Harburg/Ehestorf. Vollsperrung von März bis Dezember 2019 – Anwohner und Harburger Politiker sind empört über Pläne des Landesbetriebs Straßen.
8000 Autofahrten täglich wurden 2017 am Ehestorfer Weg gezählt. Zählstelle war die Landesgrenze, so dass der Ziel- und Quellverkehr von Anliegern – darunter eine Schule – über die Cuxhavener Straße gar nicht mitgezählt wurde. Seit Sommer und mindestens bis Silvester müssen diese Autos Umwege fahren. Der Ehestorfer Heuweg ist wegen Sanierungsarbeiten gesperrt. Das waren allerdings erst die Vorarbeiten. 2019 kommt es noch dicker: Ab März bis Jahresende plant der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) die Vollblockade der Straße.
Die Anwohner sind auf der Zinne, die Kommunalpolitik vergrätzt. Eine offizielle Information über die geplanten Maßnahmen hat es noch nicht gegeben, bislang wurde erst bei einer nichtöffentlichen Veranstaltung in der Rudolf-Steiner-Schule mitgeteilt, dass Anlieger ab März nur noch in Begleitung durch die Baustelle geschleust werden.
Besonders die Rudolf-Steiner-Schule sieht sich betroffen: „Einmal abgesehen davon, dass unsere Schüler das Schulgelände erreichen können müssen, haben wir hier wegen des Ganztagsbetriebs eine eigene Küche, die täglich 300 Personen frisch bekocht“, sagt Schulleiter Klaus-Michael Maurer. „Die Lieferanten und das Küchenpersonal müssen an- und abfahren können.“
Für die Schüler soll es laut LSBG Buskolonnen geben. „Das geht vielleicht morgens. Nachmittags haben wir zu fünf verschiedenen Zeiten Schluss, wenn wir die Hortbetreuung mitbedenken“, so Maurer. Außerdem müssten Notfallabholungen kranker Kinder gewährleistet sein. „Wenn dafür jedesmal der Polier verständigt und die Bautätigkeit unterbrochen werden soll, kommen die Leute nicht mehr zum Bauen“, so der Schulleiter. „Wenn unsere Zugänglichkeit nicht mehr gewährleistet ist, können wir den Unterricht einstellen. Da muss eine andere Lösung her!“
Auch Jägerhof-Wirt Thomas Soltau ist betroffen. „Es soll ja nicht einmal mehr mein Parkplatz zugänglich sein“, sagt der Betreiber der größten Saalgastronomie des Bezirks. „Das betrifft dann nicht mehr nur mich: Die Schützenverbände Harburg Stadt und Harburg Land haben bei mir ihre Büros. Die Kegelbahnen finanzieren den Schützenverein Hausbruch. Und mein Parkplatz wird für den Sportplatz Jägerhof genutzt.“
Harburgs Kommunalpolitiker fühlen sich überrumpelt: Die Gremien der Bezirksversammlung sind bislang nicht über die geplante Sperrung informiert worden. Die Bezirksabgeordneten erfuhren davon erst in der Bürgerfragestunde der letzten Sitzung. In einem einstimmig verabschiedeten Dringlichkeitsantrag fordern sie Information und Alternativen: „Die halbseitige Befahrbarkeit des Ehestorfer Heuwegs muss jederzeit gewährleistet sein“, ist ein zentraler Satz des Antrages. Anwohner haben bereits eine Petition an die Bürgerschaft formuliert. Auch sie fordern freie Zufahrt. Andernfalls erwägen sie Klage gegen die Baustelle.
Christian Füldner, Sprecher der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation verteidigt die Vollsperrung: „Wir haben die Alternativen geprüft, nachdem der niedersächsische Verkehrsminister Bernd Althusmann noch einmal darauf gedrängt hatte“, sagt er. „Aber die Straßenbreite gibt es nicht her, eine Spur offen zu lassen.“
Über das Vorgehen des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer kann auch Rosengartens Bürgermeister Dirk Seidler nur den Kopf schütteln. „Eine frühere Information über die langfristigen Pläne wären wünschenswert gewesen, um auch die Bevölkerung früher über die Verkehrsbehinderungen informieren zu können“, sagt Seidler. Doch finde eine direkte Kommunikation zwischen Hamburg und Rosengarten im Regelfall nicht statt. „Die Gemeinde Rosengarten wird in die Baustellenplanung nicht einbezogen.“ Und dass, obwohl durch die Sanierung in erster Linie Bürger von Ehestorf und Vahrendorf betroffen sind.
„Viele Bürger dort nutzen Pflegedienste aus der Süderelbregion, sind in Hamburger Vereinen organisiert und selbst die Feuerwehr Ehestorf übt in der Süderelbregion Nachbarschaftshilfe bei Bränden“, sagt Seidler. Aus der Sicht von Hamburg sei Rosengarten untergeordnet, aus Sicht von Rosengarten sei aber alles, was Hamburgs Hauptverkehrsstraßen angehe, von hoher Priorität.
Eine nunmehr vom Land eingesetzten Verkehrskoordinatorin solle künftig Probleme mit konkreten Maßnahmen abstellen. „Wir werden gemeinsam mit dem Landkreis darauf hinwirken, dass eine Metropolregion Hamburg auch ein Miteinander bedeutet. Nachbarschaftliche Absprachen sind unumgänglich.“
Bessere Kommunikation und gemeinsame Lösungswege hätten sich auch die durch die gekappte Anbindung betroffenen Unternehmen gewünscht, die durch die Vollsperrung im kommenden Jahr weitere eklatante Einbußen befürchten. „Die Sperrung der vergangenen Monate hat für uns starke Verluste bedeutet“, sagt Kira Ahrens, Sprecherin des Wildparks Schwarze Berge.
Die Anfahrt für die Gäste, die von der Cuxhavener Straße zu uns kommen wollen, sei eine Zumutung. „Sie müssen eine halbe Stunde Umweg in Kauf nehmen, um den Wildpark über die A7-Abfahrt Marmstorf zu erreichen.“ Wer diese Strecke einmal gefahren sei, komme so schnell kein zweites Mal.
Auch das Freilichtmuseum am Kiekeberg ist betroffen. „Schulklassen und Kitas bleiben weg, da sie uns nicht mehr wie gewohnt mit dem Bus von Neuwiedenthal aus anfahren können“, sagt Sprecherin Marion Junker. Für das kommende Jahr befürchtet sie weitere große Einbußen. „Die Sperrung liegt in unserer Hauptsaison, das wird schwierig.“
Parmjdt Kaur, Inhaberin des am Ehestorfer Weg ansässigen Steakhauses „Grando Sukredo“ geht sogar einen Schritt weiter „Ich weiß nicht, wie wir eine Vollsperrung über so viele Monate hinweg finanziell überleben sollen.“ Schon die Sperrungen in diesem Jahr seien problematisch für das Unternehmen gewesen. „Wir haben bereits Mitarbeiter entlassen müssen“, sagt die Gastronomin.
Die Betroffenen haben den Eindruck, dass es für die Planer keine Rolle spielt, wer vor Ort geschädigt wird. „Wir haben bei den Gesprächen mit dem LSBG eine totale Blockadehaltung erleben müssen“, sagt Marion Junker. So sei der Vorschlag, einen Blockverkehr am Wochenende einzurichten, ebenso abgelehnt worden wie die Idee, doch wenigstens dem Busverkehr Durchfahrt zu gewähren.
Als Marion Junker um weitere Informationen bat, wurde sie von den beteiligten Stellen abgewimmelt. Das Argument: Das Freilichtmuseum sei, was die Zugangsmöglichkeit angeht, gar nicht betroffen. Fakt ist, dass von den 500.000 Besuchern, die jährlich Museum und Wildpark besuchen, ein Großteil die Anfahrt über den Ehestorfer Heuweg nutzt.
Erst sollte nur der Radweg erneuert werden
Ausgangspunkt Der Sanierung des Ehestorfer Heuwegs war der beklagenswerte Zustand der Radwege entlang der Straße. Die Fahrradwegexperten des LSBG nahmen die Verbindungsstraße unter die Lupe und stellten fest: Ohne an der Straße etwas zu verändern, können Fuß- und Radwege nicht normgerecht erneuert werden. In der Folge stellten die LSBG-Ingenieure fest, dass die gesamte Straße stark sanierungsbedürftig ist. Kaum war dies ausgesprochen, meldeten sich alle Leitungsträger, die Rohre oder Kabel im Heuweg haben, dass auch diese erneuert werden müssen.