Mittlerweile verteilt die Fahrradgruppe der Flüchtlingshilfe Binnenhafen in ganz Hamburg reparierte Räder. Spender werden gesucht.

Es ist viel los in der Werkstatt der Cycle Group an der Wetternstraße in Harburg: Ehrenamtliche erneuern Bremsbeläge, flicken Reifen, tauschen Ketten aus. Der gesamte Raum ist vollgestellt mit Fahrrädern, einige hängen an Ketten befestigt von der Decke. Klaus Woith, Gründer der Cycle Group, händigt reparierte Fahrräder an Flüchtlinge aus. Immer wieder kommen Kinder mit defekten Rädern vorbei. Einer der Freiwilligen schaut sich den Schaden an und repariert ihn mit einem schnellen Handgriff. Im Anschluss testet der Erwachsene jedes kleine Fahrrad selbst, was die Kleinen ganz besonders amüsiert.

Seit April 2016 ist die „Cycle Group“ , die Fahrradgruppe, eine Initiative ehrenamtlicher Harburger Flüchtlingshelfer, im Binnenhafen aktiv. Sie macht gespendete Fahrräder fahrtüchtig und verschenkt sie an Flüchtlinge. Es können sich aber auch Wohnungslose und sozial Schwächere an die Initiative wenden. Mehr als 500 Fahrräder gelangten so schon an dankbare neue Besitzer. Und es stehen immer noch gut 200 Personen auf der Warteliste. So müssen die Geflüchteten oft viele Wochen auf ein Fahrrad warten.

Die Harburger Initiative wird auch deshalb so oft angefragt, weil viele Hamburger Fahrradgruppen aufgegeben haben. Sie konnten keine freiwilligen Helfer mehr finden. „Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, lässt nach“, sagt Klaus Woith. Der Rentner (68) kümmert sich gemeinsam mit Ehefrau Heidi um die Organisation der Cycle Group. Er holt gespendete Fahrräder ab und kümmert sich um die Finanzen. Mittlerweile ist das Ehrenamt zu einem 4-Tage-Job geworden. Fahrräder repariert er selbst nicht: „Das ist besser für die Räder“, sagt er und lacht.

Kunde Rawesh Rahimi freut sich über sein neues Fahrrad
Kunde Rawesh Rahimi freut sich über sein neues Fahrrad © Emma Körting | Emma Körting

Dafür schrauben neun andere freiwillige Helfer in der Werkstatt auf dem Gelände von „fördern und wohnen“ und leisten damit Integrationsarbeit mit Schraubenzieher und Kattenspanner.. Hier befindet sich einer von zwei Standorten der Initiative. Angefangen hat die Cycle Group in einem 12 Quadratmeter-Container, der im Binnenhafen steht. Der Raum war allerdings sehr schnell zu klein – und im Winter viel zu kalt.

Seit einem Jahr hilft auch der Rentner Holger Gehrt in der Werkstatt mit. Er erinnert sich: „Eigentlich wollte ich an meinem ersten Tag nur mal vorbeischauen, aber im nächsten Moment hielt ich schon einen Schraubenschlüssel in der Hand.“ Der ehemalige Elektroingenieur möchte seine Zeit als Rentner sinnvoll nutzen und war neugierig, wie die Arbeit mit Flüchtlingen in der Realität aussieht. Ihm gefällt, dass man so viele Menschen aus unterschiedlichen Lebensumfeldern und Ländern trifft. Das findet auch Klaus Woith so reizvoll an seinem Job: „Man lernt sowohl viele Flüchtlinge als auch viele Spender kennen.“ Bei denen holt er die Fahrräder mit einem VW-Bus ab.

„Kunden“, wie Woith die Empfänger der Fahrräder nennt, können einmal in der Woche ihr neues Rad abholen. Zum Teil stehen 60 bis 70 Personen vor der Werkstatt an. „Besonders leid tut es uns immer, wenn ein Kind vor uns steht und wir kein Fahrrad mehr übrig haben“, erzählt Heidi Woith.

Die Übergabe geht streng geordnet und bürokratisch vonstatten. So soll sichergestellt werden, dass an jeden nur ein Fahrrad ausgegeben wird. Die Kunden bekommen zusätzlich zum Rad ein Schloss sowie einen „Fahrrad-Pass“, auf dem alle wichtigen Informationen notiert sind. Dieser Pass ist hilfreich, wenn das Fahrrad gestohlen wird und der Diebstahl bei der Polizei angezeigt werden muss. Umgekehrt dient er aber auch als Eigentumsnachweis, wenn die Polizei Flüchtlinge verdächtigt, die neuen Räder gestohlen zu haben.

Der 29 Jahre alte Rawesh Rahimi erhielt vor wenigen Tagen zwei Fahrräder für sich und seine Frau. Er wurde in Afghanistan geboren und wuchs im Iran auf. Seit einigen Monaten wohnt er mit seiner Familie in einer Wohnung in Neugraben. Der Vater von drei Kindern würde gern Auto-Mechatroniker werden und in Neugraben bleiben. „Es ist so schön ruhig dort und ich habe viele nette Deutsche kennengelernt“, erklärt er seinen Wunsch. Das Fahrrad benötigt er, um seine Kinder zur Schule zu bringen und wieder abzuholen.

Besonders Kinderräder sind gesucht

Gegründet wurde die Cycle Group von Klaus Woith im April 2016 in Zusammenarbeit mit der „Flüchtlingshilfe Binnenhafen“. Ursprünglich für die ca. Flüchtlinge auf der „Transit“ entstanden, ist die Gruppe inzwischen in ganz Hamburg bekannt. Derzeit werden dringend Fahrräder benötigt, insbesondere Kinderräder aller Größen. Zu finden ist die „Cycle Group“ auf dem Gelände von „fördern und wohnen“ in der Wet­ternstraße 6, erreichbar unter Tel. 0172 453 47 74, k.woith@fluechtlingshilfe-binnenhafen.de