Harburg. Idee von Tierschützern und Politik: Taubenschläge sollen Vermehrung und Verelendung der Vögel in den Griff bekommen.
Tauben haben keinen guten Ruf: „Ratten der Lüfte“ werden die Vögel gern genannt. Sie stehen in dem Ruf, Krankheiten zu übertragen, ernähren sich von Abfällen, verschmutzen die Stadt mit ihren Exkrementen, humpeln zerzaust über die Plätze und haben wenig gemein mit dem heilsbringenden Vogel aus Kunst und Katechismus. Ausgerechnet diesen Tieren soll die Stadt nun bessere Nistmöglichkeiten bieten, fordern die Abgeordneten von SPD und Grünen in der Harburger Bezirksversammlung. Manche fragen sich nun, ob diese Politiker einen Vogel haben.
Mitnichten, argumentieren Grüne und Sozialdemokraten. Taubenschläge könnten helfen, die Taubenpopulation im städtischen Raum unter Kontrolle zu bringen. „In anderen Städten hat man gute Erfahrungen damit gemacht“, sagt Jürgen Heimath, Fraktionsvorsitzender der SPD. „Die Idee, Bestand und Wohlergehen von Straßentauben in Taubenschlägen zu kontrollieren, wurde erstmals 1996 in Augsburg umgesetzt. Mittlerweile haben rund 60 Städte das Modell bereits übernommen.“
In Hamburg gibt es auch schon Taubenschläge für Straßentauben, einen im „Mäuseturm“ des Hauptbahnhofs, einen nicht weit davon entfernt auf dem Dach der „Zentrumsmoschee“ in St. Georg. Die Vögel, die man hier ansiedeln konnte, fressen artgerechtes Futter statt Müll, produzieren weniger Mist und lassen diesen auch noch größtenteils im Schlag, wo er sauber eingesammelt und entsorgt werden kann. Nach wenigen Wochen sind die Tiere gesünder und haben kaum noch Parasiten. „Man kann richtig beobachten, wie das Gefieder an Glanz gewinnt und die Tauben zu Kräften kommen, wenn von Brotkrümeln und Pommes auf Körnerfutter umgestellt wird“, sagt Susanne Gentzsch von Verein „Gandolfs Taubenfreunde“, der sich um verletzte Stadttauben kümmert.
Angst vor einer Taubenplage durch die verbesserte Gesundheit der Tiere muss man nicht haben, sagt Gentzsch: „Wenn die Tauben im Schlag brüten, kann man die Eier gegen Gipsattrappen eintauschen“, sagt sie. „So kann man den Bestand niedrig halten.“
Stadttauben sind nämlich die reinsten Brutmaschinen und daran hat der Mensch keinen geringen Anteil. Als Promenadenmischung aus Felsentaube, Haustaube und einem Schuss Ringeltaube haben die Stadttauben vor allem Eigenschaften der ersten zwei Arten geerbt. Dazu gehört unter anderem, dass sie bis zu acht Brutzyklen in einem Jahr unterbringen können. Natürlich wären ein bis zwei, aber die Haustaubenzüchter haben die Produktivität der Vögel immer höher geschraubt. Dass hilft der Stadttaube, überhaupt als Art zu überleben, denn durch die städtischen Fütterungsverbote – auch in Hamburg gilt eines – verhungert die Brut oft schon im Nest, da die Elterntiere nicht genügend Futter finden, um sich und den Nachwuchs zu versorgen. Das wird durch eine weitere Zuchteigenschaft verstärkt, die viel gelobte „Standorttreue“ der Tauben wird ihnen zum Verhängnis. Echte Felsentauben fliegen problemlos viele Kilometer auf Futtersuche. Den Haustauben hat man das abgewöhnt. „Der Radius einer Stadttaube ist nur wenige hundert Meter um das Nest, in dem sie geschlüpft ist“, sagt Taubenfreundin Gentzsch. „Deshalb lockt man mit einem Taubenschlag auch nicht massenweise fremde Vögel an. Es kann aber sein, dass Brutpaare doch wieder außerhalb des Schlags nisten, wenn der sich als zu klein erweist.“
Was von der Felsentaube noch im Erbgut der Stadttaube bleibt, ist der Wunsch, auf Stein zu brüten. Deshalb sind Mauervorsprünge und Fenstersimse bei Tauben so beliebte Orte. „Der ideale Taubenschlag befindet sich auf einem Dach, aber auch nicht höher, als 25 Meter“, sagt Susanne Gentzsch.
Mit einem Schlag alleine lässt sich Harburgs Stadttaubenpopulation nicht in den Griff bekommen. Für ganz Hamburg rechnen Experten mit einem Bedarf von 90 bis 150 Taubenschlägen. „In Harburg finden wir Taubenpopulationen von jeweils ca. 100-300 Tieren am Harburger Rathaus, im Bereich des Herbert-Wehner-Platzes, im Bereich Lüneburger Tor und Lüneburger Straße, am Seeveplatz und am Harburger Bahnhof“, schreibt der Grünen-Abgeordnete Jürgen Marek.
„Gut wäre es, wenn Einkaufszentren, Bahnhöfe und Parkhäuser Platz auf ihren Dächern schaffen könnten“, sagt Gentzsch, „denn dort sind die Vögel hauptsächlich zu finden.“