Eine private Initiative und der Gemeinderat verwandeln Grünstreifen in blühende Wiesen. Tüten mi Blumensamen werden im März verteilt.
Wenn Elisabeth Gisch durch ihren Garten geht, kann sie die Schmetterlinge an einer Hand abzählen. Die Vahrendorferin weiß, dass die Entwicklung dramatisch ist und dass sie dringend etwas tun muss, wenn sie will, dass ihre Kinder noch in einer artenreichen Umgebung aufwachsen sollen. Als sie im vergangenen Jahr in der Gemeinde eine Arbeitsgruppe zum Thema Insektenschutz gebildet hat, war sie sofort dabei. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern verbringt sie derzeit jede freie Minute damit, Tütchen mit speziellen Saatmischungen für die Bienen und Hummeln zu füllen. Diese sollen im Frühjahr in den Ortschaften der Gemeinde Rosengarten an alle Haushalte verteilt werden. Jede Tüte reicht für zirka einen Quadratmeter Boden. Wenn jeder mitmacht, entstehen auf diese Weise tausende kleine Blühinseln für die Insekten.
„Plüschmors & Co. – Rosengarten hilft!“ heißt die Aktion, die dazu beitragen will, dass jeder mit wenig Aufwand die Speisekarte für Bienen und andere Insekten verbessert. Initiatorin ist Uschi Tisson, die bereits 2016 mit Engagierten 1000 Tüten an die Bewohner von Ehestorf und Alvesen verteilt hat.
Der Naturschutzbund (Nabu) spricht schlicht von einem Insektensterben. Der Bestand von Wildbienen und anderen Insekten sei drastisch gesunken. Setzt sich der Trend fort, geht der Nabu davon aus, dass in weniger als zehn Jahren viele Arten aussterben.
„Das Ruder muss sofort herumgerissen werden, wenn wir überhaupt noch etwas retten wollen“, sagt Sabine Wolansky. Die Diplom-Ingenieurin für Garten- und Landschaftsgestaltung engagiert sich seit fünf Jahren intensiv für den Insektenschutz und die Artenvielfalt. Sie macht nicht nur die immer kleiner werdenden Lebensräume für das Insektensterben verantwortlich, sondern auch die Landwirte.
„Die synthetisch hergestellten Neonicotinoide sind so giftig, dass ein Gramm Imidacloprid oder Clothianidin genügen, um 250 Millionen Honigbienen zu töten“, sagt sie. „Allein von dieser Wirkstoffgruppe werden jedes Jahr in Deutschland zirka 200 Tonnen in der Landwirtschaft eingesetzt.“ Mit Unkrautvernichtern werde seit Jahrzehnten massiv gegen heimische Wildkräuter und –blumen vorgegangen. Genau diese aber seien die Nahrungspflanzen von Hummeln, Wildbienen, Käfern und Schmetterlingen. „In unserer ausgeräumten, ordentlichen Landschaft finden die Tiere nichts mehr zu Essen“, so Wolansky. Sie leiden Hunger und können ihre Brut nicht versorgen.
Umso mehr begrüßt sie den Vorstoß von Uschi Tisson und ihrer Insekten-AG. „Ich sehe eine reelle Chance für Privat- und Kleingärten, Balkone und Dachgärten“, sagt Sabine Wolansky. „Blumenzwiebeln von Frühjahrsblühern wie Schneeglöckchen, Krokus, Lerchensporn lassen sich in kleinsten Gärten und sogar auf Grabstellen realisieren.“
Doch nicht nur privater Grund, sondern auch gemeindeeigene Flächen sollen in Rosengarten insektenfreundlicher werden. Dafür haben die Parteien in der Gemeinde einen interfraktionellen Antrag zu Insektenschutz und Artenvielfalt im Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Naherholung gestellt. Sie fordern, gemeindeeigenen Flächen in „Futterflächen für Insekten“ umzuwandeln.
Darüber hinaus sollen Bürger künftig Beetpatenschaften für öffentliches Grün übernehmen. „Wir wollen durch Umwandlung von Grasstreifen in Blühwiesen versuchen, den Artenschwund aufzuhalten“, sagt Volkmar Block, stellvertretener Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag.
Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler unterstützt den Vorstoß der Parteien, befürchtet jedoch Beschwerden von Anrainern und Autofahrern, wenn die Flächen nach der Hauptblüte ungepflegt bleiben. „Die Gemeinde hat allen Ortsräten die Flächen zur Beratung vorgelegt“, sagt Seidler. „Viele Flächen sind aber nur bedingt geeignet, weil sie zu stark beschattet oder durch regelmäßige Überflutungen zusätzlichen Nährstoffzufuhren unterliegen.“
Insektenschutz und Arterhalt spielt in der Gemeinde Rosengarten seit Jahren eine Rolle. „Wir haben sehr früh damit begonnen, Naturwiesen und extensive Obstbaumwiesen anzulegen“, sagt Dirk Seidler. „Die Schaffung von Wiesen ist in der Gemeinde längst Routine und beschränkt sich nicht nur auf Bienen, sondern auf alle Arten von Insekten.“