Harburg. Noch werkeln Marcel und Heike Klovert auf ihrem umgebauten Frachter. Erste Übernachtungen sind gebucht.

„Ich kann mich noch gar nicht richtig auf die Eröffnung freuen, denn jetzt ist es gerade sehr stressig. Keine Arbeiten können mehr aufgeschoben werden, alles muss fertig werden“, sagt Marcel Klovert. Seit zwei Jahren baut er mit bezahlten und unbezahlten Helfern den ausgedienten Binnenfrachter „Lydios“ (Baujahr 1914) im Binnenhafen zu Harburgs kleinstem Hotel um. Und verwirklicht damit einen Traum, den er mit seiner Frau Heike teilt.

Am 3. Oktober startet um 17 Uhr am Lotsekai direkt vor dem Schiff die Eröffnungsfeier. Am Sonnabend, 13. Oktober, logieren dann die ersten Übernachtungsgäste im „Kanal 77 – Schlafen im Hafen“.

Knapp zwei Wochen vor dem Fest wird an Bord noch kräftig gewerkelt. Der Empfangstresen, der auf alten, umgestalteten Ölfässern ruht, ist bereits fertig. Ebenso die Frühstücks- und Getränkeausgabe nebenan. Der Holzfußboden im Frühstücksraum, die Tische und Stühle brauchen noch eine Endreinigung. In einer Ecke steht noch Baumaterial. Und für den Einzug des braunen Chesterfield-Sofas, das dem recht rauen Schiffs-Charme etwas Gemütlichkeit entgegensetzen soll, ist es ebenfalls noch zu früh. Es parkt noch im Wäschekeller von Freunden.

Die Betten stehen schon, das Bettzeug fehlt noch
Die Betten stehen schon, das Bettzeug fehlt noch © HA | Angelika Hillmer

In den Zimmern laufen die letzten handwerklichen Arbeiten. Auch von außen wird das Frachtschiff, das zum Nachtschiff wurde, weiter aufgehübscht. Zudem fehlen noch die technischen Abnahmen. „Das Schiffszertifikat SUK stellt mir gerade eine holländische Firma aus. Dann kommt noch jemand vom Amt, der Sicherheitseinrichtungen wie Brandschutz, Rettungswege und Notbeleuchtung inspiziert“, sagt Marcel Klovert.

Es habe während des Umbaus schon einige „Ogottogott“-Momente gegeben, räumt der 50 Jahre alte Familienvater ein. Etwa als klar wurde, dass auch die zweite Finanzierungstranche nicht ausreichen wird. „Aber ans Aufgeben dachten wir nie“, sagt er in einem Tonfall, der Entschlossenheit hörbar macht.

Marcel Klovert am Bullauge eines Doppelzimmers
Marcel Klovert am Bullauge eines Doppelzimmers © HA | Angelika Hillmer

Zusammen mit seiner Frau und dem fünfjährigen Sohn Tom bewohnt Klovert das Heck des ehemaligen Binnenfrachters. Er wird den Hotelbetrieb allein managen. Ihm zur Seite wird eine Servicekraft stehen, die notfalls den Bordbetrieb schmeißen kann, falls Marcel Klovert einmal ausfällt. Seine Frau wird weiterhin bei „Spiegel online“ arbeiten. „Ich liebe meinen Job“, sagt die 36-Jährige. Zudem braucht die Familie ein sicheres Einkommen.

Immerhin läuft der Hotelbetrieb an, ohne dass die Kloverts bisher in Werbung investieren mussten. „Wir sind auf Facebook vertreten und haben dort fast 200 Leute, die uns folgen“, sagt Heike Kloverts. Es sei geplant, die schwimmenden Zimmer auch auf den Übernachtungsportalen Airbnb und Booking.com zu vermarkten.

„Es kommen täglich Leute vorbei, die nach dem Projekt fragen“, sagt der angehende Hotelier. „An zehn Nächten haben wir bereits Übernachtungsgäste.“ Zum Teil sei das komplette Schiff gebucht worden, so Klovert. Früher lagen im Frachtraum der „Lydios“ Kohle, Kies, Salz oder Viehfutter. Heute umfasst er den Empfangs- und Frühstücksraum, vier Doppelzimmer, ein Familienzimmer und einen Gang zu den Zimmern, die jeweils über eigene Duschen und Toiletten verfügen. Ein kostenloses Hotel-WLAN ist ebenfalls geplant. Die Doppelzimmer sollen 100 Euro kosten, das Familienzimmer im Bug des Schiffes 140 Euro.

Hier geht’s hinein. Das Paar freut sich auf die ersten Gäste
Hier geht’s hinein. Das Paar freut sich auf die ersten Gäste © HA | Angelika Hillmer

„Ein Frühstück werden wir nahezu zum Selbstkostenpreis anbieten“, sagt Marcel Klovert. Er will eine entspannte Atmosphäre schaffen, in der sich die Gäste gerne auf- und unterhalten. Darauf deutet auch der Hotelname hin: Kanal 77 ist derjenige Funkkanal, auf dem die Schiffer und Schleusenwärter im Hafen miteinander plaudern können. Auf allen anderen Kanälen wird nur in knappen Worten kommuniziert, um sicher manövrieren zu können.

Neben den schwierigen Momenten in der zweijährigen Umbauphase gab es auch einige Highlights. „Als wir in diesem Sommer in der Hitze am Arbeiten waren, sind wir jeden Tag zwischendurch einfach in den Kanal gesprungen. Das war herrlich“, sagt Heike Klovert. „Und beim Hafenfest habe ich mit Tom den Gelben Kran erklommen und auf unser Schiff geschaut. Da ging mir durch den Kopf, wie schön wir es doch haben.“ Dieses Gefühl wollen die Kloverts nun mit ihren Gästen teilen.

Museumshafen

Der Liegeplatz des schwimmenden Hotels „Kanal 77“ gehört zum Museumshafen Harburg (www.muhahar.de). Er hat sein Büro in der Fischhalle am Kanalplatz 16 und zeigt „alte Wasserfahrzeuge und Hafenkultur“.

Der Hafenverein organisiert Veranstaltungen wie zum Beispiel den schwimmenden Nikolausmarkt (in diesem Jahr am 1./2. Dezember), regelmäßige Stammtische sowie gemeinsame Hafen-Arbeitstage. Denn es gilt, neben den Schiffen auch den gelben Kran (und einen weiteren blauen) sowie die beiden Kesselwagen am Lotsekai baulich instand zu halten oder zu bringen.