Winsen. Die Zukunft des Flusses steht seit Jahren auf der Kippe. CDU will das touristische Potenzial untersuchen lassen.

Ehemals war sie ein wichtiger Schifffahrtsweg von Lüneburg zur Elbe, nun gerät die Ilmenau allmählich in Vergessenheit. Offiziell ist ihr Schicksal besiegelt: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) will den Fluss als Bundeswasserstraße entwidmen, zu einem möglichst kostengünstig zu unterhaltenden Gewässer rückbauen und dem Wasserverband der Ilmenau-Niederung als Eigentum übertragen.

Die Winsener CDU-Stadtratsfraktion sieht dagegen erhebliche Entwicklungschancen für den unteren Abschnitt des 90 Kilometer langen Heideflusses. Wäre er für Sportboote durchgängig bis Lüneburg befahrbar, so profitierten sowohl der Tourismus als auch der Denkmalschutz, so die Lokalpolitiker. Sie sind mit dieser Ansicht nicht allein.

Die Stadt Winsen möge prüfen, welches touristische Potenzial das historische Nadelwehr samt Schleuse in Fahrenholz für die Winsener Region habe, lautet ein CDU-Antrag, der am Donnerstag zunächst im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft diskutiert wird.

Weiterhin geht es um die Folgen eines sinkenden Wasserstandes für die Gewässerökologie und für die auf Holzpfählen gegründeten Bauten in Lüneburg. Denn im Zuge des bislang anvisierten Rückbaus der drei reparaturbedürftigen historischen Nadelwehre und Schleusen in Fahrenholz, Wittorf und Bardowick würde sich der Wasserstand der Ilmenau in etwa halbieren.

Bernd Strauch hebt auf dem Wehr eine der zur Regulierung des Wasserstands gezogenen Nadeln an.
Bernd Strauch hebt auf dem Wehr eine der zur Regulierung des Wasserstands gezogenen Nadeln an. © HA | Angelika Hillmer

Bereits 2012 erstellten das für die Ilmenau zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Lauenburg und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) eine Machbarkeitsstudie zur Umgestaltung der Ilmenau.

Demnach sei der Erhalt der drei historischen Nadelwehre, errichtet im Zuge der Kanalisierung der Ilmenau in den Jahren 1892/93 (Fahrenholz, Wittorf) und 1934 (Bardowick), mit rund 20 Millionen Euro zu teuer. Sie sollten, so die Studie, abgerissen und wie die Schleusen durch Sohlgleiten (Schwellen am Flussgrund) ersetzt werden.

Die Studie stieß auf Widerstand. Die Landkreise Lüneburg und Harburg protestieren ebenso gegen diese von der WSV favorisierte Zukunftsvariante wie auch Städte und Gemeinden entlang des Flusses. Sie alle gehören zu den 125 Mitgliedern des Vereins Historische Ilmenau. Er kämpft dafür, möglichst viele der denkmalgeschützten Wasserbauwerke zu erhalten und den Unterlauf der Ilmenau wieder für Sportboote befahrbar zu machen.

Die Schleuse in Bardowick wurde 2014 gesperrt.
Die Schleuse in Bardowick wurde 2014 gesperrt. © Markus Steinbrück | Markus Steinbrück

Bernd Strauch vom Vorstand des Vereins war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2014 beim WSA Lauenburg für die Ilmenau mit zuständig. Er hält die in der Machbarkeitsstudie angeführten Sanierungskosten für zu hoch gegriffen: „Um den Wasserstand nicht zu stark abzusenken, müssen neue Wehre installiert werden. Das ist teurer, als ab und an mal die Wehrnadeln ziehen zu lassen, um den Wasserstand zu regeln. Auch die Schleusen könnten mit einem geringeren Aufwand ertüchtigt werden. Beispiel Bardowick: Die Schleuse braucht neue hölzerne Tore. Uns liegt darüber ein Angebot von 130.000 Euro von einer lokalen Zimmerei vor.“

Die Samtgemeinde Bardowick würde, nach Angaben des Bürgermeisters die Schleuse gern übernehmen, vorausgesetzt, der Gemeinderat stimme zu, sagt Strauch.

Man könne wahrscheinlich nicht alle historischen Schleusen und Wehre erhalten, sagt Strauch. „Aber zumindest eine Schleuse mit Nadelwehr sollte erhalten bleiben“, so Strauch. Anders als vom WSA kalkuliert und verworfen hält er es für ausreichend, die bestehenden Schleusen nur soweit zu ertüchtigen, dass sie von Sportbootfahrern im Handbetrieb zu bedienen sind. Strauch: „Das WSA hatte den Elde-Müritz-Kanal als Vorbild genommen. Aber wir brauchen keine automatischen Schleusen und keine Videoüberwachung, weil der Bootsverkehr deutlich geringer sein würde.“

Historischer Schiffsverkehr auf der Ilmenau.
Historischer Schiffsverkehr auf der Ilmenau. © Förderverein Historische Ilmenau | Förderverein Historische Ilmenau

Frank Büchting, Stellvertretender Leiter des WSA Lauenburg, kann sich mit den Nadelwehren nicht anfreunden: „Mit dem Wasserverband ist vereinbart, dass er den Fluss hergerichtet mit neuen Anlagen übernimmt. Schon wegen der Arbeitssicherheit. Das Nadelnziehen ist nicht mehr zeitgemäß. Wir können keine Bauwerke übergeben, die wir selbst nicht mehr nutzen wollen.“

Bis die alten Flussbauwerke tatsächlich geschleift werden, wird noch viel Wasser die Ilmenau hinunterfließen. „Wir befinden uns in einem frühen Stadium der Planung“, sagt Büchting – sechs Jahre nach Vorstellung der Machbarkeitsstudie zum Flussumbau.

Eigentlich war für November 2018 ein sogenannter Scoping-Termin zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) der geplanten Maßnahmen angesetzt. Dies ist eine behördliche Abstimmung darüber, was genau in der UVP untersucht werden soll. Doch diese Abstimmung werde nun wohl erst im Laufe des Jahres 2019 stattfinden, so Büchting.

Der Scoping-Termin war der Anlass des CDU-Antrags an die Stadt Winsen, die Potenziale der Ilmenau für die Region zu erkunden. Dazu bleibt nun noch etwas mehr Zeit.

Das Nadelwehr

1886–88 wurden 500 Meter östlich von Fahrenholz die Schleuse und eines von drei Nadelwehren in die Ilmenau gebaut. Das Wehr kann den Wasserstand des kanalisierten Flusses zentimetergenau regulieren. Es besteht aus 450 vierkantigen Holzpfählen (Nadeln). Sie stehen am Flussgrund an einer Mauerkante und oberhalb der Wasserlinie an einem Laufsteg. Sie werden durch den Wasserdruck festgehalten.

Eine Anweisung an den Schleusenwärter aus dem Jahr 1894 besagte, dass er bei Pegeln oberhalb von 2,60 Metern oder bei Eisbildung oberhalb des Wehres eingreifen und Nadeln ziehen muss. Neben dem Wehr ist eine Fischtreppe angelegt. Lachs, Meerforelle, Stint und andere Fische laichen im Oberlauf.

1975 Frachtschiffe und 541 Dampfmotorboote passierten anno 1908 die Fahrenholzer Schleuse. Nach historischen Aufzeichnungen beförderten sie 53.529 Tonnen Fracht.

Die Ilmenau entsteht südlich von Uelzen aus dem Zusammenfluss der Heideflüsse Gerdau und Stederau. Der 29 Kilometer lange Abschnitt von Lüneburg bis zur Mündung in die Elbe bei Hoopte ist formal (noch) eine Binnenschifffahrtsstraße.

KOMMENTAR

Historischen Schatz gemeinsam heben

Die alte Salzstadt Lüneburg unterhält ein modernes Museum, das ihr historisches Erbe öffentlichkeitswirksam präsentiert. Im Mittelalter wurde das „weiße Gold“ über die Ilmenau zur Elbe transportiert. Über Jahrhunderte war der Heidefluss ein wichtiger Schifffahrtsweg. Andernorts werden alte Wasserwege touristisch genutzt, zum Teil unter kommunaler Regie, zum Teil in Privatinitiative bewirtschaftet wie etwa der Elisabethfehnkanal in Ostfriesland. Durch gemeinsame Anstrengungen sollte die Ilmenau ein attraktives Ausflugsziel werden. Zu Wasser und zu Land.

Entlang des Flusses gibt es Ideen, den unteren Abschnitt für Freizeitboote wieder schiffbar zu machen und die historischen Bauwerke touristisch zu erschließen – drei der vier in Niedersachsen verbliebenen Nadelwehre stehen zwischen Fahrenholz bei Winsen und Bardowick. Es gibt Gasthäuser am Fluss, wie den Aalkrug in Bardowick, die früher einen eigenen Anlegesteg hatten. Im Bereich Lüneburg oder entlang des Flusslaufs ließe sich mit etwas Startkapital ein kleiner Yachthafen mit Sanitärhäuschen bauen. Und kleinere Fahrgastschiffe sowie historische Frachter könnten Schaulustige über den Fluss schippern.

Die Landkreise Harburg und Lüneburg fördern ihren Tourismus, zum Beispiel über die Flusslandschaft Elbe GmbH. Ebenso die Gemeinden und das Land Niedersachsen. Dazu vergibt die EU Fördermittel an Projekte, die Denkmalschutz und Touristik verbinden. Wie gut das funktionieren kann, zeigt ein Beispiel in der Nachbarschaft: die Wassermühle Karoxbostel bei Hittfeld. Hier hat ein zugkräftiger, inzwischen preisgekrönter Verein ein zunächst übergroß anmutendes Projekt angepackt. Die Ilmenau hätte es ebenso verdient.