Isabel Salzberger hat mit ihrem Laden vor den Toren Hamburgs ein Eldorado für Kreative geschaffen. Vor Weihnachten brummt das Geschäft.

Am Ende einer kleinen Privatstraße, Tempo-20-Zone, am Rande von Buchholz, dort, wo die Stadt zu Ende ist und die Felder beginnen, liegt eine schlichte Lagerhalle versteckt zwischen Einfamilienhäusern und großen Bäumen. Ein eher schmuckloses Gebäude von außen. Doch hinter der Backsteinfassade mit der großen Toreinfahrt verbirgt sich ein Eldorado für kreative Menschen, Hobbykünstler und Bastelfreunde. Unter dem warmen Licht dutzender Scheinwerfer lagern in langen Regalen unzählige Tuben und Gläser mit Farben, Pinsel in allen Dicken und Strukturen hängen neben Leinwänden in jeder Größe.

Daneben reihen sich hunderte Rollen mit Schleifenbändern, umgeben von tausenden Töpfchen mit Perlen aus Glas, Metall, Plastik und Holz. Es gibt Papier für Décopatch, Dosen aus Holz und Span zum Bekleben und Bemalen, Steckperlen und Funkelfingerfarben für kleine Finger, Gipsbinden, Moosplatten und Draht für große Modellbauer, Papiersterne, Karton, Holzscheiben und Zapfen für weihnachtliche Kreationen. Rund 40.000 Artikel sind es insgesamt, die Isabel Salzberger im Sortiment hat. Ihre „Bastelecke“ ist einer der wenigen inhabergeführten Bastelläden, die es noch im Harburger und Buchholzer Raum gibt.

Künstlerfarben sind das Steckenpferd vom Isabel Salzberger.
Künstlerfarben sind das Steckenpferd vom Isabel Salzberger. © HA | Hanna Kastendieck

Die Chefin ist selbst seit Kindesbeinen eine leidenschaftliche Bastlerin. Aufgewachsen ist die 49-Jährige in Ohlendorf. Mit ihren fünf Geschwistern verbringt sie die meiste Zeit draußen, auf den Feldern, im Wald. Sie sammeln Tannenzapfen, Kastanien, Moos, Eicheln, Steine, Holz, Blätter und basteln daraus kleine Stillleben. Gemeinsam mit ihrem Bruder Ulf bindet sie im Sommer Feldblumensträuße, die sie vor der örtlichen Post verkaufen. „Von dem Geld haben wir uns dann ein Eis gekauft“, erinnert sie sich. Nach der Schule beschließt sie, Kunst studieren. Doch dann entscheidet sie sich doch für einen „handfesteren Beruf“, lernt Chemisch-Technische-Assistentin, arbeitet in einer Flüssigfarbenfirma in Fleestedt und lernt das Farbenmischen von der Pike auf. 1993 kommt Tochter Mandy auf die Welt, zwei Jahre später folgt Melanie. Isabel Salzberger sucht sie sich einen 400-Euro-Job in einer Drogerie. „Dort musste ich für 6,91 Euro brutto die Aufgaben der stellvertretenden Filialleiterin übernehmen“, sagt sie. Damals empfand sie die Arbeit als Ausbeute, im Nachhinein sieht sie das Gute an dieser Zeit. „Ich habe von der Ladenführung, dem Warenaufbau, der Kundenberatung bis zum Kassenabschluss alles gelernt, was ich für die Selbstständigkeit brauche.“ Ende 2006 beschließt sie, einen eigenen Laden zu eröffnen. Im Februar 2007 startet das Unternehmen.

Perlen in allen Größen und Farben gibt es sowohl einzeln als auch in Dosen.
Perlen in allen Größen und Farben gibt es sowohl einzeln als auch in Dosen. © HA | Hanna Kastendieck

Seitdem hat sie viel erlebt. Gute Zeiten und weniger gute Zeiten. Im Juni 2008 musste sie nach einem Brand noch einmal von vorn anfangen. 90 Prozent der Waren war zu Schaden gekommen. „Die Kunden haben gesagt: ‚Isa, du darfst nicht aufgeben.‘ Also habe ich weitergemacht“, sagt sie. 2014 muss sie ihr Geschäft in der Buchholzer Innenstadt aufgeben. Sie zieht ins Gewerbegebiet an der Maurerstraße. Zwei Jahre später muss sie erneut mit ihren 40.000 Artikeln das Pflaster wechseln. Ein Kraftakt, der Spuren hinterlassen hat.

Doch Aufgeben kam für Isabel Salzberger nie in Frage. „Ich habe fünf Angestellte, für die ich als Unternehmerin verantwortlich bin“, sagt sie. „Und ich habe Kunden, die ich nicht im Stich lassen will.“ Das wichtigste aber sei, dass sie mit ihrem Laden ihren Traum leben könne. „Ich verkaufe Dinge, die mir viel Freude machen“, sagt sie. „Und ich schaffe anderen Menschen gute Momente, in dem ich sie dabei unterstütze, kreativ sein zu können. Basteln macht glücklich und ist ein Gegenpol zur kopfgesteuerten Welt, in der die Hände oft zu kurz kommen. Basteln ist Entspannung, ähnlich wie Meditation.“

Jedes Papier zum Bekleben von Dosen, Schachteln, Büchern kann als einzelnes Blatt erworben werden.
Jedes Papier zum Bekleben von Dosen, Schachteln, Büchern kann als einzelnes Blatt erworben werden. © HA | Hanna Kastendieck

Um die neuesten Trends und Innovationen nicht zu verpassen, fährt die Ohlendorferin einmal im Jahr zur „Creativeworld“ in Frankfurt, der weltweit größten Fachmesse für die Do-it-Yourself-Branche. Rund 300 Hersteller präsentieren hier ihre Innovationen in den Produktgruppen Hobby und Basteln, Grafik- und Künstlerbedarf, Handarbeiten, textiles Gestalten sowie dekoratives Basteln. Darüber hinaus tauscht sich die Geschäftsfrau als Mitglied der „Einkaufsgenossenschaft Art Creativ“ mit ihren Kollegen aus. Über 80 Fachhändler in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg haben sich in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen, um ihre Produkte zu guten Konditionen einkaufen zu können. „Als Fachleute wollen wir beste Beratung für unsere Kunden“, sagt die Unternehmerin. „Unser Ziel ist es, dass der Kunde die Produkte versteht und später gut mit ihnen arbeiten kann.“

Die Idee, die Produkte auch online zu vertreiben, lehnt Isabel Salzberger ab. Weil sie das direkte Gespräch mit den Kunden mag, den Austausch mit den Verkäuferinnen und weil sie ihren Kunden das Stöbern in greifbaren Produkten ermöglichen möchte. „Wer mit den Händen arbeiten will, sollte die Dinge, die er bearbeitet, vor dem Kauf einmal angefasst haben“, findet sie. Mehr noch. Bevor der Artikel überhaupt in den Regalen landet, geht er durch die Hände der erfahrenen Mitarbeiterinnen. Die nämlich nehmen jedes neue Produkt erstmal mit nach Hause. Nach Feierabend wird dann probegebastelt. Für diese Leistung gibt es von der Chefin allerdings keinen Extralohn. Schließlich geht es hier um Entspannung.

Basteltrends

Jüngster Basteltrend ist das sogenannte Acrylic Pouring. Dabei werden Acrylfarben mit besonders hoher Fließfähigkeit auf einen bespannten Keilrahmen gegossen und durch Neigungen der Oberfläche in ihrem Farbverlauf beeinflusst. Öle und andere Zusätze können beigemischt werden, um eine Zellstruktur im Bild entstehen zu lassen.

Beim selbst gebastelten Licht-Design können beispielsweise einfache Tontöpfe mit Metallicfarben bemalt und mit LED Teelichtern bestückt werden. Viele Holzbausätze zum Thema Licht, Papp-Rahmen, Lampen- oder Sternenfolie werden bemalt, zusammen geklebt und mit Lichterketten zu Leucht-Objekten verwandelt.

Eine schnelle Geschenk- oder Dekoidee ist eine selbstgemachte Schneekugel aus einem Marmeladenglas. Einfach gewünschte Deko auf den Deckel des Glases kleben, Glas mit Wasser und Streuglitzer befüllen, Deckel fest zuschrauben und losschütteln.

Am 27. Oktober wird im Laden an der Hohlheide 4 gemeinsam gebastelt. Bei der Mitmachaktion, geeignet für Ungeübte ab zwölf Jahren, geht es darum, eine Perle in Netzoptik zu basteln. Dauer ungefähr eine Stunde pro Teilnehmer. Unkostenbeitrag fünf Euro inklusive Material. Letzte Teilnahme ist gegen 14 Uhr.

Do it Yourself

Basteln ist eine Komposition aus Handwerk und Kunst. Das gesellschaftsfähige Basteln kam erst im 19. Jahrhundert im Zuge der industriellen Revolution auf. Kleidung, Möbel und Werkzeuge waren aufgrund der Massenfertigung erschwinglich geworden und mussten nicht mehr zwangsläufig selbst hergestellt werden. Vor allem bürgerliche Frauen nutzten die dadurch gewonnene Freizeit zum Basteln von dekorativen Wohngegenständen.

Mit dem Beginn der Do-it-Yourself-Shows im Fernsehen im Jahr 2003 um die Moderatorinnen Sonya Kraus und Tine Wittler sowie aufgrund des Internets mit YouTube, Pinterest, Deviantart, Die Bastel-Elfe und Co. ist in Sachen Basteln eine generationsübergreifende Eigendynamik entstanden. Seither ist Deutschland mit den großen Bastel- und Handarbeitsmessen CREATIVA und Paperworld die Bastelhochburg Europas.

Motive der Deutschen, etwas selber in Handarbeit herzustellen sind laut einer Studie von YouGov und Statista der Spaß an der handwerklichen Arbeit (53 Prozent) sowie die Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben (48 Prozent). 47 Prozent der Befragten basteln gerne originelle Geschenke für ihre Lieben, 43 Prozent stellen individuelle Gegenstände für sich selber her, die sonst niemand besitzt.