Hamburg. Passanten finden den Mann blutüberströmt. Am Mittwochabend suchte die Polizei in der Lüneburger Straße erneut nach Spuren.
Es war ein Schock für die Passanten in der Harburger Fußgängerzone. Am Dienstagabend gegen viertel nach sieben torkelte ihnen ein blutüberströmter Mann entgegen. Dann brach der 48-Jährige vor ihren Augen zusammen. Später erlag er seinen schweren Verletzungen.
Der aus Syrien stammende Mann war in Harburg kein Unbekannter: Er war Apotheker, Immobilienbesitzer und Vorsitzender eines Vereins, der sich um syrische Flüchtlinge kümmert. Später wurden an seinem Körper zahlreiche schwere Schlagverletzungen festgestellt, die ihm vermutlich mit einer Axt zugefügt worden waren. Die Mordkommission ermittelt. Warum Mohamed J. sterben musste, ist unklar. Ein Motiv und einen Tatverdächtigen gibt es bisher nicht. Am Mittwochabend haben Beamte der Bereitschaftspolizei noch einmal die Lüneburger Straße und die angrenzenden Seitenstraßen nach Spuren abgesucht. In einer Mülltonne haben sie eine Jacke und ein Paar Schuhe gefunden. Ob diese im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt stehen, ist noch nicht klar.
Mohamed J. starb im Krankenhaus
Die Polizei war zunächst wegen eines ganz anderen Einsatzes vor Ort: Sie war 19.30 Uhr zu einem Ladendieb in einer Drogerie direkt gegenüber in der Lüneburger Straße gerufen worden, Dort wurden sie von Passanten zu dem Verletzten gerufen. Als sie zu dem am Boden liegenden Mann kamen, sei der noch bei Bewusstsein gewesen, aber nicht mehr ansprechbar, heißt es von der Polizei. Ein alarmierter Notarzt brachte den 48-Jährigen unter Reanimationsbedingungen ins Krankenhaus. Dort wurde sein Tod festgestellt.
Eine Blutspur führte die Polizei zum eigentlichen Tatort, einer Wohnung in einem viergeschossigen Wohnhaus. Derzeit steht es wegen Renovierung leer. Es ist eine von drei Immobilien, die dem Apotheker in der Harburger Fußgängerzone gehören, darunter das Gebäude, in dem seine Apotheke untergebracht ist. Häufig stand Mohamed J. dort selbst hinter dem Tresen.
Ein extrem brutaler Angriff mit einer Axt
In der Tatwohnung entdeckten die Beamten eine Axt – die mögliche Tatwaffe. Die Auseinandersetzung muss extrem brutal gewesen sein: Am Oberkörper und im Gesicht des Opfers wurden zahlreiche Verletzungen „durch stumpfe Gewalteinwirkung“ gefunden. Zudem war dem Apotheker ein Finger abgehackt worden.
Der aus Syrien stammende Apotheker lebte schon lange in Deutschland. Hier, so heißt es aus seinem Umfeld, habe er studiert und geheiratet. Er engagierte sich im Verein „Union der Syrer im Ausland Deutschland“. Ein Schild weist das Haus, in dem die Tat geschah, als Sitz des Vereins aus.
Gemeldet ist der Verein aber in einer weißen, dreigeschossigen Villa in Harvestehude. Dort wohnte der Mann offenbar mit seiner Frau und seinen Kindern. Während der Flüchtlingskrise war der 48-Jährige Referent für Helfer beim DRK. Dort hielt er zwei Vorträge über Sitten und Gebräuche in Syrien. Dabei gab er sich auch als Mitglied einer syrischen Schattenregierung aus, für die er mehrere Bereiche betreuen würde.
Der Mitarbeiter eines angrenzenden Ladens erzählt, dass er den Mann gegen 18 Uhr gesehen habe, als er in das Haus ging. Nach Harburg war der 48-Jährige am Tattag offenbar mit seinem Wagen gekommen. Polizisten entdeckten in der Nähe der Fußgängerzone seinen dort geparkten Porsche.
Mohamed J. setzte sich für syrische Flüchtlinge ein
Mohamed J. wird als „netter, hilfsbereiter“ Apotheker beschrieben. Er galt als ein engagierter Helfer seiner Landsleute, die auf der Flucht waren. Bilder zeigen ihn in einem Flüchtlingscamp nahe der syrischen Grenze. Hier in Hamburg soll er sich stark darum gekümmert haben, dass Flüchtlinge Sprachkurse bekommen. „Er war so ein netter Mann. Ich wurde hier immer sehr gut fachlich beraten“, sagte eine ältere Dame vor der geschlossenen Apotheke. „Er hat sich dafür starkgemacht, dass die Billigläden aus der Lüneburger Straße verschwinden. Und dass das marode Pflaster erneuert wird. Er war ein sehr freundlicher Mann“, sagte der Inhaber eines Schuhgeschäftes in der Lüneburger Straße.
Eine Verkäuferin eines benachbarten Textilgeschäftes war schockiert, als sie am Mittwochvormittag davon erfuhr, dass der Apotheker seinen schweren Verletzungen erlegen war. „Ich habe ihn am Abend noch gesehen, als er hier auf der Straße lag. Mit dem Rücken im Blut. Warum musste das passieren? Warum sind die Menschen so schlecht?“, sagte die junge Frau mit tränenerstickter Stimme.
Harburgs Geschäftswelt schockiert über den Tod
„Es ist ein Schock für die Harburger Geschäftswelt“, sagte Harburgs City-Managerin Melanie Gitte-Lansmann, die Mohamed J. persönlich kannte. „Was für eine schreckliche, barbarische Tat.“ Der Geschäftsmann habe sich regelmäßig an den Sonntagsöffnungen in der Harburger Innenstadt beteiligt. Und er hat sich öffentlich immer wieder für die Aufwertung und Verschönerung der Fußgängerzone in der Harburger Innenstadt starkgemacht. Er habe Pläne gehabt, aus dem leer stehenden Haus Nummer 13 ein Zentrum für betreutes Wohnen oder ein Therapiezentrum zu machen, sagte die City-Managerin. Vor Kurzem habe der Apotheker das Gebäude angeblich verkaufen wollen – allerdings zu einem recht hohen Preis.
Andere beschreiben ihn als „schwierigen“ Geschäftsmann, mit dem es immer wieder Streit gab und der immer wieder vor Gericht zog.
Die Apotheke des Erschlagenen blieb geschlossen
Die Vivo-Apotheke blieb am Mittwoch den ganzen Tag geschlossen. Die Mitarbeiter und die Frau des Verstorbenen, die bis vor wenigen Monaten das Vivo-Café an der Lüneburger Straße betrieben hat, hatten sich in den hinteren Bereich der Apotheke zurückgezogen. Dort trauerten sie gemeinsam. „Wir können es uns einfach nicht erklären, was geschehen ist“, sagte eine Apotheken-Mitarbeiterin dem Abendblatt.
Im Schaufenster der Apotheke hängt seit Mittwoch eine Trauerbotschaft in arabischer Schrift.