Sinstorf. Sinstorfer Brauerei wird von der Umweltpartnerschaft aus Stadt und Wirtschaft als „Weiterdenker“ ausgezeichnet.

Preise einzuheimsen, ist für die Sinstorfer Kreativbrauer Julia und Oliver Wesseloh fast schon Routine. Auszeichnung hier, Goldmedaille da, Preis der Hopfenproduzenten dort – gerade das abgelaufene Jahr brachte zahlreiche Trophäen ins Regal der „Kehrwieder Kreativbrauerei“. Meistens ging es dabei ums Bier – also ums Produkt der Brauerei. Jetzt aber wurden die Wesselohs und ihre Angestellten für die Produktion ausgezeichnet. Der Preis: ein Buch. Und man darf es nicht einmal behalten.

Mit dem Buch zeichnete die Umweltpartnerschaft Hamburg die Kehrwieder Kreativbrauerei als „Weiterdenker“ aus. Die Umweltpartnerschaft ist ein Projekt der Stadt Hamburg sowie der Handelskammer, der Handwerkskammer, dem Industrieverbund Hamburg und dem Unternehmensverbund Hafen Hamburg. Ziel ist es, den freiwilligen betrieblichen Umweltschutz – also alle Umweltschutzmaßnahmen, die über die gesetzliche Pflicht hinausgehen – in Hamburg zu fördern. Das Netzwerk umfasst mittlerweile rund 1100 Unternehmen.

In der Reihe „Weiterdenker“ zeichnen die Unternehmen der Umweltpartnerschaft Betriebe aus ihren Reihen aus, die in ihren Augen Vorbildfunktion haben. Sie erhalten das grüne Buch, das zur Auszeichnung gehört, vom vorherigen Preisträger und geben es später an den nächsten „Weiterdenker“-Betrieb weiter. In der Zwischenzeit füllen sie einige Seiten des Buchs, indem sie ihre ausgezeichneten Projekte schildern und anderen Betrieben Tipps zum Nachahmen, Nachdenken und Durchhalten geben.

„Dass bei unserem Start-up in Harburg der Umweltschutz eine Rolle spielen sollte, war uns von Anfang an klar“, sagt Julia Wesseloh. „Zum Beispiel hätten wir unsere Kreativbiere schon gern in außergewöhnliche Flaschen abgefüllt, aber die waren nicht mehrwegtauglich. Deswegen haben wir uns für eine gängige Pfandflasche entschieden. Bei Veranstaltungen arbeiten wir selbstverständlich mit Mehrwegbechern.“

Damit nicht genug: Seit die Brauerei 2014 den Betrieb aufnahm, verwendet sie Ökostrom und die ersten Kessel und Tanks der Brauerei schweißte, lötete und schraubte Brauingenieur Oliver Wesseloh aus ausrangierten Molkereibehältern zusammen. Das ist Upcycling pur – viel mehr als die sonst unter diesem Begriff verkaufte Zweckentfremdung voll funktionstüchtiger Mehrwegprodukte wie Europaletten, Bierkisten oder Seecontainern.

Apropos Bierkisten: Das ist umweltpolitisch ein wunder Punkt bei den Wesselohs – noch: „2019 werden wir von Pappkartons, die wir jetzt noch für unsere Flaschen verwenden, auf Mehrwegkisten umsteigen“, sagt Julia Wesseloh. „Das Weiterdenken hört ja nicht auf. Wir haben den Anspruch, sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Bereich bestmöglich umweltschonend zu handeln. Dies ist ein permanenter Prozess, in dem jeder Schritt zählt. Wichtig ist, einfach anzufangen. Nicht lange reden, sondern machen.“

So zog Oliver Wesseloh bei der Erweiterung der Brauanlage ein neues, energieeffizienteres Kühlsystem ein. Außerdem ist der neue Firmenwagen ein Hybridfahrzeug.

Liegt es bei so viel grünem Engagement nicht nahe, nur noch Bio-Bier zu brauen? Mit dem Wilhelmsburger „Wildwuchs“-Brauwerk ist im Hamburger Süden immerhin gerade eine reine Bio-Brauerei in Betrieb gegangen. Julia Wesseloh hat Bedenken: „Als Kreativbrauer brauchen wir eine große Auswahl hochwertiger Zutaten. Das wird mit 100 Prozent Bio schwierig“, sagt sie. „Aber einzelne Bio-Sorten sind für 2019 schon geplant.“

Das Buch erhielten die Brauer von Mark Siepmann, Geschäftsführer der Druckerei Siepmann GmbH und vorheriger Weiterdenker. Sein 65-Angestellten-Betrieb in Bahrenfeld gewinnt unter anderem die Reibungs-und Kompressionswärme aus den Offsetmaschinen zurück, erzeugt Strom auf dem Dach und verwendet alkoholfreie Druckerschwärze.

Die Übergabe fand im Sinstorfer Sudhaus statt. Wem die Wesselohs das Buch weitergeben, müssen sie erst in einigen Monaten entscheiden. Kandidaten gibt es wahrscheinlich genug. Wenn bei Julia und Oliver Wesseloh deswegen die Köpfe rauchen, dann bestimmt schadstoffarm.

Umweltschutz, Eigenverantwortung, Erfolg

2003 haben die Freie und Hansestadt Hamburg und die Hamburger Wirtschaft die Umweltpartnerschaft Hamburg unterzeichnet. Deren Ziel ist es, die Hamburger Umweltbilanz zu verbessern, ressourcenschonendes und nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und die Hamburger Wirtschaft durch ökologische Innovationen zu modernisieren.

Die Umweltpartnerschaft setzt auf die Verzahnung von Umweltschutz und wirtschaftlichem Erfolg sowie auf die Stärkung der Eigenverantwortung der Hamburger Unternehmen. Sie ist offen für alle Hamburger Unternehmen, die freiwillige Umweltschutzleistungen erbringen oder erbringen möchten. So freiwillig die Partnerschaft auch ist: Engagement wird erwartet.