Fleestedt. Wenn Geld gebraucht wird, können Ältere ihr Eigenheim verkaufen und es dann vom Käufer zurückmieten.

Wie können ältere Hauseigentümer ihre Immobilie versilbern und dennoch darin wohnen bleiben? Diese Frage beschäftigt manche Bewohner des Landkreises oder Bezirks Harburg, die von einer relativ geringen Rente leben und gern mehr Geld zur Verfügung hätten, um sich eine Traumreise, neue Möbel oder den altersgerechten Umbau der Wohnung leisten zu können. Die Fleestedter Maklerin Karen Ulrich und einige Kollegen vermitteln „Immobilienrenten“: Die Eigentümer verkaufen ihr Haus und mieten es vom Käufer zurück.

Zwischen 30 und 40 Häuser habe sie auf diese Weise bereits verkauft, sagt Ulrich – vom kleinen Bungalow bis zur Villa. „Zuerst führe ich ein ausführliches Gespräch mit dem Hauseigentümer. Wenn sich dabei herausstellt, dass die Immobilienrente eine gute Option für ihn ist, schaue ich, welcher potenzielle Käufer zu ihm passt. Jeder Kaufvertrag ist individuell gestaltet, beinhaltet Mietvereinbarungen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Konditionen“, sagt Karen Ulrich. Dies mag ein Grund sein, dass weder die Sparkasse Harburg-Buxtehude noch die Volksbank Lüneburger Heide vergleichbare Angebote haben. Beide Unternehmen begründen dies allerdings mit mangelnder Nachfrage.

Maklerin Ulrich sieht hier durchaus einen wachsenden Markt. Manche Hausbesitzer nutzen das Modell als Zwischenschritt zu einer altersgerechteren Wohnform und mieten ihr Haus nur zwei bis drei Jahre, um sich Zeit zu verschaffen, sagt sie. Andere wollen langfristig in ihrem vertrauten Heim wohnen bleiben. „Die längeren Mietverträge laufen zehn, seltener 15 Jahre. Dann hat der Mieter ein Sonderkündigungsrecht, wenn er – etwa aus gesundheitlichen Gründen – das Haus nicht mehr bewohnen kann.“

Auch der Käufer profitiere von dem Doppelvertrag, sofern er die Immobilie nicht oder nicht sofort selbst nutzen will, sondern als Kapitalanlage erwirbt, so Ulrich: „Er kauft ein vermietetes Haus und muss sich keinen Mieter suchen. Er kann damit rechnen, dass sein Mieter weiterhin pfleglich mit dem Haus umgeht. Und er weiß mehr über dessen Vermögenssituation – und damit über die Sicherheit der Mietzahlung – als sonst üblich.“

Noch vor wenigen Jahren hatten Hauseigentümer unterschiedliche Möglichkeiten, ihre Immobilie zu nutzen, um mehr Liquidität zu erhalten. So gab es Finanzunternehmen, die Immobilienrenten in Form eines Darlehensvertrags angeboten haben: Hauseigentümer nehmen ein Darlehen auf ihre Immobilie und lassen sich dieses in Form einer monatlichen Rente auszahlen. Die Tilgung erfolgt erst mit dem Auszug und Verkauf des Hauses oder im Todesfall. Im März 2016 trat jedoch die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft, die die Kreditaufnahme von älteren Menschen erheblich erschwert.

„Die EU-Gesetzgebung zielt darauf ab, dass Eigentümer von Immobilien, die sie selbst bewohnen, schuldenfrei sind, wenn sie in Rente gehen. Deshalb bekommen ältere Hausbesitzer in der Regel kein Darlehen. Selbst dann nicht, wenn sie noch gar nicht pensioniert sind“, sagt Ulrich. Ein Verkauf gegen Leibrente (lebenslanges Wohnrecht und Rentenzahlung, die über einen längeren Zeitraum oder bis Tod des Verkäufers läuft) hält die Fleestedter Maklerin für eine schlechte Alternative: „Die Leibrente ist für den Käufer besonders lukrativ, wenn jemand anderes leidet. Solange der ehemalige Eigentümer lebt, muss der Käufer zahlen und hat keinen Zugriff auf seine Immobilie.“

Viele Ältere scheuen sich, Darlehen aufzunehmen

Im Sommer dieses Jahres ist die EU-Kreditrichtlinie etwas gelockert worden. Galt ein höheres Alter des potenziellen Kreditnehmers bislang pauschal als Risikofaktor, der zu Zinsaufschlägen führte oder dazu, dass die Banken mehr Eigenkapital verlangten, so kann nun das Finanzinstitut jeden Einzelfall individuell entscheiden. Dabei darf der Wert der selbst bewohnten Immobilie wieder stärker ins Gewicht fallen. Dennoch scheuen sich viele ältere Leute, ein Darlehen aufzunehmen – „die Erben erben dann die Schulden“, sagt Carsten Schmuckall von der Sparkasse Harburg-Buxtehude.

Dirk Sauer, Makler im Bezirk Harburg, sieht für Ulrichs Form der Immo-Rente vor allem im Bereich der Eigentumswohnungen einen Markt: „Der Kapitalgeber steigt ein und lässt den Verkäufer mit einem Mietvertrag weiter in der Immobilie wohnen. Das ist ein sehr gängiges Modell.“ Bei einem kleineren Haus hält Sauer die Variante Verkauf plus Mietvertrag ebenfalls für „okay“. Eigentümern von größeren Immobilien rät er, „rechtzeitig den nächsten Schritt zu machen. Den Haushalt zu verkleinern und der nachfolgende Umzug werden später immer schwieriger.“

Viele Menschen stellten sich beim Eintritt ins Rentenalter die Frage: Passt die Immobilie noch zu mir? Dies sei sehr zu empfehlen, sagt der Harburger Makler.

Alterspyramide

22,1 Prozent der im Landkreis Harburg lebenden Menschen sind 65 Jahre alt oder älter (Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN), Stand 2016). Ihr Anteil wächst stetig. Im Jahr 2001 lag er noch bei 15,7 Prozent, 2011 bereits bei 21,1 Prozent. Nach Vorausberechnungen des LSN dürfte ihr Anteil im Jahr 2025 über 25 Prozent liegen.

Im Bezirk Harburg waren 30.178 Einwohner 65 Jahre alt oder älter (Stand Ende 2017). Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 18,2 Prozent. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede in den einzelnen Stadtteilen: In der Harburger Innenstadt beträgt der Anteil der Menschen im Rentenalter 10,9 Prozent, in Marmstorf liegt er dagegen bei 28,8 Prozent.