Harburg. Mindestens sechs Bands sind betroffen, weil in der alten Wache Nöldekestraße ein Wohnprojekt starten soll.

Wenn es um die Lebensqualität im Bezirk Harburg geht, spielt die lebendige Kulturszene – insbesondere die Musikszene – eine große Rolle. Das betrifft nicht nur die Clubs, sondern auch die Bands und Einzelkünstler. Die Rahmenbedingungen sind allerdings schwierig, denn Probenräume waren in Harburg schon immer Mangelware. Jetzt verschärft sich die Lage drastisch und plötzlich: Die Probenräume im Keller der ehemaligen Polizeiwache an der Nöldekestraße, bislang Heimat von 10 Bands, wurden den Musikern kurzfristig gekündigt.

„Wir haben kurz vor Weihnachten die Anordnung zur Räumung bis zum 2. Januar erhalten“, sagt Henning Ramke, Gitarrist bei der Betty Fort Houseband, „das wäre zwar wegen der kurzen Frist anfechtbar gewesen, hätte aber spätestens nach drei Monaten doch gegolten. Außerdem haben wir lange gut mit dem Vermieter zusammengearbeitet und wollen nicht im Streit scheiden. Wir sind jetzt Untermieter bei einer anderen Band. Gerüchte, dass wir herausmüssen, hat es schon länger gegeben.“

Grund für die Kündigung der Proberäume ist, dass der Landesbetrieb Fördern und Wohnen in der Wache 17 ein Wohnprojekt für Jungerwachsene einrichtet und die Kellerräume mitgemietet hat. Vermieter ist der IT-Unternehmer Sönke Dobat, der die Wache 2013 erworben hatte und dort eigentlich ein vielfältiges Nutzungskonzept mit Azubi- und Studentenapartments, Proberäumen, sozialen Einrichtungen, Ateliers und Büros geplant hatte. Die Nutzung als Wohnraum wurde ihm allerdings nicht genehmigt. Das Gebäude lag zu nah an Industrie und Autobahn. Als ab 2015 dringend Unterkünfte für Flüchtlinge gebraucht wurden, wurde die Nutzung dahingehend erweitert, dass zumindest vorübergehendes Wohnen doch genehmigt wurde. Der Landesbetrieb Erziehung und Beratung mietete erst eine, dann sukzessive alle anderen Etagen der Wache für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge. Im Keller probten derweil weiter Bands.. Zum Teil fanden dort auch ausgelassene Partys statt. Wahrscheinlich war letzteres, neben dem Bedarf an Lagerkapazitäten, ein Grund für den neuen Mieter Fördern und Wohnen, die Kellerräume mit zu mieten. „Ich wollte eigentlich einen Kompromiss erreichen, dass die Musiker ein halbes Jahr Bewährung erhalten und sie, wenn dann alles gut gelaufen wäre, hätten bleiben können, aber das Wohnprojekt verzögerte sich, so dass es diese Option nicht mehr gab.“, sagt Sönke Dobat. „So kam es, dass ich die schriftlichen Kündigungen sehr kurzfristig ausgesprochen habe.“

Für die Kulturinitiative SuedKultur ist der Wegfall der Probenräume in der Nöldekestraße etwas, das die Bezirkspolitik wach rütteln sollte: „Ob Musikprobenräume oder Ateliers – seit Jahren verschlechtert sich die Situation bei den Kreativräumen“, sagt Südkultur-Sprecher Heiko Langanke, „und mit der Aufkündigung der Probenräume in der Alten Wache nimmt die Not noch akut zu. Knapp 60 Musiker stehen schon in den nächsten Wochen vor einem massiven Problem!“

Der Wegfall der Wache sei ein harter Schlag für Harburgs Kulturlandschaft. Bands wie Yellow Carpet, Trashkat, Stillleben, die Betty Fort House Band oder A Life in a Minute aber auch ein afghanisches Musikprojekt stünden nun vor dem Aus, befürchtet Langanke: „Seit Jahren warnen wir vor der schlechten Probenraumsituation im Süden Hamburgs und stellen Anträge, um Leerstand für Probenräume ermitteln. Nun fällt das Kind in den Brunnen.“

Mittlerweile hat die SuedKultur aus selbst Kontakte zu potenziellen Investoren geknüpft, um etwa Gebäude zu kaufen und langfristig zu Probenräumen umzubauen. „Aber all das verpufft, wenn es seitens des Bezirks weder ein Bewusstsein noch Unterstützung gibt“, sagt Langanke.

Dies betreffe nicht nur Probenräume für Musik sondern auch Ateliers, etwa die für Bildende Kunst. „Das Thema stiefmütterlich zu behandeln ist grob fahrlässig. Denn im Grunde sind es die Arbeitsplätze von Kulturschaffenden. Man muss sich mal vorstellen, sie bekämen ihre Büros gekündigt, sollen aber weiter Arbeitsergebnisse produzieren.“

Suedkultur fordert, dass der Bezirk kurzfristig die beiden leerstehenden Toilettengebäude am Schwarzenberg als Probenräume herrichtet. Auch die ehemaligen Räume des Zentrums für Umwelttechnik an der Buxtehuder Straße seien geeignet.

Ob außer den Musikern in der Nöldekestraße auch noch der Tischkickerverein, der dort trainiert, von der Kündigung betroffen ist, bleibt noch offen. Der Verein spricht selbst noch einmal mit Fördern und Wohnen.