Harburg. Kitas kritisieren Verfahren der Behörde bei Anträgen für den Bau neuer Einrichtungen. Bezirksamt sieht die Schuld bei Antragsstellern.
Der Trägerverein SterniPark muss seine für Oktober geplante Eröffnung der neuen Kindertageseinrichtung in der Wilhelmstraße verschieben. Der Verein, der in Hamburg 19 Kitas betreibt, konnte sich trotz monatelangen Verhandlungen nicht mit dem Bezirksamt über die Umbaupläne einigen. Infolgedessen werden Dutzende Betreuungsverträge, die ab Oktober in der neuen Einrichtung starten sollten, nicht erfüllt werden können.
Wie berichtet soll in dem ehemals vom Gesundheitsamt genutzten Gebäude in der Wilhelmstraße eine Kita für sieben Gruppen, also für rund 120 Kinder entstehen. Außerdem ist die Einrichtung einer pädagogischen Fachschule geplant, sowie der Bau von vier Wohneinheiten in einem Staffelgeschoss. Die Baugenehmigung wurde am 27. November vergangenen Jahres beantragt.
Zehn Monate später gibt es noch immer keine Baugenehmigung aus dem Bezirksamt. „Stattdessen kommt es zu immer neuen Forderungen der Behörde“, sagt SterniPark-Geschäftsführerin Laila Moysich. „Wir haben in Harburg 80 Kinder auf der Warteliste. Viele haben ab Oktober einen Vertrag, der nun nicht eingehalten werden kann.“ Für die Eltern mit kleinen Kindern sei die Situation in Harburg inzwischen dramatisch.
Der Mangel an Kita-Plätzen im Stadtkern ist tatsächlich eklatant hoch. Die zuständige Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) beziffert ihn auf 280 fehlende Plätze. Laut Betreiber sind es jedoch weitaus mehr. Demnach fehlen in Harburg aktuell rund 350 Kindergartenplätze.
Einrichtungen beklagen, dass sie Eltern und Kinder trotz Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nach Hause schicken müssen. „Allein in den vergangenen Monaten mussten wir täglich zehn Anfragen von Eltern nach einem 5-Stunden-Platz ablehnen“, sagt Natalya Yanitska, Bereichsleiterin Harburg und zuständig für die SterniPark-Kita Museumsplatz.
Doch als sich mit den Umbauplänen für das ehemalige Gesundheitsamt eine schnelle und unkomplizierte Lösung des Problems abzeichnete, begann sie neue Verträge abzuschließen. 60 Kinder wollte sie in der neuen Einrichtung unterbringen. Sie stehen nun auf der Straße.
Denn geschehen ist bislang nichts. Das zuständige Bezirksamt sieht den Grund für die Verzögerung bei Betreiber SterniPark. „Es fehlen noch immer wichtige Unterlagen wie zum Beispiel ein Brandschutzkonzept“, sagt deren Sprecherin Bettina Zech.
Auch handle es sich um einen Gesamtantrag mit unterschiedlichen Nutzungen, der unterschiedlichen Aufwand erzeuge. Auf mehrmalige Nachfrage der Sachbearbeiterin, ob wegen der Eilbedürftigkeit die Geschosse für die Kita gesondert beantragt werden sollen, hätte das Bezirksamt keine Antwort erhalten. Eine Aussage, die so nicht richtig sein kann.
„Wir haben im März einen abgespeckten Bauantrag für die Wilhelmstraße eingereicht, in dem es lediglich um den Umbau des Erdgeschosses geht“, sagt Laila Moysich. „Auf diesen Antrag haben wir bis heute keine Antwort erhalten.“ Auch das Brandschutzkonzept, erstellt von einer renommierten Hamburger Firma, die auch für die Elbphilharmonie tätig war, liege seit Monaten vor.
Um wenigstens einigen Betroffenen eine Betreuung zu ermöglichen, hat Leiterin Natalya Yanitska einen Teil der neuen Kinder in einer Dependance in Wilhelmsburg untergebracht. Die Vorschulgruppe hat sie auf 26 Kinder aufgestockt. Und auch im Elementar- und Krippenbereich ist sie bis an die Grenzen gegangen. „Jetzt aber ist das Maß voll“, sagt sie. „Und ich bin entsetzt, dass das keinen Menschen hier in Harburg interessiert.“
Die Behörde weist die Vorwürfe zurück. „Prozesse beschleunigen kann in erster Linie der Antragssteller durch gute Bauvorlagen“, sagt Sprecherin Bettina Zech. Am Ende komme es regelmäßig auf die planerische Qualität der Unterlagen an. „SterniPark betreibt in Hamburg bereits 19 Kitas“, sagt Laila Moysich. „Wir wissen daher ziemlich genau, was die Behörden fordern.“
Im Harburger Bezirksamt scheine es darum zu gehen, Projektplanungen möglichst lange hinzuziehen. Oder gänzlich zu blockieren. Diese Erfahrung macht auch Erhard Erichsen, Präsident des Harburger Sportclubs HSC. Dieser betreibt seit 1996 eine Kita auf dem Sportgelände am Rabenstein. Im vergangenen Jahr beschloss der Verein, eine zweite Kindertagesstätte zu bauen.
Diese Sport-und Bewegungskita soll vor und um den Eingangsbereich der Tennishalle in der Scharfschen Schlucht hochgezogen werden. Die Einrichtung sollte in diesem Herbst eingeweiht werden. Doch bis heute ruht das Projekt.
Die Pläne wurden bislang nicht genehmigt, da drei Eichen im Weg stehen, die nicht gefällt werden dürfen. „Unser Architekt hat sieben Vorschläge gemacht, sechs wurden abgelehnt“, beklagt Erichsen. „In Harburg gilt: Baumwohl vor Kindeswohl! Offenbar ist dem Bauamt nicht bewusst, wie dringend wir weitere Kitaplätze in Harburg brauchen.“ 5000 Euro musste der gemeinnützige Verein für ein Lärmgutachten ausgeben in einer Gegend, in kaum ein Mensch und Auto unterwegs ist. Weitere 2000 Euro wurden in ein Baumgutachten investiert.
„Die Mütter sind verzweifelt, weil sie ihre Kinder nicht in die Betreuung geben können“, sagt Erhard Erichsen, der in diesem Zusammenhang eine mangelhafte Stadtplanung kritisiert. „In die Neubauten Sinstorfer Höhe sind unzählige Familien eingezogen“, sagt er. „Dass diese einen Kitaplatz für ihre Kinder brauchen, hat niemand bei den Planungen bedacht.“ Erichsen sieht den „schwarzen Peter“ nun beim Bauamt.
„Wir haben alle Unterlagen von einem anerkannten Architekten, der bereits mehr als 50 Kitas in Hamburg gebaut hat, erstellen lassen und eingereicht. Jetzt warten wir.“ Von Seiten des Amtes heißt es jedoch: „Der Antrag muss überarbeitet werden.“ Und: „Die verabredeten Unterlagen sind jedoch noch nicht eingegangen.“
Die Pläne
SterniPark e.V. betreibt in Hamburg 19 Kindertagesstätten, davon zwei in Harburg (Museumsplatz und Helmsweg). Derzeit laufen die Anträge für zwei weitere Einrichtungen in der Wilhelmstraße und im ehemaligen Hauptzollamt an der Buxtehuder Straße.
Im ehemaligen Hauptzollamt sollen 120 Plätze für Krippen- und Elementarkinder entstehen. Für diese Immobilie lag bereits 2013 eine Baugenehmigung für eine Kita vor, die trotz Antrag von SterniPark nicht verlängert wurde. Vor wenigen Wochen wurde der Träger von der Behörde darüber informiert, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht. Jetzt müssen die Anträge überarbeitet werden.
Der HSC betreibt am Hölscherweg bereits seit 22 Jahren eine Kita, das „Rabennest“. Jetzt will der Verein auf eine neue Sport- und Bewegungskita vor und um den Eingangsbereich der Tennishalle in der Scharfschen Schlucht bauen.
Ein erster Antrag für einen Bau entlang der Halle wurde abgelehnt. Jetzt sollen die Räume durch eine Aufstockung des Eingangsgebäudes geschaffen werden. 60 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren sowie eine Krabbelgruppe sollen in dem Neubau betreut werden.
Kitaneubau
Im Bezirk Harburg gab es in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 18 genehmigte Anträge für Neubau, Erweiterung und Nutzungsänderung für Einrichtungen der Kinderbetreuung.
Sieben Anträge sind derzeit in der Prüfung, von denen es bei fünf zu Verzögerungen im Genehmigungsverfahren kam, weil die eingereichten Unterlagen unvollständig sind.
Die BASFI steht im Genehmigungsprozesses beratend zur Seite. Eine Checkliste für den Bauantrag zum Errichten einer Kita gibt es für Hamburg nicht.
Die Stadt Nürnberg hingegen hat, damit das Bauantragsverfahren gut läuft, eine Checkliste erstellt, in der genau angegeben wird, welche Formblätter, schriftliche Unterlagen, Nachweise und Bauzeichnungen vorgelegt werden müssen, damit der Antrag schnell bearbeitet werden kann.
Sie steht im Internet unter https://www.nuernberg.de/imperia/md/kinderbetreuung/dokumente/kita_ausbau/bauantrag_checkliste.pdf