Harburg. Vorstoß der Grünen: Klare Trennung der Verkehrswege soll Sicherheit für Radfahrer erhöhen. Das erfordert jedoch Platz.

Fahrradstreifen im Bezirk Harburg sollen besser geschützt werden, beispielsweise durch Poller oder Kantsteine. Das fordert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Harburger Bezirks­versammlung, Jürgen Marek. Geschehe das nicht, befürchtet er, werde die Akzeptanz für die Radfahrstreifen stetig sinken. Seine Fraktion hat einen entsprechenden Antrag an die Bezirksverwaltung gestellt. Die anderen Parteien äußern Verständnis für den Antrag. Ihm zustimmen wollen aber nicht alle.

Noch gibt es in Harburg nicht viele Radstreifen, aber das wird sich ändern: Die Führung der beiden Landes-Velorouten durch den Binnenhafen beziehungsweise die Harburger Innenstadt wird im wesentlichen mit Radfahrstreifen erfolgen und auch viele klassische „Hochbordradwege“ werden von der Nebenfläche der Straße auf die Fahrbahn verlagert. Manchmal mit Fahrradstreifen, manchmal mit Schutzstreifen, manchmal muss der Radfahrer auch einfach auf der Fahrbahn fahren.

Mehr Sicherheit durch Radfahrstreifen? Das ist umstritten

Darüber, ob das gut ist, gehen die Expertenmeinungen auseinander. Sicher ist, dass die bislang häufigste Unfallart zwischen Auto- und Radfahrern, der Abbiegeunfall, sich durch das Fahren auf der Fahrbahn reduziert, weil weniger Radfahrer übersehen werden. Andere Unfallarten, wie das sogenannte „Dooring“ – der Zusammenstoß zwischen Radlern und sich plötzlich öffnenden Autotüren – nehmen dann jedoch zu.

Eine Alternative zum Fahren auf der Fahrbahn gibt es allerdings oft nicht: Die Mindestbreiten von Radwegen und Fußwegen nach den aktuellen Straßenbauvorschriften lassen das alte Nebeneinader der Wege auf der Nebenfläche kaum noch zu: Fast überall fehlt dort der Platz. An die Radfahrer auf der Fahrbahn müssen sich die Autofahrer nach sechs Jahrzehnten autofreundlicher Verkehrswegeplanung aber erst einmal gewöhnen.

„Radfahrer fühlen sich auf den schmalen Streifen oft unwohl“, sagt Jürgen Marek. Links ziehen im Zentimeterabstand Autos, Lastwagen und Busse vorbei, rechts stehen meist geparkte Autos, aus denen jederzeit eine Tür aufgestoßen werden könnte. Dazu kommen immer mehr Falschparker, die Radfahrstreifen verbotenerweise als Parkplätze missbrauchen.“

Fahrrad ist in Harburg nur für wenige das Hauptverkehrsmittel

Alle zwei Jahre veröffentlicht die dänische „Copenhagenize Design Company“ die Rangliste der weltbesten Fahrradstädte. Hamburg liegt stabil auf Platz 17. „Mangelhaft bewertet wurde die uneinheitliche Führung des Fahrradverkehrs und eine mangelnde gute Abtrennung der Radwege vom Autoverkehr“, sagt Marek. Die letzte Untersuchung zum Mix der Hauptverkehrsmittel im Bezirk Harburg zeige einen sehr mageren Anteil von nur fünf Prozent für die Nutzung des Fahrrades auf, während der Autoverkehr bei fast 50 Prozent liege. „Ein Grund für die geringe Akzeptanz des Fahrrades liegt sicher in der mangelnden Sicherheit“, sagt Marek. „Und diese Unsicherheit hat sicher eine Ursache in der kritisierten Infrastruktur der Radwege.“

Die Idee für geschützte Radfahrstreifen ist nicht neu. In Amsterdam und Kopenhagen sind sie an den Hauptwegen seit Jahren Standard. Radfahrer, Autos und Fußgänger werden durch Bordsteine getrennt. „Protected Lanes sind sicher nicht das Allheilmittel, sie bieten sich jedoch insbesondere auf Hauptverkehrsstraßen mit Tempo 50 an, um die Akzeptanz des Radfahrens gerade für unsichere Nutzer zu erhöhen“, sagt Marek.

Der SPD-Verkehrsexperte Frank Wiesner stimmt Marek zu. „Vorstellbar und vorteilhaft wäre das bestimmt an der Wilstorfer Straße stadteinwärts“, sagt er. Dort ist der Verkehr dicht.

Rainer Bliefernicht, Verkehrsexperte der CDU warnt jedoch vor dem erhöhten Flächenbedarf durch die Radstreifensicherung. „Den Platz dafür haben wir doch auf der Fahrbahn auch nicht“, sagt er. „Wenn wir einen sicheren Fahrradverkehr wollen, müssen wir wahrscheinlich größer denken und mehr Straßen in Einbahnstraßen umwidmen, damit wir den Platz gewinnen. Als Ausgleich dafür müssten dann aber Straßen und Ampelphasen so gestaltet werden, dass der Kraftverkehr fließt.“

Der Holländergriff schützt Radfahrer

Der „niederländische Griff“ wird vom ACE Auto Club Europa allen Autofahrern empfohlen, um sogenannte Dooring-Unfälle zu vermeiden.

Der Autoinsasse greift dabei den Türgriff mit dem Arm der der Tür abgewandten Seite. Dadurch wird eine Körperdrehung erzwungen, die den Blick automatisch nach hinten lenkt.

Radfahrer, Fußgänger und Kinderkarren werden so nicht mehr so leicht übersehen.