehört, der jährlich Stipendiaten nach Harburg einlädt und am Ende des Jahres Werke von diesen erwirbt und diese dem Bezirksamt spendet, wo sie mal in diesem, mal in jenem Büro aufgehängt werden. Eine Art interne Artothek, also. Warum aber sollte es die nur für Behörden geben, fragten sich die Südkultur-Aktiven. Und so forschten sie nach; besuchten Artotheken in Norddeutschland und in Dänemark, suchten Räume und hatten fast schon welche gefunden – die ehemalige Bezirksamtskantine im Rathauskeller, die dann aber doch zum Aktenlagern gebraucht wurde. Nun eröffnete die Kunstleihe im Umwidmungsprojekt „3falt“, der Dreifaltigkeitskirche an der Neuen Straße.
„Die Kunstleihe ist ein vom Projekt 3falt unabhängiges Unterfangen“, sagt Heiko Langanke, der in beiden Initiativen aktiv ist. „aber sie ist natürlich auch eine Werbung dafür, was das Projekt 3falt leisten kann. Deshalb freue ich mich sehr über den großen Andrang zur Eröffnung!“
Als ehrenamtlicher Kulturbetrieb kann die Kunstleihe derzeit nur spärliche Öffnungszeiten anbieten. Die nächsten beiden Öffnungstage sind Sonntag, 27. Januar und Sonntag, 3. Februar jeweils von 12 bis 17 Uhr in der Neuen Straße 44.
Die Initiatoren planen, eine Stiftung zu gründen, um die Kunstleihe keinen politischen Strömungen und Wechseln auszusetzen und zum anderen optional auf ganz Hamburg ausweiten zu können. In die Stiftung sollen die Kunstwerke als Kapitalstock eingebracht werden. Gleichzeitig soll die Stiftung öffentliche Gelder einwerben können, ohne von ihnen abhängig zu sein.
Unter dem Dach der Stiftung könnte dann in jedem Bezirk eine weitere unabhängige Kunstleihe entstehen.