Neu Wulmstorf. Interview mit Kämmerer Jörg Schröder zum Haushaltsdefizit der Gemeinde und Sparmöglichkeiten.
Im kommenden Jahr droht der Neu Wulmstorfer Gemeindekasse ein Millionen-Defizit. Die Kommunalpolitik berät daher in diesen Wochen, wo man sparen und wo man mehr Geld einnehmen sollte. Der Finanzchef der Verwaltung, Jörg Schröder, macht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt ein paar Vorschläge, die vielleicht nicht allen Kommunalpolitikern und Bürgern gefallen.
Am Donnerstag will der Neu Wulmstorfer Gemeinderat über die geplante Waldsiedlung auf ehemaligen Truppenübungsgelände entscheiden. Manche lehnen die Bebauung aus ökologischen Gründen ab, andere halten sie für notwendig. Mal nur aus finanzpolitischer Sicht betrachtet, was bringt ein solches Gebiet?
Jörg Schröder : Nun gut, das sollen große Grundstücke werden, um etwa 50.000-60.000 Euro würde die Grundsteuer steigen. Dann gibt es mit dem Investor noch eine Folgekosten-Vereinbarung von über 300.000 Euro, das ist schon einmal eine gute Sache. Auch die Gewerbesteuer könnte steigen, weil mehr Menschen in Neu Wulmstorfer Geschäften einkaufen.
Und die Einkommenssteueranteile, profitiert die Gemeinde nicht auch dadurch, dass dort wohl eher gut verdienende Neubürger einziehen würden?
S chröder: Das funktioniert erst über den Umweg Land Niedersachsen. Der Betrag wird aber nur alle vier, fünf Jahre neu berechnet. Solche Mehreinnahmen kommen daher bei uns erst mit Verzögerung an – und das genau ist unser Problem.
Das müssen Sie uns bitte etwas genauer erklären.
Schröder : Jedes Neubaugebiet erfordert zusätzliche Investitionen und zwar gleich: zum Beispiel in Schulen, in Kitas, in die Sportvereine. Nur für bereits geplante neue Kitas gehen wir derzeit von einer jährlichen zusätzlichen Belastung von 600.000 bis 700.000 Euro im Jahr aus – ohne, dass Mehreinnahmen mitziehen. Neue Wohngebiete sind also erst einmal oft ein Zuschussgeschäft.
Mit Blick auf das drohende Haushaltsdefizit von gut drei Millionen Euro: Sollte Neu Wulmstorf seine Neubautätigkeit also besser stoppen?
Schröder : Nicht stoppen, aber bremsen. Das Problem ist nicht Wachstum an sich – sondern zu schnelles Wachstum!
Und was schlagen Sie als der Kämmerer dazu vor?
Schröder : Die Politik arbeitet beispielsweise gerade an der Flächennutzungsplanänderung, um weitere Wohngebiete in Elstorf/Schwiederstorf auszuweisen. Auch das würde wieder erhebliche Folgekosten bringen. Hier könnte man auf die Bremse treten. Gerade im Schulbau sind wegen des Einwohnerzuwachses viele neue Investitionen notwendig. So überlegen wir gerade, ob die Grundschule am Moor nicht völlig neu gebaut werden muss, weil sie mehr Platz braucht. Auch das kostet zwölf, 13 Millionen Euro, die wir so nicht haben. Aber die Verdichtung im Ort ist nicht mehr zu bremsen, das ist alles auf dem Weg. Zusätzliche Investitionen in Elstorf könnten wir hingegen ein wenig aufschieben. Zumal es noch ein zweites Problem gibt.
Und das wäre?
Schröder : Unsere Gebäude sind alle in die Jahre gekommen: Schulen und Kitas sowieso, aber auch das Rathaus ist mittlerweile 30 Jahre alt -- da stehen überall viele Reparaturen an. Von der notwendigen Straßensanierung einmal ganz abgesehen.
Was schlägt der Kämmerer daher vor?
Schröder : Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Ausgaben senken und Erträge erhöhen.
Also Steuererhöhungen?
Schröder : Das wäre eine Möglichkeit. Es beträfe dann Grundsteuern und Gewerbesteuern. Zum Beispiel würde eine Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B um 10 Prozentpunkte die durchschnittliche Grundsteuerlast von 532 Euro im Jahr um 13 Euro erhöhen. Das ist, wie gesagt, ein Durchschnittswert. Insgesamt würden sich dadurch für die Gemeindekasse Erträge in Höhe von 95.000 Euro ergeben. Auch über höhere Gebühren müsste man nachdenken: Der Eintritt in unsere Bäder für 3,50 Euro ist zum Beispiel ein politischer Preis, der längst keine Kostendeckung erreicht. Doch gerade Frei- und Hallenbad sind in Neu Wulmstorf Grundsatzhemen, über die wir nachdenken müssen.
Weil dort teure Sanierungen notwendig sind?
Schröder : Ja, das fängt bei dem Sprungturm an, der für 120.000 Euro dringend saniert werden müsste – doch das können wir uns nicht leisten und müssten ihn bald sperren. Ähnliches gilt für das Kinderbecken. Aber erklären Sie als Politiker das einmal den Bürgern: Höhere Preise und gleichzeitig weniger Leistung. Und damit ist noch nicht Schluss: 11,7 Millionen Euro würde uns die Sanierung der beiden Bäder kosten. Die Frage ist daher sogar, ob wir uns beispielsweise das Freibad überhaupt noch leisten können.
Also geschlossen wegen Finanznot?
Schröder : Wenn nicht mehr investiert und saniert werden kann, ist das die Folge. Dann stellt sich automatisch die Frage, ob das Freibadgelände nicht für andere Nutzungen, wie zum Beispiel Wohnen, verwertet werden kann.
Daten und Zahlen
Neu Wulmstorf gehört zu den Gemeinden im Landkreis Harburg, die am schnellsten wachsen. In den vergangenen 30 Jahren hat die Bevölkerungszahl um ein Drittel zugelegt – von 14.200 auf 21.100 Einwohner.
An Infrastruktur bietet die Gemeinde Neu Wulmstorf ihren Bürgern unter anderem ein Gymnasium, drei Grundschulen, eine Haupt- und eine Realschule. Hinzu kommen 14 Kindertagesstätten sowie ein Frei- und ein Hallenbad.