1898 beschlossen engagierte Bürger, Kulturgut der Region zu bewahren. Das Doppelmuseum ist in Stadt und Landkreis bedeutsam.

Im Jahr 1897 besuchte der Harburger Kaufmann, Senator und Vorsitzende des Bürgervereins August Helms mit anderen Harburgern einen Verbandstag der Bürgervereine in Lüneburg. Dabei besichtigten die Teilnehmer das gerade eröffnete Lüneburger Stadt­museum. Helms und seinen Mitstreitern war klar: Harburg braucht ein Stadt­museum. Im August 1898 traf sich die Gründungskommission für ein Museum, das historische Schätze aus der Stadt und dem Landkreis Harburg einsammelt und ausstellt. Dies war der Grundstein für das heutige Doppelmuseum, das neben der Pflege von Sammlungen intensiv Forschung betreibt und keine Gelegenheit auslässt, um möglichst viele potenziell interessierte Menschen in die Ausstellungen am Museums- und am Harburger Rathausplatz zu locken.

„Das Archäologische Museum Hamburg und Stadtmuseum Harburg ist ein gutes Beispiel dafür, wie viel durch kontinuierliches bürgerschaftliches Engagement erreicht werden kann“, lobt Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda den 120-jährigen Jubilar. Dieser ist längst nicht in die Jahre gekommen, sondern will – etwa was die Digitalisierung und die Museums-Pädagogik angeht – zu den Vorreitern gehören. Das zeigte gerade die Veröffentlichung des fotorealistischen mittelalterlichen Harburg-Panoramas, ein digital kolorierter Kupferstich in einer Qualität, die nach Angaben des Museums in Europa einzigartig ist.

Das Museum organisiert Archäologie in Stadt und Land

Erst 2009 hatte sich das Museum neu erfunden, mit einem neuen Ausstellungskonzept und dem jetzigen Namen: Das Archäologische Museum Hamburg (AMH) ist als Landesmuseum für die Bodendenkmalpflege der gesamten Stadt zuständig und führt auch nördlich der Elbe Ausgrabungen durch. So befinden sich Museumswissenschaftler auf dem Domplatz in der City auf Spurensuche nach den Relikten der Hammaburg. Auch die Archäologie im flächenmäßig fast doppelt so großen Landkreis Harburg liegt in der Obhut des AMH.

Das Stadtmuseum Harburg widmet sich schwerpunktmäßig der Geschichte der einst selbstständigen Stadt und deren Anfängen als Siedlung in den sumpfigen Gestaden der Süderelbe. Auf einer Festungsinsel lag die Zitadelle, die Keimzelle Harburgs. Ihre historische Landverbindung war die heutige Harburger Schloßstraße. Im Vorfeld eines Wohnbauprojekts wurde der geschichtsträchtige Boden umfangreich untersucht. Die Grabung lief von 2012 bis 2014 und förderte auf einer Fläche von etwa 12.000 Quadratmetern mehr als 36.000 Funde zutage. Eine kleine Auswahl zeigt das interaktive „Archäologische Fenster“ an der Harburger Schloßstraße 39.

Der erste Schwerpunkt lag in der Sammlung von Kulturgut

Ihre Erkenntnisse verbreiten die Archäologen, Historiker und Museumspädagogen unter anderem online über WhatsApp und Facebook – zu Zeiten von August Helms, anno 1898, freute man sich über die erste drahtlose Nachrichtenübermittlung per Funk. Und die Eisenbahn löste allmählich die Postkutschen ab. Das Ziel des damaligen Harburger Museumsvereins liest sich aus heutiger Sicht entsprechend schlicht: „Der Verein will das Interesse für Geschichte, Kunst, Handel und Gewerbe im Stadt- und Landkreise fördern, insbesondere Gegenstände, welche auf Geschichte, Kunst, Handel und Gewerbe sich beziehen, sammeln und konservieren“, zitiert das Jubiläums-Buch „120 Jahre Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg, Helms-Museum“ die Vorstellung der damaligen Gründungskommission.

Vielen Zeitgenossen war die facettenreiche Geschichte Harburgs damals offenbar unbekannt. Das Jubiläums-Buch zitiert aus einem Katalog von 1901 des damaligen Museums. In ihm fasste der amtierende Konservator und spätere erste Museumsdirektor Theodor Benecke den Verlauf einer Diskussion im August 1898 rückblickend so zusammen: „Herr Oberbürgermeister Ludowieg wies auf Harburgs Vergangenheit hin, welche eines bemerkenswerten historischen Hintergrundes, wie ihn beispielsweise Lüneburg, Celle und Stade für sich in Anspruch nehmen könnten, entbehre. Man dürfe sich keinen allzu großen Hoffnungen hingeben, wenn man wünsche, ein Museum zu gründen, in welchem die Geschichte Harburgs vertreten sei. Die Bestrebungen müssten sich vielmehr auf das kunstgewerbliche, Handels- und industrielle Gebiet richten.“

Anno 1925 eröffnete das „Helms-Museum“

Zunächst wurden Alltagsgegenstände gesammelt, meist Spenden von Bürgern. Die Stadt Harburg steuerte historische Bücher, Karten, Pläne und Bilder von Alt-Harburg bei. 1901 war der Fundus auf mehr 2000 Objekte angewachsen. Die Sammlung stieß auf reges Interesse: An den Weihnachtstagen 1900 besuchten mehr als 2000 Menschen die Ausstellungsräume in der Gelben Schule, die einstmals am heutigen Rathausplatz stand. Sie wurde 1944 zerstört. 1925 zog das Museum um in die ehemalige Lühmann’sche Villa an der Buxtehuder Straße. Die Söhne vom Gründervater August Helms, Arthur und Lebrecht, hatten sie erworben und dem Museum geschenkt. Dort öffnete fortan das „Helms-Museum“ seine Türen.

Schon in der Gründungsphase gab es auch Stimmen, die es als lohnenswert ansahen, die frühere geschichtliche Vergangenheit museal aufzuarbeiten. Der zweite Museumsdirektor Willi Wegewitz bahnte den Weg zu einer wissenschaftlich fundierten Archäologie. Im April 1930 trat er sein Amt an und sollte es bis April 1966 innehaben. Als Jugendlicher war der Förstersohn an der Naturkunde interessiert. Dann kam er als Lehrer mit vorgeschichtlichen Funden in Berührung, und die Archäologie wurde sein Steckenpferd. 1936 promovierte er an der Universität Hamburg in dem Fachgebiet, ohne je Abitur gemacht zu haben.

„Wegewitz hat systematisch Wissenschaft betrieben, führte viele archäologische Untersuchungen im Landkreis durch“, sagt Jens Brauer, Stadthistoriker des heutigen Museums. Damals wie heute versuchten die Direktoren und Mitarbeiter des Museums, ihr Wissen in breite Kreise der Bevölkerung zu streuen. Beispiele aus jüngster Zeit sind die populärwissenschaftlichen Sonderausstellungen Lego-Zeitreise (2012/13) und die „Duckomenta“ in diesem Jahr.

Wegewitz gründete einen besonderen Publikumsmagneten: das Freilichtmuseum am Kiekeberg. Er hatte den rasanten Wandel zu einer technisierten Landwirtschaft erkannt und wollte historische Hofgebäude erhalten und in ihrer ursprünglichen Funktion zeigen. 1953 bezog das erste umgesetzte Gebäude, ein Honigspeicher aus dem Jahr 1688, den neuen Standort am Kiekeberg. Heute stehen im Freilichtmuseum, das 1987 an den Landkreis Harburg verkauft wurde, 30 historische Gebäude.

Der Verlust des Freilichtmuseums wog schwer, doch es gab auch Zugewinne für das Museum. 1972 hatte der Hamburger Senat beschlossen, ihm die Landesarchäologie zu übertragen, 1989 wurde auch die Bodendenkmalpflege von der Kulturbehörde ins Harburger Zentrum verlagert. Der heutige Museumsdirektor Rainer-Maria Weiss war 2003 nach eigenem Bekunden als „Werbe­manager in Sachen Archäologie“ sein Amt angetreten. Er leitete in der Hamburger City die große Domplatzgrabung.

Weiss wird mit seinem Museum auch in Harburg demnächst ein neues Highlight schaffen: 2020 soll im fast 600 Jahre alten Gewölbekeller des Harburger Schlosses eine Außenstelle eröffnet werden – ganz im Zeichen der Archäologie und der Harburger Stadtgeschichte.

Das Buch über die 120-jährige Museumsgeschichte ist vom 21. November an im Museumsshop erhältlich, online: shop@amh.de. Herausgeber: Rainer-Maria Weiss, 248 Seiten, Hardcover, 24,80 Euro, ISBN 978-3-931429-34-8

Das Festprogramm im Museum am 24. und 25. November

Am Wochenende, 24./25. November, feiert das Harburger Doppelmuseum seinen 120. Geburtstag mit zwei Tagen der offenen Tür und einem umfangreichen Programm, jeweils von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

In der Archäologischen Dauerausstellung (Harburger Rathausplatz 5) gibt es an beiden Tagen Mitmachaktionen für Kinder ab acht Jahren (11–16 Uhr), etwa am Sonnabend die „Knochen-Werkstatt“ oder die Bastelrunde „Ötzi auf der Spur“, in der Birkenrinde und Bast verarbeitet werden wie zu Zeiten des Gletschermanns. Für Sonntag sind unter anderem eine Flecht-Werkstatt geplant und der „Bau“ von frühzeitlichen Musikinstrumenten: Pfeifen aus Haselnüssen, Schilfrohre als Flöten, Hölzer, die Töne erzeugen (Schnurrhölzer). An der Selfie-Station können Besucher in historische Gewänder schlüpfen und sich als Römer oder Wikinger ablichten.

Um 12, 14 und 16 Uhr starten Führungen durch eine archäologische Erlebniswelt, die einen Einblick in die Kulturgeschichte Norddeutschlands bietet. Zudem stellt sich die Arbeitsgemeinschaft „Praktische Archäologie“ vor: Im Landkreis Harburg können Freiwillige beispielsweise bei Ausgrabungen mitarbeiten. Die Arbeitsgemeinschaft trifft sich einmal im Monat. Es werden denkmalpflegerische Themen diskutiert, gemeinsame Aktivitäten geplant und ausgrabungstechnische Schulungen durchgeführt. Interessierte ab 16 Jahren können dort mitmachen und sich zwischen elf und 16 Uhr über die Freiwilligenarbeit informieren.

In der Sonderausstellung im Haupthaus (Museumsplatz 2) beginnen jeweils um 11, 13 und 15 Uhr Führungen zur aktuellen Präsentation „Margiana – Ein Königreich der Bronzezeit“. Erläutert werden wissenschaftliche Sensationsfunde aus der antiken Metropole Gonur Depe im Süd-Osten des heutigen Turkmenistans. Beeindruckende Fotografien des Landes und seiner Bewohner, Landschaften sowie archäologischer und historischer Denkmäler zeigen die frühe Zivilisation Zen­tralasiens.

Kulinarisches unter dem Motto Orient trifft Okzident wird die Helms Lounge servieren. Sie verspricht, köstliche Speisen aus dem Morgen- und Abendland zuzubereiten.

Da komplette Programm: www.amh.de