Harburg. Wer Kollegen anwirbt, bekommt 1000 Euro. Kreisverband will auch neues Ausbildungsmodell einführen
Kinderbetreuung wird zum Problemfall. Nicht nur, dass es zuwenig Kitaplätze gibt – mindestens 280 fehlen nach offizieller Schätzung der Behörde für Arbeit, Familie, Soziales und Integration allein in Harburg (das Abendblatt berichtete) –, es fehlt allenthalben vor allem auch am fachpädagogischen Personal. Das spürt zunehmend auch der DRK-Kreisverband Harburg. „Der Mangel an pädagogischen Fachkräften ist eine unserer größten Herausforderungen“, sagt DRK-Vorstand Harald Krüger. So groß ist die Not, dass der Kreisverband jetzt zu einem ungewöhnlichen Mittel greift: DRK-Mitarbeiter, die neue Kollegen gewinnen können, bekommen 1000 Euro Prämie.
„Wir zahlen 500 Euro bei Vertragsabschluss und weitere 500 nach bestandener Probezeit“, sagt Krüger. Er ist überzeugt: „Unsere Mitarbeiter sind die besten Werbeträger.“ Sie wüssten am ehesten um die Qualität des DRK als Arbeitgeber und Träger der Einrichtungen. 35 sind es im Bereich der Kinder- und Jugendeinrichtungen, die das DRK im Bezirk Harburg betreibt – mit rund 400 pädagogischen Fachkräften, die meisten von ihnen Frauen. „Wir könnten auf der Stelle weitere 30 einstellen“, sagt Krüger.
Der DRK-Kreisverband Harburg belässt es aber nicht allein bei der Zahlung von Prämien. „Wir denken auch über Reisegutscheine nach“, sagt Krüger. Ohnehin werden freie Stellen in ganz Norddeutschland ausgeschrieben. Dass Fachschüler in Kitas Praktika absolvieren, gehört zum Standard. Beim DRK werden diese Praktika jedoch teilweise sogar vergütet. „Das ist sonst völlig unüblich“, sagt der DRK-Chef.
Im kommenden Jahr soll es weitere Veränderungen geben. Zum Beispiel ein neues Vergütungssystem, im Mittelpunkt ein Lebensarbeitszeitkonto (auf freiwilliger Basis), dass den Erzieherinnen und Erziehern ein sogenanntes Sabbatical, also ein Sabbatjahr, ebenso ermöglicht wie Altersteilzeit. „Ich kenne persönlich niemanden in diesem Beruf, der ihn bis 65, 67 Jahren ausübt“, sagt Krüger: „Er ist mental und körperlich sehr fordernd.“
Um attraktiv für neue Mitarbeiter in der Kinderbetreuung zu sein, bietet das DRK den Neuen gleich beim Einstieg Fortbildungen zu von ihnen bevorzugten Themen an. Außerdem schwebt Krüger ein neues Ausbildungsmodell vor: „Ein sehr niedrigschwelliges Angebot, das innerhalb von drei, vier Jahren berufsbegleitend einen qualifizierten Berufsabschluss vermittelt – und einen unbefristeten Anstellungsvertrag.“
Dass es zu wenig Erzieherinnen und Erzieher gibt, hat mehrere Gründe. Die Elbkinder – die städtische Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten (185 Einrichtungen in ganz Hamburg, 14 im Bezirk Harburg) führt in diesem Zusammenhang etwa die Einführung der kostenlosen Ganztagsbetreuung sowie den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz an. Harald Krüger nennt weitere Ursachen. Die Ausbildung dauere unverhältnismäßig lange, je nach Eingangsvoraussetzung bis zu vier, fünf Jahren. Wer sich darauf einlässt, ist Vollzeitschüler und Teilzeit-Praktikant in einer Einrichtung – ohne jede Vergütung. Für Harald Krüger ein Unding: „Es ist unzumutbar, dass diese jungen Leute ihren Familien weiter auf der Tasche liegen.“ Und dann ist die Bezahlung nach der Ausbildung auch noch mäßig. Das Gehalt variiert je nach Träger. Im Schnitt verdient ein Erzieher jedoch 2600 Euro und ein Sozialpädagogischer Assistent etwa 2400 Euro. In der Spitze sind es dann nach Jahren im Beruf rund 3700 (3200 Euro). Hinzukommt, dass Teilzeitverträge eher die Regel denn die Ausnahme sind, da bei der Kinderbetreuung vor allem die Fünf-Stunden-Plätze nachgefragt werden.
Außerdem gibt es kaum Aufstiegsmöglichkeiten. So kommt es, dass viele, die eine Fachschule für Sozialpädagogik absolvieren, sich gar nicht erst in den Kitas bewerben. „Die Hälfte macht weiter und studiert Sozialpädagogik“, sagt Harald Krüger. Gerade Männer versuchten danach ihr Glück lieber in der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Das Harburger Rote Kreuz würde sie liebend gerne für die Kinderbetreuung begeistern. Generell gilt, wer Erzieher/Erzieherin oder Sozialpädagogische(r) Assistent(in) beim DRK werden möchte, kann sich jederzeit unter bewerbungen@drk-harburg.hamburg informieren lassen.