Der Ponyhof Meyers Park e.V. ist ein Ort, an dem Kinder, egal ob mit oder ohne Handicap, Zusammenhalt lernen. Therapiepony Donna hilft.
Zareen kann nicht laufen. Die dünnen Beine haben keine Kraft. Vornübergebeugt, den schmächtigen Oberkörper auf den Hebelantrieb seines Rollstuhls gelehnt, wartet der Neunjährige auf seinen Einsatz. Wachsam beobachtet der Flüchtlingsjunge die Situation. Und dann geht es los.
Donna wartet, das Therapiepony mit der weißen Mähne! 90 Minuten lang wird die Stute die Kinder der Schule Elfenwiese das Glück auf dem Rücken der Pferde fühlen lassen. Sie wird diese Kinder mit Behinderungen, mit Gendefekten, Autismus, Verhaltensauffälligkeiten und Zelebralparesen geduldig Runde um Runde tragen und ihnen auf diese Weise neue Kräfte schenken.
Mit geübten Griffen hebt Physiotherapeutin Manuela Franz den zierlichen Jungen aus dem Rollstuhl auf das Pony. Kollegin Laura Blume sitzt hinter dem Kind, stützt seinen steifen Rücken, führt die Hände an die Mähne. Donna setzt sich in Bewegung. Und plötzlich passiert etwas. Zareen entspannt sich, wird weich und biegsam. Er hebt den Kopf — und lächelt.
Dieses Lächeln ist es, das Heike Kühn und Katja Stoffregen vom Verein Ponyhof Meyers Park e.V. nicht einen Moment daran zweifeln lässt, dass das, was sie hier tun, richtig ist. Und dass sich die vielen tausend Stunden, die die beiden Frauen ehrenamtlich in den vergangenen Jahren in den Verein Ponyhof Meyers Park gesteckt haben, gelohnt haben.
Gemeinsam haben sie einen Ort geschaffen, an dem sich alle Kinder, egal ob arm oder reich, ob mit oder ohne Handicap, ob ängstlich oder mutig, groß oder klein, dick oder dünn, mit oder ohne Migrationshintergrund wohl und zuhause fühlen. Einen Hof, auf dem jeder lernen kann, mit einem lebendigen Wesen, das oft stärker ist als sie, umzugehen.
Die Kinder sollen hier natürlich Reiten lernen, aber auch, was Gemeinschaft bedeutet. Mirjana zum Beispiel, zwölf Jahre alt, hat hier alles über Pferdehaltung gelernt. Seit drei Jahren verbringt sie fast jeden Tag auf dem Hof. Sie hilft bei der Pflege der Ponys, dem Reinigen der Ställe. „Weil ich Tiere liebe“, sagt sie. „Und weil es ein schönes Gefühl ist, gebraucht zu werden.“
Oder Benjamin, den alle nur Benni nennen und der immer da ist, wenn Zäune repariert werden müssen oder Dächer instandgesetzt. Und dann gibt es Elif, 12, aus der Türkei sowie die Schwestern Rahime und Ramije aus Albanien, die jeden Sonnabend mit anpacken. 30 Mädchen sind es insgesamt, die freiwillig unterstützen. Oft kommen sie wegen einer Reitstunde und bleiben, um zu helfen, solange, bis ein Platz frei wird.
„Wir haben eine lange Warteliste“, sagt Heike Kühn. „Bei 160 Vereinsmitgliedern und 17 Pferden muss man Geduld haben.“ Denn oberste Devise auf dem Ponyhof ist die artgerechte Haltung der Pferde. „Es muss den Ponys gutgehen“, sagt Heike Kühn. „Kein Tier darf zu stark belastet werden.“ Und so führt die Bankerin eine genaue Liste, auf der festgehalten wird, was jedes einzelne Pony geleistet hat, wie es versorgt werden und untergebracht werden muss. Nie wieder will sie ein Tier leiden sehen.
Denn genau das war der Grund, warum Heike Kühn, Bankkauffrau und Mutter von drei Kindern, vor zehn Jahren beschloss, sich auf dem Ponyhof zu engagieren. „Damals war der Hof total runtergekommen. Der Reitplatz stand unter Wasser, die Ställe waren feucht und die Tiere verwahrlost“, sagt sie. Jedesmal, wenn sie mit ihren Töchtern zum Reiten kam, fühlte sie, dass sie etwas tun muss.
Also übernahm sie, als „Frau der Zahlen“, das Thema Finanzen und stellte mit Entsetzen fest, dass Gelder veruntreut wurden. Nach unzähligen Gerichtsverfahren verließ der damalige Vorstandsvorsitzende den Verein. Und Heike Müller begann mit ihren Kolleginnen Katja Stoffregen und Andrea Sander aufzuräumen. „Wir haben entmüllt und abgerissen, Sponsoren und Helfer gesucht, überlastete Tiere in gute Hände gegeben und uns um neue Ponys gekümmert“, erinnert sie sich. Mit Unterstützung der Eltern wurden neue Ställe gebaut, die Paddocks erneuert, Böden trockengelegt.
Längst hat sich herumgesprochen, dass der Ponyhof Meyers Park viel mehr ist als nur ein Ort zum Reiten. Er ist ein Treffpunkt für Menschen jeder Couleur und jeden Alters, ein Ort, an dem Integration und Inklusion gelebt werden, ein Hof, auf dem die Menschen erfahren, wieviel sie zurückbekommen, wenn sie etwas geben.
Inzwischen ist die Anlage auch äußerlich zum Vorzeigehof geworden. Mit großzügige Spenden, unter anderem vom Hamburger Spendenparlament, dem Bezirk und dem Verein Kitz4Kids e.V. konnte die Reitbahn komplett saniert werden, der Zaun erneuert und ein Zirkel zum Loungentraining gebaut werden.
Auf der überdachten Terrasse werden Kindergeburtstage gefeiert und wer nicht zum Verein gehört, hat die Möglichkeit für kleines Geld eine große Ponyrunde um den Platz zu reiten. „Von der Finanzierung her steht der Verein inzwischen auf gesunden Beinen“, sagt die Vorsitzende. „Aber wir brauchen jeden Mitgliedsbeitrag und das Geld aus den Ponyrunden, um den Betrieb zu finanzieren.“
Und so ist es bisweilen eine Gratwanderung, wenn an einem sonnigen Sonntag 300 Familien vorbeikommen, um eine Runde mit dem Pony zu gehen. Denn einerseits locken die Einnahmen, andererseits soll keinem Tier zuviel zugemutet werden.
Weil immer mehr Anfragen auch von Eltern sehr kleiner Kinder kommen, haben sich die Reittrainer ein weiteres Angebot ausgedacht: „Erstes Wissen Reiten“ heißt es und führt Kinder unter sechs Jahren an den Umgang mit Pferden heran. Sie lernen, ein Pony zu putzen, zu striegeln, aufzuzäumen und zu führen. Sie erfahren, wie das Tier gehalten und versorgt werden muss.
Und natürlich dürfen sie auch mal eine Runde reiten. Leni und Benjamin sind vier Jahre alt und mit Feuereifer dabei. „Na klar können wir reiten“, sagen sie selbstbewusst und streicheln Urmel über die weichen Nüstern. Urmel ist das einzige Pony aus dem alten Bestand. Er soll hier in Ruhe seinen Lebensabend genießen.
Auch gehörlose Kinder werden ins Hofleben integriert
Alle anderen Tiere sind neu hinzugekommen. Es sind Pferde von Privatpersonen, die ihre Tiere hier kostenlos unterstellen und versorgen lassen können. Im Gegenzug stellen sie ihr Pony dem Verein zur Nutzung zur Verfügung. „Wir entscheiden über die Arbeitsbelastung, was es zu fressen gibt und wo das Pony steht“, sagt Heike Kühn. „Jedes Tier bekommt genau das, was es braucht.“ Und jedes Kind natürlich auch. „Wir wollen für alle da sein“, sagt Katja Stoffregen, die sich die Arbeit auf dem Hof, die Aufgaben in der Verwaltung und die Verantwortung für die Kinder mit Heike Kühn teilt.
Und so ist es selbstverständlich, dass die Schule Elfenwiese ihre Kinder mit Behinderung zweimal in der Woche aufs Pferd setzen darf — und dabei nur einen ganz kleinen finanziellen Beitrag leisten muss. Oder dass der Verein eine Lösung findet, wenn ein Elternteil arbeitslos wird und den Beitrag nicht mehr bezahlen kann.
„Wir lassen niemanden im Stich“, betont Katja Stoffregen, die noch ein weiteres persönliches Engagement mitbringt. Für den Ponyhof lernte die 50-Jährige über zwei Jahre lang beim Deutschen Gehörlosenverband die Gebärdensprache „DGS“. „Ich bin in der Lage, mit gehörlosen Kindern und ihren Eltern einen Kontakt aufzubauen und den Reitunterricht für gehörlose Kinder zu geben bzw. als Co-Reitlehrer zu gebärden“, sagt sie.
Anders als bei den meisten Ponyhöfen bekommen gehörlose Kinder, die kein weiteres Handicap haben, im Meyers Park ganz normalen Reitunterricht. „Auf diese Weise werden sie ohne Hürden in unsere Reitgruppen und ins Hofleben integriert.“
Die Eltern zahlen für dieses Angebot keinen Cent mehr als für eine normale Reitstunde. „In anderen Vereinen bekommen gehörlose Kinder therapeutischen Reitunterricht, was aus unserer Sicht nicht richtig ist, denn gehörlose Kinder sind völlig normale Kinder, die genau wie andere Kinder reiten lernen können“, sagt Katja Stoffregen. „Und um mit hörenden Kindern im Heu herumzutoben oder Ponys zu bekuscheln, braucht man sowieso kein Gehör. Das kann jedes Kind!“
Das Angeot auf dem Ponyhof
Anfänger lernen zunächst Reiten an der Longe Dabei haben die Kinder einmal in der Woche Unterricht in einer Gruppe von max. vier Kindern. Die Dauer des Unterrichts richtet sich nach der Anzahl der Kinder. Bei 4 Kindern im Unterricht dauert dieser etwa eine Stunde.
In der Reitgruppe trainieren maximal acht Kinder zusammen. Das Training dauert 45 bis 60 Minuten. Hier reiten die Kinder Bahnfiguren in allen Gangarten, gehen mit dem Reitlehrer ausreiten und wagen erste Sprünge.
Der Mitgliedschaftsbeitrag beträgt für Longenunterricht und Reitunterricht in der Kindergruppe 50 Euro im Monat.
Ponyrunden sind ohne Anmeldung und Mitgliedschaft möglich. Dabei wird das Kind auf dem Pferd von einem Erwachsenen einmal um das gesamte Gelände geführt. Eine Runde kostet drei Euro.
Für Kindergeburtstage stellt der Ponyhof zwei Ponys für ein bis zwei Stunden zur Verfügung. Die Tiere werden gemeinsam geputzt, gesattelt und dann dürfen unter Begleitung eines Erwachsenen Ponyrunden geritten werden.
Der Ponyhof Meyer Park liegt an der Stader Straße 203 b und hat Montag bis Freitag von 15 bis 18 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Weitere Infos gibt es unter Tel. 040/38 68 18 77 oder im Internet: www.ponyhof-meyerspark.de